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Analyse

Leben in Europa, arbeiten in Asien: Die Chancen und Hürden virtueller Praktika

Virtuelle Praktika sind während der Corona-Pandemie ein Thema geworden. Unternehmen haben sie schnell gestartet. Dabei hat sich besonders gezeigt, wie wichtig Kommunikation ist.

8 Min.
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Bei einem virtuellen Praktikum wird das eigenen Zuhause auch zum Büro – der Laptop ist unverzichtbar. (Foto: insta_photos / Shutterstock)

Ihre Teamkolleg:innen haben geschlafen, während Clara (Name von der Redaktion geändert) gearbeitet hat. Die Studentin hat ab April 2021 ein dreimonatiges virtuelles Praktikum beim Softwarekonzern SAP gemacht. Dabei hat sie rein digital gearbeitet und sich mit Kolleg:innen ausgetauscht: Ihr Team saß in Asien, sie selbst blieb an ihrem Wohnort in Europa. Weil das Praktikum virtuell absolviert werden konnte, konnte sie in Deutschland bleiben und trotzdem am anderen Ende der Welt arbeiten.

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Vorteil: Globale Praktika sind von zu Hause aus machbar

Das ist ein Punkt, der als Chance von virtuellen Praktika gilt: Auch entfernte Stellen können wahrgenommen werden. „Der Vorteil ist, ich kann den Suchradius erweitern und kann weltweit arbeiten“, fasst HR-Expertin Eva Stock zusammen. Das würde auch für mehr Chancengleichheit sorgen, da ein Praktikum im Ausland tendenziell mehr kostet als im Inland.

Die Chance hat auch Clara gesehen: Die räumliche Distanz und der Zeitunterschied haben die Erfahrung für sie allerdings schwerer gemacht. „Wenn ich Fragen hatte, habe ich sie in unserer Gruppe geschrieben – die Antwort kam dann meistens, wenn ich geschlafen habe“, sagt sie rückblickend. Einerseits war es zwar gut, dass jede:r im Team am Tag arbeiten konnte, andererseits kam es dabei eben zu großen Verzögerungen in der Kommunikation.

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Ihr Praktikum sei größtenteils durch die Zeit geprägt, in der sie allein in ihrer Wohnung gearbeitet habe. Morgens habe sie immer ein Gespräch mit ihrem Buddy gehabt, so werden bei SAP die direkten Ansprechpartner genannt. Bei ihm war es schon Abend, für Clara ging der Arbeitstag da erst los.

Buddy-System liefert direkte Ansprechpartner:innen

Das Buddy-System hat die Studentin positiv in Erinnerung – der Austausch sei mit das Beste am Praktikum gewesen. Das Buddy-System wird bei SAP nach wie vor genutzt, so Svenja Römer. Sie leitet den deutschen Ableger des SAP Internship Experience Program, genannt iXp, gemeinsam mit ihrer Kollegin Herbstrith. Das Programm ist für Praktika bei SAP in Deutschland mitverantwortlich und im September 2021 in Deutschland gestartet. Als Clara ihr Praktikum gemacht hat, gab es das noch nicht. Außerdem lief Claras Praktikum über ihrer damalige Hochschule, ihre Erfahrung hat somit nichts mit dem derzeit gängigen iXp-Programm zu tun.

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„Bei uns sind hybride Modelle fest etabliert“, so Römer. Bereits vor der Corona-Pandemie seien sie mit der digitalen Arbeit im Konzern vertraut gewesen, die Arbeit über verschiedene Zeitzonen hinweg gehöre ebenfalls dazu. „Das virtuelle Umfeld ist schon immer normal gewesen“, sagt Römer.

Pandemie-Anfang: Unternehmen mussten schnell handeln

Das war vor der Pandemie allerdings nicht bei allen Unternehmen so: Stock, die aktuell als Chief People & Marketing Officer bei der Digitalagentur Comspace arbeitet, kennt auch die Situation, dass das Digitale erst mal in den Arbeitsalltag einziehen muss. „Da müssen Strukturen übertragen werden“, so Stock. Unternehmen seien damals teilweise noch gar nicht digital aufgestellt gewesen. „Da hatten Unternehmen vielleicht nicht mal ein Headset und haben sich gefragt, wie Online-Meetings funktionieren. Die Infrastruktur hat da gefehlt“, fasst sie zusammen.

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In der Pandemie habe sich das schlagartig ändern müssen: Damit Unternehmen Praktikant:innen bekommen konnten, mussten sie das einst analoge Angebot ins Digitale heben. Zudem sei in Unternehmen teilweise das Homeoffice verpönt gewesen. „Heute ist die Tonlage eine ganz andere“, sagt Stock.

Auch die Deutsche Bahn hat während der Pandemie schlagartig das Angebot an virtuellen Praktika aufgebaut. „Erst mal haben wir uns gefragt, wie wir das machen“, erinnert sich Annabel Merkl, Teamlead Recruiting Graduates bei der DB. Damals habe es bei den Praktikumsplätzen, DB bietet jährlich etwa 2.000 Plätze an, einen kurzen Einbruch gegeben. Im April 2020 seien dann die ersten virtuellen Praktika gestartet.

Analoge Aufgaben müssen ins Digitale gelangen

Dabei sei besonders darauf geachtet worden, die menschliche Komponente zu transportieren. Außerdem sei auch Kreativität gefragt gewesen. „Wir haben eben nicht nur Bürojobs, sondern müssen auch mal raus auf die Schiene“, schmunzelt Merkl. Eine Lösung, um den Praktikant:innen, die sonst mal mit zu Terminen an den Gleisen dürfen, die Arbeit zu zeigen: Wer von den Mitarbeitenden vor Ort sein musste, hat sie virtuell über das Smartphone dazugeholt.

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Das hat nur mit dem entsprechenden Einsatz der Mitarbeiter:innen geklappt. Der ist auch an andere Stelle gefragt. „Wir konnten ja beispielsweise niemandem am Anfang mitlaufen lassen“, so Merkl. Das Praktikumsprogramm sei eins zu eins ins Virtuelle übertragen worden, persönliche Gespräche seien digital eingeplant worden. Dazu kamen Afterwork-Events und verschiedene Formate – die wurden natürlich für alle Mitarbeiter:innen entwickelt.

Neue digitale Formate für alle Mitarbeiter:innen

„Bewährt haben sich Check-ins, die wir bis heute beibehalten haben“, so Merkl. Sie gebe es täglich in Teams, das Meeting würde 15 Minuten dauern. „Da wird bewusst nicht über Fachliches gesprochen, sondern einfach nur über die Stimmung und das, was jemanden gerade beschäftigt“, so Merkl. Außerdem ist „Walk & Talk“ dazugekommen. „Dabei werden Meetings digital abgehalten, bei denen spazieren gegangen werden kann“, sagt sie. Zudem sei ein digitaler Lunch eingeführt worden, bei dem Kolleg:innen die Mittagspause virtuell gemeinsam verbringen können.

Das Schaffen neuer Plätze für den Austausch im Digitalen sieht auch HR-Expertin Stock als entscheidenden Punkt. Außerdem käme besonders bei Praktikant:innen das Thema Fürsorge dazu. „Da müssen wir sie direkt am ersten Tag umfassend einbinden“, so Stock. Praktikant:innen sollen wissen, wie im Team gearbeitet wird, welche Arbeitspakete sie übernehmen sollen und warum. Außerdem sei es wichtig, Perspektiven aufzuzeigen und auch im Praktikum Ziele zu setzen. „Dazu kommt eine intensive Einführung in die Tools“, rät Stock.

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Sprache als Hürde

Immer dabei sollte ein Buddy sein, er bilde die Brücke zwischen Unternehmen und Praktikant:in. Den gab es auch bei Clara – rückblickend lobt sie ihn. Allerdings habe er nicht auffangen können, was aus ihrer Sicht alles nicht gepasst habe. „Ein Problem war, dass sie in ihrem Team in ihrer Landessprache kommuniziert haben“, so Clara. Den Gruppen-Chat habe sie daher nur mithilfe von Übersetzungsprogrammen verstanden.

Schließlich habe sie sich dann andere Channel zum Chatten gesucht, in denen auf Englisch geschrieben wurde. Das sei generell üblich, so Römer. „Allerdings können es Teams intern anders handhaben“, sagt sie. Laut Römer läuft ein Praktikum grob in diesem Rahmen ab: Vor dem offiziellen Start bekommt der oder die Praktikant:in Zugangsdaten sowie die benötigte Hardware geschickt. Das Onboarding fällt dann auf den Buddy und das jeweilige Team.

Probleme beim Onboarding als Schwierigkeit

In Claras Fall kamen zeitversetzt zum Laptop E-Mails mit Zugangsdaten und eine Anleitung an, wie sie sich erstmals am Laptop anmelden musste. „Da musste ich dann jemanden anrufen, der das mit mir durchgegangen ist“, erinnert sie sich. Im ersten Anlauf habe das nicht funktioniert, mit ihren Daten habe sie den Rechner erst mal nicht nutzen können.

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Erst am nächsten Tag hat es funktioniert, dann ging das eigentliche Onboarding los: Dafür hatte Clara unter anderem eine Powerpoint-Präsentation, die sie in den ersten zwei Wochen durcharbeitete. Allerdings habe sie auch Kennenlern-Gespräche mit ihrem Team und ihrem Buddy gehabt – den habe sie täglich persönlich-virtuell gesprochen.

Ihr Onboarding bestand viel aus dem Beantragen von Zugängen. Das gelang nicht immer. „Teilweise waren die Links und Hinweise veraltet“, erzählt sie. Im Gespräch mit ihrem Buddy seien dafür Lösungen gefunden worden. „Die Präsentation habe ich außerdem überarbeitet, damit es jemand nach mir leichter hat“, sagt sie.

Unternehmenskultur kann auf Distanz verloren gehen

Für Clara waren die insgesamt drei Monate zwar laut eigener Aussage interessant, weil sie die eigentliche Aufgabe und das damit verbundene Projekt spannend fand. „Aber ich habe nichts von der Unternehmenskultur mitbekommen“, sagt sie. Zwischendurch sei sie auch in ein kleines mentales Loch gefallen: Die Wartezeit auf Antworten durch die Zeitverschiebung haben ihre Arbeit verlangsamt. „Da habe ich mich dann schon gefragt, warum mache ich das eigentlich“, sagt sie. Besser wurde es, als ihr Buddy sie an eine interne, größere Gruppe verwies, in der solche Fragen aus verschiedenen Teams behandelt wurden. „Als ich da drin war, lief es deutlich besser und die Antworten kamen schneller“, sagt sie.

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Vom Büro in Asien und ihren dortigen Kolleg:innen habe sie kaum etwas mitbekommen. „Einmal gab es einen Filmabend, da wollten sie mich zuschalten, aber da habe ich mich auch gefragt, wie das gehen soll, wenn ich vorm Computer sitze, sie alle gemeinsam im Büro und der Film auf ihrer Landessprache läuft“, so Clara. Daher sei daraus nichts geworden.

Netzwerken: Channel helfen

Dabei ist es eigentlich Ziel der SAP, Praktikant:innen die Unternehmenskultur nahezubringen. „Sie sollen sich auch ein Netzwerk aufbauen können“, so Römer. Zudem sollen die Praktikant:innen heute auch lokale Angebote bekommen. „Wir haben Teams-Channel, damit sich alle untereinander vernetzen und sich zum Beispiel zum Lunch verabreden können“, sagt sie. Bei allem sei jedoch auch Eigeninitiative seitens der Praktikant:innen gefragt.

Claras Praktikum fand noch in einer anderen Zeit statt, in der ersten Jahreshälfte 2021 gab es durch die Pandemie noch mehr Einschränkungen. Heute sollen Praktikant:innen auch die Möglichkeit haben, ins Office zu kommen, wenn sie möchten. SAP setze aktuell auf ein hybrides Modell, feste Office-Tage gebe es allgemein nicht, allerdings könne das je nach Team variieren.

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Lustige Tweets aus dem Homeoffice Quelle: Twitter

Ein hybrides Modell trägt auch laut Stock dazu bei, Praktikant:innen, aber auch andere im Unternehmen zu überzeugen. „Ein Geheimrezept, was sich für uns bewährt hat, ist, die ganzen Themen in einem Topf zu werfen“, sagt sie. Was sie damit meint? Statt auf Silo-Denken zu setzen, nach dem Motto „Was wollen Mitarbeiter:innen im Office und was wollen sie im Homeoffice?“, und diese Fragen einzeln zu beantworten, sollen sie von Anfang an gemeinsam gedacht und bearbeitet werden.

HR-Tipp: Bedürfnisse von allen mitdenken

„Da geht es auch darum, für alle die richtigen Kanäle zu finden“, sagt sie. Wie wollen Personen erreicht werden, wo wollen sie sich austauschen? Bei der Digitalagentur Comspace haben sie unter anderem ein digitales Freundebuch eingeführt. Außerdem drehen Mitarbeiter:innen Videos von ihren Remote Arbeitsplätzen, die dann intern geteilt werden.

Generell seien außerdem kleine Aufmerksamkeiten wichtig, um Mitarbeiter:innen zu halten und neue zu überzeugen. Das können an Jahreszeiten angepasste Kleinigkeiten, wie Kekse zu Weihnachten, oder lustige Videos sein, die intern entstanden sind. Diese Maßnahmen zur Teamgefühl-Stärkung würden auf alle einzahlen – auch auf Praktikant:innen.

Die sollten laut Stock immer mitgedacht werden: besonders als Young Professionals, die eine Stelle im Unternehmen besetzen können. Dabei hätten laut ihr virtuelle Praktikant:innen keinen Nachteil gegenüber jenen, die vor Ort seien.

Hybride Arbeit als Zukunftsmodell

Das bestätigt auch die Deutsche Bahn: Sie hätten mit virtuellen Praktikant:innen positive Erfahrungen gemacht, auch die Zahlen der Übernahmen seien ähnlich geblieben. Neben dem rein virtuellen Angebot ist ein hybrides Modell gängig geworden. Remote Work ist nach der Pandemie üblich geworden, sofern es die Arbeit zulässt.

Auch bei SAP zeigen sich laut Römer keine Nachteile virtueller Praktikant:innen gegenüber Personen, die vor Ort sind – die Art des Praktikums habe keine Auswirkungen darauf. Clara konnten sie allerdings nicht von sich überzeugen: Die Studentin hat sich damals nicht eingebunden genug gefühlt – die Distanz zwischen Team-Arbeitsplatz und eigenem Arbeitsplatz war doch zu groß.

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khoa.nguyen344

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