Endlich Freelancer! So überlebst du dein erstes Jahr als selbstständiger SEO
5 Experten über den Start als SEO-Freelancer
Für den dritten Teil unserer Artikel-Serie „Endlich Freelancer!“ haben wir diesmal vier selbstständige Suchmaschinenoptimierer nach ihrem Berufsleben gefragt. Wir wollten von ihnen wissen, wie sie zu ihren SEO-Kenntnissen gekommen sind, wie sie auf dem Laufenden bleiben, neue Kunden akquirieren und unter welchem Stundensatz sie nie arbeiten würden. Außerdem verraten sie noch branchenspezifische Spar- und Tooltipps und was zur Startausstattung gehören sollte. Diesmal dabei:
Kai Spriestersbach
Der Einzelunternehmer ist Inhaber der strategischen SEO-Beratung SEARCH ONE und hilft ausgewählten Kunden bei der Verbesserung ihrer Sichtbarkeit in der organischen Suche bei Google. Außerdem ist er strategischer Partner der Online-Marketing-Agentur eology und als Online-Strategy-Consultant für die Mitarbeiterschulung und strategischen Ansätze zuständig. Daneben betreibt er mehrere eigene Webseiten, die über Werbung für Einnahmen sorgen und programmiert und vermarktet eigene Tools wie das W-Fragen Tool.
t3n: Wie war dein Ausbildungsweg? Woher hast du deine SEO-Skills?
Spriestersbach: Gestartet bin ich nach einem abgebrochenen Wirtschaftsingenieurwesen-Studium in einer Multimedia-Agentur in München als einfacher Mediengestalter-Azubi und bliebt dort noch ein weiteres Jahr als Media-Producer.
Damals habe ich noch in der Front-End-Entwicklung gearbeitet und mich mit den nötigen onPage-SEO Grundlagen nebenbei beschäftigt. Damals waren die SEO-Skills noch eine Art Zusatzqualifikation, die meinen Marktwert als „Frontendler“ erhöht haben. Für meine nebenberufliche Tätigkeit im Online-Gaming und bei eigenen Webseiten ging es dann auch in den Bereich der offPage-Optimierung, wobei ich hier eher Traffic-Quellen erschlossen habe, als „SEO-Links“ aufzubauen. Nach und nach habe ich mir dann immer mehr SEO-Wissen angelesen und natürlich alles direkt umgesetzt und ausprobiert.
Die Spezialisierung auf SEO kam nach einem weiteren Jahr bei einem Startup in München, bei dem ich realisiert habe, wieviel relevanten Traffic und damit Umsatz ich mit meinen Kenntnissen im Bereich SEO ermöglichen kann. Der logische Schritt war dann der Wechsel in eine Online-Marketing-Agentur in München, um mich als SEO-Consultant zu beweisen. Von dort bin ich in eine Inhouse-Position als SEO bei jameda.de gewechselt und habe mich danach selbstständig gemacht.
t3n: Wie bleibst du auf dem Laufenden?
Spriestersbach: Mein Twitter-Feed ist wie eine Art dynamischer RSS-Reader, der mir alle relevanten News und Artikel nach oben spült. Ich verbringe relativ viel Zeit mit dem lesen von Blogs, Artikeln und Fachbüchern. Daneben tausche ich mich sehr gerne mit Kollegen aus und versuche regelmäßig eigene Tests, Experimente und Erfahrungen zu machen, die dann wiederum den Erfahrungsschatz erweitern.
t3n: Wie akquirierst du neue Kunden?
Spriestersbach: Im Laufe der Zeit habe ich mir eine komfortable Situation erarbeitet. Die Kunden finden entweder meine Agentur-Webseite über SEO, oder haben etwas von mir gelesen, gehört oder mich auf einer Konferenz gesehen und fragen mich gezielt an. Empfehlungen zufriedener Kunden oder netten Kollegen sorgen ebenfalls für sehr gute Kontakte und Anfragen. Ich würde also jedem Freelancer empfehlen, einen richtig guten Blog oder Podcast zu betreiben, auf Konferenzen und Messen präsent zu sein und ein gutes Netzwerk zu pflegen. Hier gilt für mich übrigens die Devise „Klasse statt Masse“.
t3n: Welche Startausstattung/ Wieviel Kapital sollte man zum Start parat haben?
Spriestersbach: Das wichtigste ist eigentlich das Know-How über Buchhaltung, Kalkulation, Steuern, Rücklagen, Vertrieb und so weiter. Ein Fehler in diesen Bereichen kann einem sehr schnell das Genick brechen. Um an die ersten Kunden zu gelangen ist ein gut positionierter Blog oder eine Webseite gerade am Anfang enorm wertvoll. Ich habe meinen Blog gute drei Jahre vor dem Schritt in die Selbstständigkeit entsprechend Auf- und Ausgebaut.
t3n: Unter welchem Stundensatz würdest du nie arbeiten?
Spriestersbach: Das ist immer eine Frage von Angebot und Nachfrage. Gute Leute mit einer guten Reputation werden sehr viel besser bezahlt als Unbekannte Anfänger – klar. Grundsätzlich sollte jeder Selbstständige oder Freelancer von seiner Arbeit leben können und für die Rente und Rücklagen sorgen können. Zu Beginn muss man in der Regel etwas niedriger ansetzen, aber mein Tipp ist es, lieber einen Auftrag abzulehnen der schlecht bezahlt ist und dafür die Zeit in das eigene Marketing zu stecken. Wenn man am Ende 40 Stunden die Woche rödelt und davon nicht Leben kann ist das weder im eigenen Interesse noch im Interesse der Kunden.
t3n: Hast du einen branchenspezifischen Spar- oder Tooltipp?
Spriestersbach: Spartip: Schaut euch sehr genau Eure monatlichen Fixkosten an. Überlegt lieber zweimal, bevor ihr einen neuen Vertrag abschließt oder etwas anschafft. Einmalige Kosten sind kalkulierbar, aber gerade Laufzeitverträge oder Finanzierungen können sich schnell zu einem ordentlichen Brocken summieren, der jeden Monat gestemmt werden muss. Tooltip: Ich erledige meine gesamte Buchhaltung, Rechnungsstellung et cetera über Lexoffice. Außerdem ist ein gutes To-Do-Tool und ein funktionierender E-Mail-Client mit Kalender sehr wichtig!
t3n: Hast du sonst noch einen Rat, den du jemandem mit auf den Weg geben würdest, der sich als SEO-Freelancer versuchen will?
Spriestersbach: Positioniere dich! Also sorge dafür, dass du ganz klar machst, was du kannst und was nicht. Wofür stehst du, wofür nicht? Damit du wahrgenommen wirst, musst du nach außen gehen und damit man sich an dich erinnert, ein möglichst klares und scharfes Bild abgeben. Der typische Bauchladen-SEO, der Webseiten, AdWords, Texte und am Besten noch Fotos anbietet hat es extrem schwer, an gute Kunden zu kommen.
Astrid Kramer
Astrid Kramer ist aktuell in zwei Bereichen tätig: als Freiberuflerin mit Schwerpunkt Interim-Management und als Beraterin mit der jacobi&jacobi-GmbH. Zusätzlich moderiert sie Fachkonferenzen, veranstaltet Workshops oder bietet eins-zu-eins-Trainings an.
t3n: Wie war dein Ausbildungsweg? Woher hast du deine SEO-Skills?
Kramer: Ich habe Informationswissenschaft auf Magister studiert, was bereits sehr nahe an den Themen Information-Retrieval und somit SEO ist. Danach war ich Head-of-SEM bei einem GelbeSeiten-Verlag im Saarland, dann Beraterin für SEO bei TRG und dann bereits im SEO-Bereich selbstständig. Mein KnowHow habe ich mir früher (seit 2007) überwiegend aus Blogs geholt, die damals noch mega-aktiv waren in unserer Branche. Zusätzlich natürlich Fachkonferenzen und Tests mit eigenen Projekten.
t3n: Wie bleibst du auf dem Laufenden?
Kramer: Vor allem über Facebook. Man sollte wissen, wer im Bereich SEO wirklich Ahnung hat und wer nur versucht, damit den schnellen Euro beim Kunden zu machen. Wenn man den richtigen Leuten folgt, erhält man eigentlich alle Infos, die nötig sind, um auf dem Laufenden zu bleiben. Ein bisschen trauere ich unserer Anfangszeit mit Blogposts aber schon nach.
t3n: Wie akquirierst du neue Kunden?
Kramer: Früher lief auch das super über die Expertise, die man sich als Blogger aufbauen konnte (mein Blog damals: nerd-in-skirt.de). Heute würde ich folgendes empfehlen: Vorträge auf Fachkonferenzen halten und spannende News im Social Web teilen. Damit kann man sich noch immer als Experte etablieren. Zusätzlich macht es Sinn, Kontakt zu guten Headhuntern (das heißt Headhunter, die Ihre Kandidaten kennen und respektieren, nicht aufdringlich sind und spannende Projekte am Start haben) zu halten.
Ich arbeite zum Beispiele gerne mit Steerer-Consulting in Hamburg zusammen, die immer mal wieder tolle Interim-Management-Angebote haben. Das ist eine schöne Abwechslung zum reinen Freelancen. Auch aktives Networking ist nach wie vor extrem wichtig (schaut mal auf meetup.com oder bei den Xing-Events in eurer Umgebung). Und natürlich ein Blick auf Stellenanzeigen und in Projektsuchmaschinen. Wer eine Festanstellung zu vergeben hat, hat möglicherweise auch Bedarf an einem Freelancer. Fragen kostet ja nichts!
t3n: Welche Startausstattung/ Wieviel Kapital sollte man zum Start parat haben?
Kramer: Die Faustformel ist: Drei Monatsgehälter sollte man auf jeden Fall zur Seite gelegt haben. Wichtig ist, dass man nie zu sehr auf Kante strickt. Auch für die Steuer sollte man direkt Geld zurück legen, sonst tut das plötzlich richtig weh.
t3n: Unter welchem Stundensatz würdest du nie arbeiten?
Kramer: Das kann ich schwer beantworten, da sich mein Stundensatz sehr spezifisch nach Projekt, Aufgabenstellung und der Dauer der Buchung berechnet. Als Anfänger macht man oft den Fehler, zu günstig zu arbeiten, da man die eigenen Kosten unterschätzt. Netto ist eben nicht gleich netto!
t3n: Hast du einen branchenspezifischen Spar- oder Tooltipp?
Kramer: Ich spare mir viel Arbeit mit easybill, was aber nicht branchenspezifisch ist. Ansonsten haben wir bei j&j eine eigene Toolbox, was uns hilft, besonders komplexe Fragestellungen bei Kunden zu beantworten. Diese entwickeln wir dynamisch, je nach Bedarf, weiter. Ansonsten mag ich für SEO die Klassiker (zum Beispiel Searchmetrics mit dem schönen Linkoptimization Feature, onpage.org oder Sistrix. Als Freetools: similarweb.com und alles, was Google in der Werkzeugkiste hat).
t3n: Hast du sonst noch einen Rat, den du jemandem mit auf den Weg geben würdest, der sich als SEO-Freelancer versuchen will?
Kramer: Machen! Ich habe die Entscheidung keine Sekunde bereut! Aber natürlich sollte man immer darauf achten, dass man sich selbst treu bleibt. Wenn man also nicht der Typ dafür ist, ganz alleine zu arbeiten, dann sollte man von Anfang an eher auf Coworkingspaces zurückgreifen, statt sich im Homeoffice alleine durchzuschlagen. Und, so spießig es klingt, immer auf die Finanzen schauen, das heißt Geld zurücklegen, auf die Altersvorsorge achten und immer etwas vorsichtiger wirtschaften als augenscheinlich notwendig.
Igor Ermentraut
Mit meiner Online-Marketing-Agentur betreue ich Onlineshops und Internetportale vorrangig bei der Suchmaschinenoptimierung. Darüber hinaus berate ich Kunden bei der Conversion- und Usabilityoptimierung.
t3n: Wie war dein Ausbildungsweg? Woher hast du deine SEO-Skills?
Ermentraut: Meine Fähigkeiten und mein Wissen über die Suchmaschinenoptimierung habe ich mir größtenteils autodidaktisch über Jahre hinweg mit eigenen Projekte erarbeitet. So habe ich früher, nach dem Prinzip der Heuristik, diverse Versuche durchgeführt, die mal gut und mal weniger gut ausgefallen sind. Das heißt, ich habe die zu der Zeit allgemein bekannten SEO-Theorien sozusagen einfach mal „auf Herz und Nieren“ geprüft. Dadurch konnte ich viele wertvolle Erkenntnisse sammeln. Bei einem Kundenprojekt wäre so etwas absolut undenkbar.
Meiner Erfahrung nach deckt sich die Theorie nur teilweise mit der Praxis, deshalb sind solche Versuche bei der Suchmaschinenoptimierung extrem wichtig. Später habe ich als Online-Marketing-Manager bei einer Online-Marketing-Agentur gearbeitet, wo ich mein Wissen noch weiter vertiefen konnte. Inzwischen bin ich seit sechs Jahren selbstständig und konnte an vielen Projekten mitwirken.
t3n: Wie bleibst du auf dem Laufenden?
Ermentraut: Dafür benutze ich einen FeedReader mit einer Sammlung der wichtigsten Blogs. Ich lese mir täglich die neuesten Meldungen durch, so bin ich stets auf dem neuesten Stand. Außerdem nutze ich sehr gerne die Plattform „Slideshare“, da dort viele interessante Präsentationen zu Vorträgen hochgeladen werden, ohne dass man auf jeder Konferenz gewesen sein muss. Dafür muss man aber auch den entsprechenden Leuten folgen.
t3n: Wie akquirierst du neue Kunden?
Ermentraut: Hin und wieder kommen Kunden selbst auf mich zu und manchmal werde ich auch empfohlen. Ansonsten habe ich vor einigen Jahren ein eigenes Tool entwickelt, welches entsprechende Portale und Foren nach neuen Aufträgen durchsucht.
t3n: Welche Startausstattung/ Wieviel Kapital sollte man zum Start parat haben?
Ermentraut: Wenn du dich als SEO-Exterte selbständig machen möchtest, dann solltest du am besten mit mindestens 12.000 Euro starten. Gerade am Anfang ist es schwierig, sich einen stabilen Kundenstamm aufzubauen. Sollte es mit den Kunden am Anfang nicht so gut klappen, dann brauchst du unbedingt Rücklagen, um Krankenkasse, Miete et cetera bezahlen zu können. Ansonsten brauchst du nur einen einfachen Computer und einen Internet- und Telefonanschluss. Ideal wäre auch ein eigenes Büro. So werden andere Firmen auf dich aufmerksam. Am besten ist ein Gemeinschaftsbüro, so kommst du automatisch mit anderen Firmen und Selbständigen ins Gespräch. Mit etwas Glück hast du so auch schon die ersten Kunden.
t3n: Unter welchem Stundensatz würdest du nie arbeiten?
Ermentraut: Grundsätzlich würde ich nicht unter 50 Euro pro Stunde arbeiten. Viele Freelancer vergessen Feiertage, Krankheitstage und Urlaubstage bei ihrer Kalkulation. Ein idealer Stundenlohn für einen Freelancer liegt bei circa 65 Euro. Allerdings kann es gerade am Anfang mit 50 Euro oder mehr schwierig werden. Zum Beispiel wenn man noch nicht so souverän auftritt und kleine Fehler macht. Wenn du ganz am Anfang stehst, dann sind 40 bis 45 Euro in Ordnung, aber nur kurzfristig. Mittel- und langfristig solltest du auf einen Stundenlohn von 65 bis 75 Euro kommen.
t3n: Hast du einen branchenspezifischen Spar- oder Tooltipp?
Ermentraut: Zwar ist dies kein branchenspezifischer Spartipp, aber ich kann den Dienst Sipgate sehr empfehlen. Der Dienst ist sowohl für Freelancer interessant, die gerade am Anfang stehen, als auch für kleine bis große Unternehmen. Man muss sich keine teure Telefonanlage kaufen. Wächst die Firma, dann lässt sich der Dienst (Telefonnummern, Flatrates et cetera) erweitern. Es muss kein Spezialist für Telefonanlagen beauftragt werden und es muss auch keine neue teure Hardware her. Und sollte es mal nicht so gut laufen, dann kann man zusätzliche Anschlüsse, Flatrates, Zusatzfunktionen zum Monatsende kündigen. Man ist damit absolut flexibel und das finde ich großartig.
t3n: Hast du sonst noch einen Rat, den du jemandem mit auf den Weg geben würdest, der sich als SEO-Freelancer versuchen will?
Ermentraut: Sammle so viele Erfahrungen, wie möglich, bevor du dich als SEO-Freelancer versuchst. Die Suchmaschinenoptimierung ist inzwischen sehr komplex geworden. Heutzutage kann man ein Projekt sogar in den Ruin treiben, wenn man es falsch angeht. Daher ist eine finanzielle Absicherung, in Form einer Berufshaftpflichtversicherung, bei einem Schadensfall sehr wichtig. Es sind viele Dinge, die man lernen und wissen muss, bevor man ein guter SEO wird. Dazu gehört vor allem interdisziplinäres Wissen und viel Erfahrung.
Tausche dich mit anderen Selbständigen und SEO-Freelancern aus. Du solltest keine Scheu haben Fehler zu machen. Am besten du startest ein eigenes Projekt, bei dem du dich „austoben“ kannst. Später weißt du, welche Maßnahmen gut funktioniert haben und welche Maßnahmen dir langfristig vielleicht sogar geschadet haben, damit dir das beim nächsten Mal nicht bei einem Kunden passiert.
Jonas Weber
Jonas arbeitet seit einem guten Jahr als freier SEO-Berater für diverse Unternehmen. Hierbei handelt es sich sowohl um laufende als auch einmalige Beratertätigkeiten. Als früherer Google-Search-Quality-Mitarbeiter ist er nach wie vor mit dem Unternehmen eng verbunden, unter anderem als aktiver Marketing-Expert für die Bereiche SEO und SEM.
t3n: Wie war dein Ausbildungsweg? Woher hast du deine SEO-Skills?
Weber: Der Einstieg war meine praktische Diplomarbeit zum Thema Kosten-Nutzen von Web-Usabilty und SEO im Lufthansa-Konzern. Ab diesem Zeitpunkt hat mich das Thema SEO nicht mehr los gelassen, vor allem immer in der Kombination mit Web-Usabilty. Die Kombination der beiden Elemente muss nämlich kein Widerspruch sein.
Noch während der Diplomarbeit habe ich mich bei Google beworben – nach acht Vorstellungsgesprächen klappte es mit einer Stelle im Search-Quality-Team von Google in Dublin. Das war natürlich ein Traum und die beste Ausbildung, die man sich wünschen kann. Die Lernkurve war extrem steil, die Insights sehr wertvoll. Ich profitiere heute noch jeden Tag davon. Viele Punkte, die ich in der Diplomarbeit nicht beantworten konnte, wurden im Nachhinein aufgeklärt.
Nach meiner Google-Zeit habe ich eine Online-Marketing-&-SEO-Agentur gegründet (inzwischen die Anteile verkauft) und dort in fünf Jahren vor allem auf der anderen Seite viel dazu gelernt: in der Kundenbetreuung und -Beratung. Jetzt bin ich SEO-Freelancer, habe wieder mehr Zeit für das Kernthema SEO und lerne jeden Tag weiter dazu.
t3n: Wie bleibst du auf dem Laufenden?
Weber: Zunächst mal zeigt mir Google jeden Tag das Captcha, das heißt, dass ich die Suche so oft benutze, dass Google mich als „Maschine“ identifiziert und ich mich per Zeicheneingabe wieder als Person verifizieren muss. So habe ich auf Projektarbeiten in diversen Unternehmen schon die ganze Abteilung bezüglich Google-Suchen lahm gelegt. Diese Frequenz der Suchen ist wichtig, um zu sehen, was sich bei Google tut und wie die Ergebnisse ausgespielt werden.
Des weiteren bin ich auf vielen Fachkonferenzen unterwegs (zuletzt auf der Google Experts Summit im Google Headquarter in Mountain View), meistens auch als Referent. Sowohl bei den Vorträgen als auch beim Networken in den Pausen nehme ich immer wieder den ein oder anderen Tipp mit.
Ich verfolge die offiziellen Blogs und Hangouts von Google und die wichtigsten Industry-Blogs aus den USA und Deutschland. Natürlich werte ich bei allen Kunden auch sehr viele Daten aus. In meinem Facebook-Stream schlagen viele SEO-Experten und Ex-Kollegen gute Links und Artikel vor.
t3n: Wie akquirierst du neue Kunden?
Weber: Hier versuche ich eher den indirekten Weg über den Ausbau einer nachhaltigen Reputation zu gehen als den Weg der direkten Kaltakquise. Nachdem ich Google verlassen hatte, um mich selbständig zu machen, habe ich viel Eigen-Pressearbeit betrieben.
So haben viele Websites Interviews mit mir veröffentlicht. Dies führte wie bei einem Schneeballeffekt dazu, dass größere Medien über die kleinen Blogs auf mich aufmerksam wurden (sehr viele Journalisten recherchieren auch über Google). So gab es dann unter anderem Interviews beziehungsweise Erwähnungen bei Spiegel.de, Chip.de und Focus.de.
Zusätzlich bin ich auf vielen Konferenzen als Referent präsent, bei diversen Startup-Veranstaltungen als SEO-Mentor (unter anderem Google-Launchpad, Uni-München). Dies führt dazu, dass der Trigger der meisten Anfragen nicht meine eigene Website ist, sondern die Platzierung auf anderen Websites oder die Präsenz auf Offline-Veranstaltungen.
Die wichtigste Akquisemethode ist aber die Weiterempfehlung, also Mund-zu-Mund. Freelancer haben ein begrenztes Zeitbudget. Oft kann es schon ausreichen, dass zufriedene Kunden aktiv weiterempfehlen.
t3n: Welche Startausstattung/ Wieviel Kapital sollte man zum Start parat haben?
Weber: Im Prinzip ist fast kein Kapital von Nöten, da ja Services und Zeit verkauft werden. Bei einer gewissen Expertise sind ohne lange Vorlaufzeit Einnahmen möglich. Bis auf einen leistungsfähigen Laptop sind zunächst mal keine größeren Anschaffungen zu tätigen. Es ist möglich die Freiberuflichkeit von zu Hause durchzuführen, die meiste Software kriegt man kostenfrei oder sehr günstig. Somit existieren für einen Freiberufler am Anfang im Prinzip keine Fixkosten.
Ich bin ein Fan von Cash-Flow-Wachstum, also nur Geld ausgeben und reinvestieren, das davor auch erwirtschaftet wurde. Am Anfang keine teuren Kredite, Büros, Möbel, Autos. Alles kann im Bedarfsfall variabel dazu gebucht werden. Mit diesem Vorgehen wird vermieden sich seine eigene Freiberuflichkeit inklusive einem zu optimistischen Businessplan schön zu rechnen. Ausgaben werden erst getätigt, wenn Aufträge da sind.
t3n: Unter welchem Stundensatz würdest du nie arbeiten?
Weber: Wir könnten die Frage auch so formulieren: was ist mein Einsatz dem beauftragenden Unternehmen wert? Viele meiner Neukunden kommen zum Beispiel wegen Rankingproblemen oder einer Penalty. Die Lösung eines derartigen Problems kann dem Kunden in kurzer Zeit sehr viel Geld einbringen, teilweise im siebenstelligen Bereich pro Monat.
Umgekehrt kann falsches SEO auch viel kaputt machen. Somit wird immer auch für Know-how bezahlt und nicht nur für den Stundensatz. Aus diesem Grund ist meine Mindestbuchung ein bis drei Tage, je nach Größe der Website. Mein Mindesttagessatz ist immer im vierstelligen Bereich. Wenn es Sinn macht, wähle ich gerne ein Modell aus Fixbetrag und Erfolgsbonus.
t3n: Hast du einen branchenspezifischen Spar- oder Tooltipp?
Weber: Die meisten SEO-Experten unterschätzen die funktionale Tiefe der Google-Search-Console (früher Webmastertools). Inzwischen sind hier so viele Daten und Einstellungen vorhanden, dass kleine Webmaster nicht unbedingt ein weiteres Tool benötigen. Ich finde hier alle Keywords, die in Google Analytics und Co. verschleiert werden.
Onpage.org ist bis zu 100 gecrawlten Seiten kostenfrei. Betreut ein SEO-Freelancer nur Kunden mit kleinen Websites, kann das zunächst reichen. Für die Umsetzung der technische Onpage-Fundamentals und Content-Analyse ist Onpage.org ein geniales Tool mit benutzerfreundlichem Interface. Sonst hat jedes Tool seine Stärken und Schwächen. Mein aktuelles Lieblingstool für Linkanalysen ist ahrefs.com, für internationale und komplexe Einsätze kommt niemand an Searchmetrics vorbei – die SAP-Version der SEO Tools.
t3n: Hast du sonst noch einen Rat, den du jemandem mit auf den Weg geben würdest, der sich als SEO-Freelancer versuchen will?
Zunächst mal kann er sich gerne bei mir melden, des öfteren brauche ich Unterstützung. Ich empfehle niemandem, den Job zu kündigen und Freelancer zu werden, bevor er erste Kunden hat. SEOs haben keinen guten Ruf, Kaltakquise ist keine gute Strategie. Meine Kunden bekommen täglich Anrufe und E-Mails mit dubiosen SEO Angeboten, teilweise von „Google zertifizierten SEO Beratern“. Das ist Quatsch, so ein Zertifikat gibt es nicht!
Besser ist es sich zu überlegen: Was könnte mein Alleinstellungsmerkmal sein und wie kann ich es heraus arbeiten. Zum Beispiel könnte ein früherer Journalist und SEO-Fan sich auf das Thema „Content Marketing für SEO“ spezialisieren. Er wird einen anderen Zugang zu Journalisten haben, das überzeugt auch Kunden. Oder ein früherer Online-Shop-Besitzer könnte sich auf „SEO für Online Shops“ stützen, er kennt die Probleme und Bedürfnisse der Shopbetreiber. Ein bestehendes und funktionierendes Netztwerk mitzubringen, ist Gold wert.
Karolin Bierbrauer
Karolin Bierbrauer seit über einem Jahr bei einer Firma als SEO-Project-Manager freiberuflich tätig. Zusätzlich betreut sie noch einige andere Projekte.
t3n: Wie war dein Ausbildungsweg? Woher hast du deine SEO-Skills?
Bierbrauer: Ich habe nicht direkt eine Ausbildung, alle meine SEO-Skills habe ich mir teilweise durch viel lesen, ausprobieren und Weiterbildungen wie zum Beispiel zum Social Media Manager, Google-Advertising-Professional oder Hubspot-Inbound-Marketer, angeeignet.
t3n: Wie bleibst du auf dem Laufenden?
Bierbrauer: Ich lese viel, besuche die SXSW-Konferenz in Austin, Texas und andere Konferenzen und teste viele Strategien und Techniken an mir selbst.
t3n: Wie akquirierst du neue Kunden?
Bierbrauer: Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich noch aktiv nach Kunden gesucht, mittlerweile bekomme ich meine Aufträge größtenteils durch Weiterempfehlung.
t3n: Welche Startausstattung/ Wieviel Kapital sollte man zum Start parat haben?
Bierbrauer: Um ein guter SEO-Spezialist zu sein, braucht man nicht viel Startkapital. Nur Zeit und eine Homepage mit Blog und ein gutes soziales Netzwerk. Accounts bei Online-Job-Plattformen wie Twago und Upwork (englisch) schaden auch nicht.
t3n: Unter welchem Stundensatz würdest du nie arbeiten?
Bierbrauer: Für weniger als 35.- Euro/Stunde würde ich nicht arbeiten. Wenn ein potenzieller Kunde denkt, ein SEO Projekt kann in einer Woche erledigt werden, lehne ich dankend ab.
t3n: Hast du einen branchenspezifischen Spar- oder Tooltipp?
Bierbrauer: Einen Spartipp habe ich jetzt nicht direkt. Bei Tools kann ich folgendes empfehlen: Google Analytics und Search Console sind selbstverständlich. Desweiteren benutze ich noch SEMrush. Das sind meine wichtigsten Tools um alles zu tracken und die richtigen Influencer, Keywords und Competitors zu finden.
t3n: Hast du sonst noch einen Rat, den du jemandem mit auf den Weg geben würdest, der sich als SEO-Freelancer versuchen will?
Bierbrauer: Nicht gleich aufgeben, Netzwerken, wissbegierig sein und wenn die Techniken an einem selber funktionieren, dann funktionieren sie auch beim Kunden.
Vielen Dank für die hilfreichen Infos. Werde versuchen das ein oder andere umzusetzen.
Hey wow… auch aus der Mitte Deutschlands vielen Dank für den tollen Artikel! Positionierung ist und bleibt das A&O – es gibt so viele eierlegende Wollmilchsäue, mit Dienstleistungen von A-Z, quer über alle Disziplinen, in jede Ecke. Am Ende kommt bei den meisten nur Mittelmässiges raus und Kunden sehen keinen ROI. Klasse für die Branche.
Also: Positionierung, Positionierung, Positionierung!
Super, so viele ehrliche und persönliche Insights vom Erfahrungsschatz anderer SEO Freelancer zu bekommen. Danke für euren Artikel.
Viele Grüße Timo
Das sind sehr hilfreiche Hinweise für Neueinsteiger wie mich.
Der Hinweis mit der Pflege eines professionellen Blogs ist aus meiner Erfahrung auch besonders wertvoll, wenn man am Anfang steht. Die eigene Homepage ist die Visitenkarte und mit interessanten Artikeln zum Bereich SEO kann man schnell auf sich aufmerksam machen. Mein SEO Blog (https://www.khoa-nguyen.de/blog/) ist noch in den Kinderschuhen. Doch ich merke, dass das Publizieren von interessanten Inhalten auf Twitter, Facebook, Social Media Plattformen viel mehr Mehrwert bringt, als wenn man nur die eigene Homepage oder bestimmte Unterseiten verlinkt.
Auch das Thema mit Kapital, Rücklagen und eigener Organisation durch Buchhaltung ist immens wichtig und wird stark unterschätzt.
Gute Tipps, haben mir sehr geholfen. Danke.
Vielen Dank für den Artikel. Sehr spannend die verschiedenen Blickwinkel und persönlichen Wege zu sehen, die bei diesem Thema zusammenkommen.
Auch nach mehr als fünf Jahren hat der Beitrag nicht an Relevanz verloren. Es sind viele nützliche Tipps, die ich als SEO Freelancer auch beherzige. Die minimalen Stundensätze muss man inzwischen vielleicht ein wenig nach oben anpassen. Selbst 65 EUR pro Stunde erscheinen mir schon recht wenig.
Hallo, eine Frage: heißt Freelancer hier „freiberuflich“ gemäß Finanzamt ? Ich meine oben die Beispiele sind teilweise Beratung UND Verkauf von Produkten an denen man verdient. Dann ist der Status „freiberufler“ in Gefahr , oder sehe ich das falsch ? Mich hätte es interressiert ob alle wirklich „freiberufler“ sind. Sonst prima Fragerunde . Danke