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Reportage

Ex-Geschäftsführer forderte über Linkedin Firmen auf, sich bei ihm zu bewerben – was dann passierte

Über ein soziales Netzwerk haben schon viele ihren nächsten Job gefunden. Nur wenige dürften das so publikumswirksam angegangen sein wie der Handels- und Digitalexperte Marcus Diekmann. Doch die Aktion war riskant und so hätte er sich auch leicht verspekulieren können.

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Selbstmarketing in der Jobsuche – das was Marcus Diekmann da vorführt, ist riskant. (Foto: Niluh Barendt/Armedangels)

Wenn eine C-Level-Führungskraft sich beruflich neu orientert und den nächsten Job sucht, wendet sie sich oftmals an Personalberater:innen, sucht über eigene Kontakte in sozialen Netzwerken oder spricht gezielt Unternehmen an. Der Digitalexperte Markus Diekmann ist einen anderen Weg gegangen. Er hat sich prominent über einen Linkedin-Post beworben – oder vielmehr Unternehmen aufgefordert, sich um ihn zu bewerben. „Ich bin nun bereit für einen neuen Job, eine neue Passion und Leidenschaft“, schrieb er Ende April bei Linkedin.

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In der Tat ist Diekmann jemand, der einen Ruf in der E-Commerce-Branche hat, er selbst verkauft sich als „Businesspromi“, ist Top Voice bei Linkedin. Diekmann gründete Startups und eine Agentur, als Geschäftsführer hat er beim Familienunternehmen Rose Bikes in der Coronazeit viel bewegt, danach war er einige Monate als Digitalisierungsprofi für Peek & Cloppenburg tätig – doch das Unternehmen und er passten einfach nicht zusammen, wie er heute eingesteht. Wer ihn kennt, kann sich das gut vorstellen. Diekmann gilt als forsch und direkt, extrem zielstrebig und wenig kompromissbereit. Er sei im Unternehmen nicht immer bequem, heißt es – und auch er bestreitet das nicht.

Nach seiner Zeit bei P&C war Diekmann selbstständig unterwegs, habe aber mit zu vielen Projekten jongliert, wie er rückblickend erklärt. Das sei für ihn nicht erfüllend gewesen, weil er nicht mehr überall die Leistung bringen konnte, die er bringen wolle. Jetzt will er es sich aber noch einmal beweisen. „Nur in der Beratung oder als Investor tätig zu sein, hat mich nicht befriedigt – und deswegen wollte ich nochmal in einem Unternehmen eine Führungsrolle aufnehmen“, erklärt Diekmann rückblickend.

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Hohe Ansprüche und hohes Risiko

Purpose, also Sinnstiftendes, müssten die Aufgabe und das Unternehmen mitbringen, ein hungriges Team mit viel Agilität in der Unternehmenskultur suche er, dazu Offenheit und Authentizität. Selbst zu seinen Gehaltsvorstellungen machte er so konkrete wie selbstbewusste Angaben: 2,5 bis 4 Millionen Euro für einen Vierjahresvertrag nennt Diekmann als Hausnummer. Das mögen manche vermessen finden oder sogar arrogant.

„Ein letzter großer Ritt, danach gehe ich in Rente. Eine letzte große Challenge.“ Auf jeden Fall ist sowas riskant, denn letzte große Kämpfe kündigen vielleicht Sportler:innen an, aber nicht ein seriöser Manager. Seine PR-Beraterin habe ihm von der Nummer abgeraten, erzählt er im Interview mit t3n, hoch gepokert hat er mit der Aktion und seinem damit verbundenen Transparenzversprechen auf jeden Fall.

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Das Manager Magazin hat die über ein halbes Jahr laufende Suche unter dem Motto „Löwe sucht Höhle“ begleitet, war bei Gesprächen dabei – und Diekmann berichtete tatsächlich sehr offen über Angebote, Gespräche mit kleinen und größeren Unternehmen, ein Treffen mit der großen Personalberatung Kienbaum, über psychologische Tests, wie sie bei Führungskräften dieser Größenordnung inzwischen häufiger vorkommen, sowie über einen gescheiterten Versuch, bei dem in Schieflage geratenen E-Bike-Hersteller Vanmoof eine Führungsrolle zu übernehmen.

Über 1.000 Nachrichten von Unternehmensvertreter:innen aus Großkonzernen bis Startups habe er bekommen, ein Dutzend wirklich ernsthafte Angebote, mit denen er sich intensiv beschäftigt habe, vier davon seien in die engere Wahl gekommen. Doch der Traumjob, bei dem er sofort unterschrieben hätte, sei nicht dabei gewesen.

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Warum Diekmann bei Armedangels anheuert

Jetzt, knapp sechs Monate später, ist seine Suche zu Ende. Anheuern wird Diekmann bei Armedangels, dem Unternehmen von Martin Höfeler, einem Weggefährten Diekmanns, der ihm schon im Vorfeld zu seiner Aktion geraten habe und auch bereits in der ersten Folge der Serie im Manager Magazin auftaucht. Armedangels ist ein Modelabel aus Köln, das sich auf nachhaltige Bekleidung spezialisiert hat. Diekmann wird dort Advisor Strategy, will sich gemeinsam mit dem Gründer und CEO auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens fokussieren. Dabei verantwortet der 44-Jährige den gesamten Strategieentwicklungsprozesses der Brand sowie dessen Umsetzung.

Als Marketing-Stunt will Diekmann seine große Suche, die bei einem schon davor bekannten Unternehmer endet, dennoch nicht verstanden wissen, dafür sei er nicht der Typ. Was ist es dann? Das Eingeständnis, dass er nichts Besseres finden wird? Gewissermaßen. Denn trotz Thematisierung des Millionensalärs geht es dann natürlich gerade in dieser Größenordnung doch um mehr: „Für mich war wichtig, dass die Firma etwas tut, mit dem wir ernsthaft die Welt ein Stück besser machen können“, erklärt Diekmann seine Entscheidung.

Andere Unternehmen seien nicht veränderungsbereit genug gewesen oder aber passten nicht zu seinem Skillset und zu dem, was er einbringen wolle. Armedangels habe ein tolles, bodenständiges Team, sei sowohl im Onlinehandel als auch bei Wholesale erfolgreich, schwärmt er. Und er wolle das KI-Thema im deutschen E-Commerce vorantreiben, denkt beispielsweise auch darüber nach, Know-how für Sortimentsplanung und Customer-Service mit KI-Bezug auch mit Unternehmen anderer Branchen zu teilen.

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Auf den Handel – egal, ob es sich um Fahrräder oder Bekleidung handelt – sieht der E-Commerce-Experte dagegen schwierige Zeiten zukommen. „Die nächsten drei Jahre dürften die schwierigsten werden, die der Handel seit Jahrzehnten durchläuft. Jetzt kommt die Marktphase, in der viele Kund:innen mehr Kaufzurückhaltung an den Tag legen. Hochwertige, nachhaltige Produkte haben es da naturgemäß schwerer, aber es sind auch die Jahre, in denen sich die Spreu vom Weizen trennt – und das in ganz vielen Handelssegmenten.“ Es werde daher nicht mehr reichen, nur das Produkt in den Laden zu stellen, sondern es werde auch darauf ankommen, einen Markenkern zu haben, Impact zu stiften und authentisch zu sein, glaubt Diekmann. Er hofft, dass mehr Menschen sich lieber wenige hochwertig gefertigte Kleidungsstücke kaufen, dass die Zeit von Fast Fashion vorbei ist.

Betrachtet man die Kommunikationsstrategie, wird Diekamm hier einige spannende Ansätze finden. Zuletzt machte Armedangels nämlich im Frühjahr damit Schlagzeilen, dass man „die Lügenmärchen der Modeindustrie aufdecken“ wolle: Nachhaltige Produkte existierten demnach gar nicht, sondern sollten nur den Kund:innen ein gutes Gewissen suggerieren. Doch wenn, was ja im Prinzip korrekt ist, Konsumvermeidung nachhaltiger ist als jedes noch so nachhaltig gefertigte Produkt, schießt man sich damit als Anbieter mit einem solchen Purpose irgendwie selbst ins Knie.

Exponierte Jobsuche: Ein Modell für andere Fach- und Führungskräfte?

Ob es gerade angesichts der Kaufzurückhaltung vieler Kund:innen aktuell so geschickt ist, zu vermitteln, dass der Kleiderschrank doch eh zu voll ist – darüber lässt sich trefflich streiten. Apropos Timing: Das Timing für seine so exponierte Jobsuche sieht der Digitalexperte dabei sogar eher als Vorteil – mitten in der Krise, in der viele Unternehmen weniger schnell und beherzt neue Führungskräfte einstellen. „In der Krise entsteht der Mut, nach vorne zu gehen“, lautet seine Antwort, die fast ein Spruch aus einem Managerkalender sein könnte.

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Profitiert haben von der Aufmerksamkeit, die all das verursacht hat, auf jeden Fall viele Beteiligte. Doch sich so zu exponieren, wie Marcus Diekmann das in den letzten Monaten getan hat, ist riskant. Gerade in der heutigen Zeit dürfte die Rechnung nicht für jede Fach- und Führungskraft aufgehen, auf diese Weise zum neuen Traumjob zu kommen. Auch Diekmann erklärt, er sei jetzt kurz davor gewesen, die prominent begleitete Suche abzubrechen und „das Glück nicht zu erzwingen“, wie er es nennt.

Missen möchte Diekmann die Erfahrung dennoch nicht. „Ich habe viel gelernt – darüber, was ich beruflich möchte und was mir im Leben wichtig ist.“ Er spricht von Familie und Work-Life-Balance (im Hintergrund des Videocalls sind Spielsachen zu sehen), von einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Respekt vor der großen neuen Aufgabe, die er ab Dezember antreten will. Vielleicht schafft er zumindest damit eine Blaupause für andere Führungskräfte.

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