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Interview

Statt 4-Tage-Woche: Gründerinnen setzen mit „Flex Friday“ auf neuartiges Konzept

Die Mitarbeitenden der Agentur Openers können freitags arbeiten, müssen es aber nicht zwangsläufig. Die Gründerinnen Carolin Lessoued und Kerstin Bock erklären im Interview, was hinter dem Flex Friday steckt.

8 Min.
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Carolin Lessoued und Kerstin Bock (v.l.) haben den Flex-Friday eingeführt. (Foto: Katja Hentschel)

Work-Life-Balance, mentale Gesundheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Diese Schlagworte tauchen immer häufiger in der Arbeitswelt auf. Auch weil die Arbeit sich zunehmend verdichtet, sprich immer mehr komplexe Aufgaben in die gleiche Zeit gesteckt werden, und das, obwohl Technologie uns eigentlich Arbeit abnehmen sollte. Daneben gibt es unzählige Anforderungen im Privaten. Die Kinder, der Haushalt, der Selbstanspruch an Sport und Gesundheit sowie der Kontakt zu Freunden. Deutschland steht unter Stress, schlussfolgert die Techniker Krankenkasse in der Entspann dich, Deutschland!-Studie.

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Doch sich einfach mal zu entspannen, ist leichter gesagt als getan, denn das Tauziehen zwischen Beruf und Privatem verschwindet nicht auf Knopfdruck. Lösungen bieten alternative Arbeitskonzepte. Es gibt einige Modelle, die die Anforderungen adressieren: Teilzeit ist ein etabliertes Konzept, das gesetzlich garantiert, die Arbeitszeit zu verkürzen bei weniger Gehalt. Nicht wenige Unternehmen unterstützen Führungskräfte aber auch durch neuartige Co-Leadership-Modelle, die leitenden Angestellten bei gleichem Gehalt ermöglichen, die Führungsaufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen.

Flex Friday: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“

Die Agentur Openers aus Berlin versucht es anderweitig: mit einem Flex-Friday-Prinzip, das den Angestellten mehr Flexibilität bietet, ihre Arbeits- und Freizeit aufeinander abzustimmen. Die beiden Co-Gründerinnen und Geschäftsführerinnen Carolin Lessoued und Kerstin Bock erklären im t3n-Interview, was hinter dem Konzept steckt, was nötig war, um es zu etablieren und wie es auf die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzahlt. Für die beiden ist das eine Frage der Verantwortung. Denn auch sie merken, dass der ständige Druck einer Vollzeitwoche langfristig nicht gut gehen kann.

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t3n: Was steckt hinter dem Flex Friday?

Kerstin Bock: Ein neues Arbeits- und Zeitmodell, das vor allem auf Flexibilität und Eigenverantwortung setzt. Der Flex Friday sieht vor, dass unser gesamtes Team, aktuell bestehend aus 32 Mitarbeitenden, freitags eigenständig über Arbeits- und Freizeit entscheiden kann. Jede Person kann selbst organisieren, welche Aufgaben an diesem Tag noch dringend erledigt werden müssen beziehungsweise welche in die nächste Woche verlegt werden können, um den Tag freizuhalten für private Belange. Am Gehalt sowie dem Urlaubsanspruch ändert das übrigens nichts.

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t3n: Welches Ziel verfolgt ihr damit?

Carolin Lessoued: Wir verfolgen damit vor allem das Ziel, dass jede Person mehr Eigenverantwortung übernimmt. Außerdem möchten wir unseren Angestellten mehr Kontrolle über die eigene, ganz individuelle Arbeits- und Lebenszeit geben, den Druck aus der Vollzeitwoche nehmen und durch mehr Freiräume die traditionelle 40-Stunden-Woche umkrempeln. Unser Grundsatz für den Freitag lautet: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

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t3n: Ihr habt das Modell mehrere Monate getestet. Was habt ihr während dieser Testphase gelernt?

Bock: Die ersten Monate haben uns gezeigt, dass wir der Wunschvorstellung unserer Mitarbeitenden nach mehr Flexibilität sehr nahekommen: Wir schaffen mindestens an besagtem Freitag mehr Zeit, die individuell genutzt werden kann. Ob Quality-Time mit Freundinnen und Freunden oder der Familie, einige besuchen morgens Yoga-Klassen und andere Weiterbildungskurse. Das wirkt sich sehr positiv auf die Motivation unseres Teams aus, zudem zeigt es klare Auswirkungen auf Produktivität und Effizienz. Und zwar nicht, indem von Montag bis Donnerstag einfach mehr gearbeitet wird, sondern in verbesserter Arbeitsteilung und somit der Gesamtperformance.

„Unser Grundsatz für den Freitag lautet: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.“

t3n: Was war der ausschlaggebende Grund, dieses Konzept zu testen?

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Lessoued: Das aktuelle Zeitgeschehen rund um die Vier-Tage-Woche sowie der Wunsch unserer Angestellten nach mehr Freiheit bei der Zeiteinteilung. Nur, weil die Vier-Tage-Woche keine optimale Lösung für alle Branchen oder Unternehmen bildet, heißt das nicht, dass wir unsere Augen verschließen und einfach so weiterarbeiten müssen, wie Generationen vor uns. Denn es geht bei New Work unserer Meinung nach vor allem darum, alternative und individuelle Ansätze für bessere Arbeit zu finden, und zu testen, ob diese Ansätze sowohl für den Betrieb sowie die Mitarbeitenden gleichermaßen funktionieren. Wir empfinden das als unsere unternehmerische Verantwortung, ein zeitgerechtes und individuelles Arbeitsumfeld für alle zu schaffen.

t3n: Wie wurde das Konzept in der Belegschaft angenommen?

Lessoued: Jede Veränderung bedeutet erst mal, dass die Komfortzone verlassen werden muss. Das haben wir auch bei unseren Mitarbeitenden gemerkt. Während einige sehr optimistisch und positiv auf unser Projekt blickten, gab es natürlich auch ein paar wenige kritische Stimmen, die das Konzept hinterfragt und Bedenken geäußert haben. Bedenken vor allem dahingehend, ob unsere Kundinnen und Kunden das gut finden würden. Bedenken aber auch, ob es wirklich zu einer fairen Verteilung von Arbeitszeit und Aufgaben kommt. Und Bedenken, ob alle das gleiche Verständnis von Eigenverantwortung haben würden.

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Bock: Das ist auch gut so. Nur, wenn man auch kritisch hinterfragt und die Painpoints kennt, kann ein Konzept reifen und angepasst werden. Insgesamt lässt sich aber sagen, dass die Ermächtigung zur klaren Ownership der eigenen und gemeinsamen Zeit und der Wunsch aller nach mehr Freiheit, einen unglaublichen Motor und Motivator dargestellt hat.

t3n: Wie habt ihr die Stimmung eingefangen?

Bock: Wir haben zwei Monate nach Start unserer Testphase ein erstes Stimmungsbild durch anonyme Umfragen eingefangen, dann durch ein All-Hands-Meeting, in dem wir von allen erfahren haben, was aktuell gut läuft und wo noch Optimierungsbedarf besteht. Ein wichtiger erster Schritt, der uns direkt aufzeigte, welche Anpassungen wir unmittelbar vornehmen, aber auch wie viel mehr Rahmen wir setzen müssen, um alle abzuholen. Wir haben schnell gemerkt, dass wir uns in die absolut richtige Richtung bewegen. Nach zahlreichen weiteren internen Umfragen, Diskussionsrunden und Iterationen ist das Modell inzwischen ausgereift, die Mechaniken sind klarer und das Team immer zufriedener.

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t3n: Und die Kundinnen und Kunden?

Lessoued: Das hat uns tatsächlich besonders gefreut, dass die Branche offensichtlich immer offener wird. Unsere Kundinnen und Kunden waren von Tag eins an Bord und haben unsere Vision unterstützt. Bisher gibt es hier keinerlei Probleme, wie kürzlich auch eine Umfrage unter ihnen gezeigt hat. Im Gegenteil, viele sind begeistert von dem Modell und beobachten die Entwicklungen bei uns sehr genau.

t3n: Wie haben sich die Arbeitsabläufe denn konkret geändert, damit der Flex Friday funktioniert?

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Bock: Mal abgesehen davon, dass der Freitag schon immer absichtlich sehr meetingarm war, haben wir unsere Meetingstruktur insgesamt weiter verschlankt. Der Freitag ist komplett meetingfrei, das gilt sowohl für interne als auch externe Meetings. Sollte im Team doch mal Bedarf nach einer Brainstorming-Session aufkommen, kann der Freitag dafür aber dennoch gerne genutzt werden. Das liegt beim Team. Da wir die interne Kommunikation an diesem Tag aber auf ein Minimum reduziert haben, ist hier auch genügend Zeit für Fokusarbeit entstanden, oder, wenn möglich, für private Angelegenheiten.

Lessoued: Wir haben diesbezüglich die Wochenstruktur komplett umgebaut. Wir planen beispielsweise am Montag für die erste Wochenhälfte, dann gibt es ein zweites Zusammenkommen am Donnerstagmorgen, wo wir checken, ob die Wochenziele erreicht werden. Wir checken quasi gegen, ob und, wenn ja, was am Freitag noch gelöst werden muss oder ob es auch in die kommende Woche passt. Wir melden zwischendurch aber auch meetingunabhängig mögliche freie Kapazitäten, um die Prozesse und Auslastungen besser im Blick zu haben.

Bock: Für die Kommunikation am Freitag gibt es jetzt auch noch mal angepasste Leitlinien, die wir gemeinsam erarbeitet haben: Alles, was nicht für den Tag zwingend notwendig und wichtig ist, wird auf den Montag terminiert, Slack und E-Mails werden zwar regelmäßig gecheckt, und auch Feedback wird kurz gegeben, daraus resultierende Prozesse werden aber auf die Folgewoche terminiert. Zielstellung ist eben wirklich, Ruhe zu haben – ob das für Aktivitäten privater Natur oder aber für berufliche Fokusarbeiten ist, darf und soll jede Person selbst entscheiden.

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„Durch mehr Freiräume die traditionelle 40-Stunden-Woche umkrempeln.“

t3n: Welche Rolle spielt Automatisierung dabei? Habt ihr technisch aufgerüstet, um Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten?

Lessoued: Aufgerüstet haben wir eher weniger, mehr konsolidiert und die Planungen und Prozesse sauberer aufgestellt. Wir haben einfach wichtige Regeln und Leitlinien zum Einsatz der bestehenden Tools implementiert. Die bloße Frage, wann nutze ich welche Kanäle und zu welchem Zweck, wird unseren Erfahrungen nach oft unterschätzt, gerade mit wachsendem Team sowie Remote und Homeoffice-Option. Ein klarer Rahmen hilft enorm in der Effizienz.

Bock: Wobei man auch sagen muss, dass der steigende Einsatz von KI-Technologien uns insgesamt gelegen kommt und die Offenheit unserer Mitarbeitenden, auch damit umzugehen, hilft. Unterm Strich kann man schon sagen, dass KI-Tools uns Arbeit abnehmen, alleine in der Recherche, Texterstellung oder auch dem Monitoring unserer Agenturarbeit.

t3n: Wie monitort ihr, dass nichts liegenbleibt? Und wie häufig überprüft ihr, ob das Modell noch den gewünschten Erfolg bringt?

Bock: Bei der Evaluation zum Flex Friday ist der Austausch und vor allem die Kommunikation entscheidend. Sehr regelmäßig schicken wir Umfragen in die Runde, besprechen die Auswirkungen und Wahrnehmung der Mitarbeitenden regelmäßig in One-on-one-Feedbackgesprächen und lassen auch die Account-Teams untereinander regelmäßig ihre Erfahrungen und Best Practices teilen.

Lessoued: Die Fragen beziehen sich dann vorrangig auf einem Mix aus Operations, Wohlbefinden und Teamwahrnehmung: Bist du zufrieden? Findest du, dass sich dein Verständnis vom Flex Friday von anderen Wahrnehmungen unterscheidet? Sind unsere Kundinnen und Kunden mit unserer Performance zufrieden? Was können wir besser machen? Wie verbringst du deine Freitage?

t3n: Inwieweit hofft ihr, damit auch einen Recruiting-Vorteil zu bekommen? Gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels gelten Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitflexibilisierungen als erfolgsversprechendes Vehikel.

Lessoued: Das ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass solche Entwicklungen auch immer zu viel Interesse bei Jobsuchenden führen, was uns perspektivisch sicherlich einen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen verschafft, die sich nicht weiterentwickeln. In erster Instanz haben wir uns aber zum Flex Friday entschieden, um dem aktuellen Team und dem aktuellen Zeitgeschehen mehr Rechnung zu tragen – uns ist wichtig, mit der Zeit zu gehen oder bestenfalls sogar vor ihr zu gehen, um uns für die kommenden Jahre leistungsfähig und gleichzeitig mental gesund aufzustellen.

t3n: Haltet ihr es für möglich, dass der Flex Friday irgendwann in eine Vier-Tage-Woche mündet?

Bock: Unmöglich ist nichts. Aber es war niemals unser Bestreben, in eine Vier-Tage-Woche zu gehen, da das weder für jedes Individuum noch für jede Industrie der richtige Weg zu sein scheint. Wir möchten vielmehr zu mehr Verantwortungsbewusstsein, mehr Verständnis für den eigenen Job, aber auch das eigene Leben und die damit einhergehende Verteilung von Zeit appellieren. Besser könnten wir uns vorstellen, dieses Verständnis vom Flex Friday und der eigenen Zeiteinteilung auch auf andere Tage zu shiften und zu adjustieren.

t3n: Sollten Führungskräfte offener sein, alternative Arbeitszeitkonzepte wie den Flex Friday zu testen?

Lessoued: Absolut. Mit der Einführung des Flex Friday verfolgen wir auch das Ziel, ein Exempel für andere Unternehmen zu setzen. Und zwar speziell für jene Betriebe, für die eine strikte Vier-Tage-Woche aus diversen Gründen nicht infrage kommt. Wir möchten dazu appellieren, bestehende Strukturen zu überdenken und mit unterschiedlichen Ansätzen zu experimentieren.

t3n: Danke für eure Zeit!

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Dein t3n-Team

Oliver Lindner

So neuartig ist das Modell nicht. Wir haben dies bereits seit Anfang 2023 erfolgreich eingeführt. Alle Mitarbeitenden können in der SEO-Küche entscheiden ob sie Freitags arbeiten oder nicht.

Antworten
Stefan Meisner

Sorry das kann doch nicht ganz passen. Wenn die Mitarbeiter entscheiden, das Arbeiten auch kommende Woche erledigt werden können und dafür die Kapazitäten da sind, dann habe ich als Unternehmen zu viel Personal. Oder die Arbeit wird in Überstunden dann erledigt. Das ist dann aber wieder das normale Flexkontosystem. Ich erarbeitet mir Überstunden und Feier die dann bei niedriger Auslastung ab.

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