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Porträt

Shop-Porträt: Wie Rose Bikes sich digital transformiert

Rose Bikes ist das, was man ein Traditionsunternehmen nennt: Seit über 110 Jahren ­verkaufen die Münsterländer Fahrräder. Und dennoch sind sie digital ganz vorne dabei. ­Wie schaffen die das?

8 Min.
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Mehr als nur eine Handelsmarke: Rose Bikes entwickelt seit einigen Jahren eigene Modelle und lässt sie in Asien fertigen. (Foto: Rose Bikes)

Ob die Coronakrise für sein Geschäft bisher förderlich oder eher ein Hindernis ist, kann Marcus Diekmann, Geschäftsführer ­Commerce & Digital bei Rose Bikes, gar nicht so genau sagen. Dabei hat der Fahrradhandel in diesem Sommer Hochkonjunktur – die Branche gilt als einer der größten Gewinner der Krise. Doch für das Unternehmen aus Bocholt kam die ­Pandemie zum ungünstigsten aller Zeitpunkte: Ein Teil der Saisonware aus der ­asiatischen Fertigung war irgendwo, nur noch nicht in ­Deutschland.

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„Das wird für uns jetzt richtig teuer“, wusste Diekmann sofort – und sagte das auch ganz offen seinem Team. Sie mussten sich etwas einfallen lassen, um wenigstens mit der vorhandenen Ware Geld zu verdienen. Im Rahmen der Rose@Home-Aktion fuhr der Händler also mit dem Kleinlaster zu den Kunden und präsentierte ihnen die Fahrräder vor der eigenen Haustür. Die Verkäufer berieten Kunden per Whatsapp-Videocall. Der Lockdown wurde genutzt, um in den Läden vieles zu verändern, was im laufenden Betrieb sonst nicht möglich war.

Letztlich gelang es Rose Bikes trotz geschlossener ­Geschäfte ein Umsatzplus von 50 Prozent im April und Mai zu erwirtschaften. „Ohne Corona hätten es rund 80 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum sein können“, sagt Diekmann, „aber wir sind dennoch froh, dass wir die Krise so gut bewältigt haben.“ Er rechnet damit, dass dank des Rad-Booms der Umsatz von insgesamt 102 Millionen im Vorjahr auf 125 bis 130 ­Millionen Euro steigen wird.

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Vom klassischen Fahrradladen zum ­Onlineshop

Um zu verstehen, was Rose Bikes so resilient macht, lohnt der Blick auf die Unternehmensgeschichte: Alles begann 1907 als ­klassischer Fahrradhändler im Münsterland. Erwin Rose, der ­Enkel des Gründers, hat dann den Grundstein zum heutigen Unternehmen gelegt, indem er Fahrradrahmen aus Asien ­importierte und sie im eigenen Laden neben anderen Marken verkaufte. Es folgte der Fahrradvertrieb per Fax an Radsportclubs. In den 80er-Jahren kam ein Katalog dazu, der über die Jahre zur festen Lektüre unter ambitionierten Radfahrern wurde. „Das war damals der ­einzige Ort, wo man gesammelt alle relevanten Informationen über Rennräder, Mountainbikes, Zubehör und Bekleidung bekommen konnte“, erklärt Diekmann, der seit Anfang 2019 Geschäftsführer bei Rose Bikes ist.

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Das Unternehmen erkannte rechtzeitig, dass der Webshop den Katalog ablösen würde, und schaffte mit dem Sprung zum Online-first-Unternehmen die nächste Transformationsstufe. Diekmann betont, dass sich Rose Bikes schon länger als andere als Online-first-Omni-Channel-­Händler verstehe: „Alles bei uns ist online wettbewerbsfähig ausgerichtet und wird erst dann in den stationären Handel übertragen. Egal, ob es um Produkt­politik, Preispolitik, Services oder andere Themen geht.“

Der stationäre Handel gilt aber weiterhin als wichtiges ­Vehikel für den Erfolg des Unternehmens. Neben Biketown in Bocholt, mit 3.600 Quadratmetern einer der größten Fahrrad­läden Europas, betreibt das Unternehmen Filialen in ­Posthausen bei Bremen sowie in Münster, Berlin, München und Zürich. ­Außerdem will Rose Bikes in den nächsten Monaten bei einigen Händlern mit „kooperativen Handelsflächen“ an den Start gehen.

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Den Anfang machte Engelhorn Sports im August. Die Verkäufer des Mannheimer Sportartikelhauses beraten die Kunden auf einer Sonderfläche, wo diese alle Features der Räder begut­achten können, und unterstützen bei der Auswahl und Konfiguration. Das per Screen konfigurierte Bike können Kunden, ­anders als in den eigenen Shops von Rose Bikes, allerdings nicht direkt mitnehmen, sondern bekommen es nach Hause geliefert. ­Engelhorn muss sich folglich weder einem Warenrisiko aussetzen noch zusätzliche Lagerhaltung betreiben – und kassiert für die Beratungs­leistung eine Provision.

Auch wenn Rose Bikes das ­Digitale in den Vordergrund stellt, sind die ­Ladengeschäfte ein wichtiger Baustein für den Erfolg. (Foto: Rose Bikes)

Auch durch den Angebotsmix will sich Rose Bikes von der Konkurrenz absetzen: Inzwischen ist der Händler den Weg hin zur echten Marke gegangen und kauft nicht mehr nur als Händler­marke fertige Rahmen und Räder ein, die dann mit dem Unternehmenslogo versehen werden. In Bocholt werden unter dem eigenen Namen und mit eigener Engineering-Leistung Fahrräder entwickelt, die dann in Asien gefertigt werden. „Das ist die nächste Transformationsstufe, die wir geschafft haben“, ­unterstreicht der Rose-Bikes-Manager. Viele könnten nur fertige Ware kaufen und mit ihrem Label versehen, aber das habe nichts mit eigener Markenarbeit zu tun.

Wie ernst es Rose mit der Digitalstrategie meint, macht ­Diekmann an seiner Stellung im Unternehmen fest: „Ich bin Mitgesellschafter und verantworte die kommerziellen Themen: das Team Digital, IT, Retail und Customer-Care. Dabei haben wir eine klare Abmachung: Niemals entscheidet die reine Menge der Anteile über Themen, die hier aufgehängt sind.“ Ungewöhnlich, gerade in familiengeführten Unternehmen, in denen die Inhaberfamilie oftmals das letzte Wort behalten will.

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In der Tat wäre die Gangart, die Diekmann an den Tag legt, vielen inhabergeführten Unternehmen zu radikal. Innerhalb weniger Wochen nach seinem Start im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen seine „Mission Zukunft“, die der ­Manager bewusst nicht als detaillierten Fahrplan bis 2025 verstanden wissen will. „Ich gebe nichts auf Fünfjahrespläne“, sagt er. „Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Nummer eins im ­sportiven Bike-Lifestyle-Segment in Deutschland sein. Aber wie wir das genau schaffen, finden wir auf dem Weg heraus.“ Aus diesem Grund werden die nächsten Schritte des Unternehmens jeweils nur für acht Wochen festgelegt und dann erneut auf den Prüfstand gestellt.

„Test, learn, build bigger“, ist ein anderes Credo, an das ­Diekmann glaubt. „Alles, was ausgerollt wird, soll clever werden. Aber es muss nicht aus dem Stand heraus perfekt sein, sondern wird immer weiter getestet, bis es unseren Ansprüchen genügt.“ Dabei vermeidet er bewusst das Stichwort „agil“. „Das Agile wird oft komplett missverstanden. Wenn du agil sein willst, brauchst du clevere Leute, die situativ die richtigen Entscheidungen ­treffen. Ansonsten habe ich bei agilen Projekten immer nur gelernt, dass sie teurer werden, und du weniger bekommst, als du erwartet hast.“

Er rät Unternehmen daher eher zum Prinzip „klassischer Wasserfall“, bei dem Ziele und der Weg zu deren Erreichung sehr früh definitiv festgelegt werden, oder zu einem Kompromiss aus beiden Strategien. Rose Bikes beschreibt Diekmann als „KPI und Action-­Point-driven“. „Wir haben uns Erfolgsfaktoren von verschiedenen Philosophien – Scrum, OKR, OGSMT, klassischer Wasserfall – genommen und daraus jeweils die besten Elemente auf uns übertragen. Wir denken nicht mehr in Abteilungen, sondern in Themen, die wir lösen müssen. Wir setzen bereichsübergreifend die Mitarbeitenden in einem Raum zusammen und arbeiten in Sprints.“

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Naturgemäß gäbe es Bereiche im Unternehmen, die mehr oder weniger agil sein können, weswegen der Mix sinnvoll sei. „Wir glauben stark an Ownership und lassen unseren Leuten sehr viel Spielraum“, betont er. Das „Was“ sei Sache der Geschäfts­führung, das „Wie“, also der Weg dorthin, bleibe den Teams überlassen. Die Entscheidungen und Ziele, davon ist Diekmann allerdings überzeugt, können nicht demokratisch geregelt werden.

Eigene Designsprache und ­Marketingagentur

Dazu gehört etwa die Entscheidung, neben der Kern-DNA des Unternehmens – die Sportlerklientel – auch stärker das Lifestyle-­Segment zu bedienen und gerade bei den ­Eigenentwicklungen besonderen Wert auf eine eigene Designsprache zu legen. „Jeder, der ein sportliches Bike fahren will, egal, ob er damit ein Rennen gewinnen will oder nur zum Bäcker Brötchen holen fährt, kann das mit unseren Produkten tun.“ Doch die Zielgruppen unterscheiden sich stark in der Kundenansprache und in der Be­urteilung der Funktionen.

Mehr als eine Notlösung zu Corona-Zeiten: Im Rahmen von Rose@home besucht ein Verkäufer Kunden für eine Beratung vor Ort. (Foto: Rose Bikes)

Neben einer Marketing-Offensive mit 50 Prozent mehr ­Budget übernahm Rose Bikes im Mai 2019 die Digital- und E-Commerce-Agentur Kommerz, deren Mitgründer Diekmann ist. Die Agentur ist auf User-Experience, Business-Intelligence und E-Commerce-Themen spezialisiert und soll als Inhouse-­Agentur dem Unternehmen schnellere Entscheidungen ermöglichen. Mit einem miteinander vertrauten Team könne man natur­gemäß ­besser und souveräner „richtig Gas im E-Commerce geben“, als wenn man die Mitarbeiter erst einzeln einstellen müsse, ­begründet er den Zukauf. Die Agentur, die insgesamt 27 Mitarbeiter zählt und in Essen und Bocholt sitzt, hält seitdem Gesellschafteranteile – und die beiden Agenturchefs bekleiden ­Führungspositionen bei Rose Bikes.

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Besonderes Augenmerk legt Geschäftsführer Diekmann, der bereits als Digital-Chef für den holländischen Bike-Produzenten ­Accell tätig war, nach eigener Aussage auch auf die eingesetzten Software­lösungen und die technische Infrastruktur. Rose Bikes setzt nur noch für standardisierte Prozesse auf ein ERP-System. Individuelle Customer-­Prozesse erledigt das Unternehmen ­dagegen über die Middleware Roqqio. Dadurch sei man viel flexibler und erhalte eine deutlich schnellere Time to Market. Roqqio wiederum kommuniziert mit dem Shopsystem Spryker und wird bei den personalisierten Cross-Selling-Empfehlungen von Epoq unterstützt. Auch die Kassenprozesse online wie offline bildet Rose Bikes über Roqqio ab.

In Bezug auf Product-Information-Management sei man dagegen noch in der Entscheidungsphase und suche gerade nach einer Lösung, mit der die Hersteller ihren Content mit Roqqio selbst einpflegen und hochladen können. Für die Datenanalyse zur Customer-Journey setzt Rose Bikes schließlich auf Google Analytics und Minubo. Gerade weil man sich als sehr datengetriebenes Unternehmen versteht, seien diese zwei Tool-Pakete in gut konfigurierter Form aber vollkommen ausreichend.

Vom Händler zum Connector zwischen Herstellern und Kunden

Die nächste Transformationsstufe, die Diekmanns Team plant, ist der Schritt zum Connector zwischen Herstellern und Kunden. Das sei mehr als nur ein Marktplatz und dürfe damit nicht verwechselt werden, weil man verhindern wolle, dass verschiedene Händler für dasselbe Produkt werben und sich gegenseitig preislich ausstechen. Vielmehr schwebt dem Manager ein kuratiertes Longtail-Angebot vor, bei dem jedes der 45.000 Produkte gezielt ausgewählt wird. Die Kunden sollen nicht mit Masse bei der Auswahl erschlagen werden, sondern schneller zu einem hochwertigen, passenden Produkt finden. Business-Intelligence-Tools, in Zukunft auch KI-Tools und eine Chat-Beratung sollen beim schnellen Finden des passenden Produkts unterstützen.

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(Grafik: t3n)

„Wir sind sehr zahlenorientiert und bewerten nicht in erster Linie, ob wir selbst das Produkt toll finden, sondern es spielt für uns vor allem eine Rolle, ob der Kunde es gut findet. Lasst den Kunden entscheiden – was klickt, funktioniert“, laute die ­Devise. Hersteller will Diekmann mit dem Zugang zu „15 ­Millionen qualitäts­bewussten Kunden“ und den Dienstleistungen der ­eigenen Marketingagentur zum Mitmachen überzeugen.

Rose Bikes soll so zum „One-Stop-Shopping-Place für Fahrradfans“ werden. Gleichzeitig sollen in die Plattform immer mehr Services auf Provisionsbasis integriert werden, etwa auch ­Fahrradreisen und der Customizing-Service-Helmet. Diese ­Vision vom umfassenden Fahrrad-Ökosystem zeigt für ­Diekmann, dass Rose Bikes alles andere als ein klassischer familiärer Mittel­ständler ist: „Wir sehen uns aufgrund der Geschwindigkeit der Innovation überhaupt nicht wie ein familiengeführtes ­Unternehmen, sondern eher wie ein Startup, wenn auch mit traditioneller Basis.“

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Kommentare (1)

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Max Damage

Schön sowas. Ich habe hier leider nur die Traditionellen Läden um mich die einfach so weiter laufen wie bisher weil es geht und man sich auch nicht weiter entwickeln will.

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