Zusammenarbeit mit kleinen Einschränkungen: Marktüberblick Open-Source-Groupware
Es gibt eine sehr große Anzahl von Groupware-Systemen. Sie alle zu behandeln, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Daher werden hier nur die Systeme betrachtet, die auch oder ausschließlich als Open-Source-Variante erhältlich und einigermaßen verbreitet sind und Exchange ersetzen können, also Outlook als Client zulassen. Damit fallen einige der bereits lange existierenden reinen Open-Source-Software-Lösungen wie eGroupware, phpGroupWare, PHProjekt oder Opengroupware.org durch das Raster. Die Auswahl beschränkt sich auf Zimbra, Open-Xchange, Zarafa, Kolab und Scalix.
Open Source oder freie Software?
In dieser Reihe ist nur Kolab von vornherein als freie Software konzipiert und geschrieben, ursprünglich im Auftrag des Bundes, also der öffentlichen Hand. Die beteiligten Firmen verstehen sich als integraler Bestandteil der Freie-Software-Bewegung und haben deshalb auch ein grundsätzlich anderes Geschäftsmodell als die auf Lizenzverkäufe angewiesenen Hersteller. Alle anderen hier betrachteten Systeme sind aus rein proprietären Systemen hervorgegangen, denen später eine Open-Source-Variante hinzugefügt wurde. Scalix beispielsweise hat vor etwa 20 Jahren als HP OpenMail begonnen – mittlerweile dürfte von dem alten Code kaum noch etwas übrig sein, aber die Grundstrukturen haben überdauert. Auch Open-Xchange hat bereits eine längere und wechselvolle Geschichte hinter sich.
Bei den vier auf proprietären lizenzpflichtigen Systemen basierenden Lösungen (alle außer Kolab) sind die Funktionen der Open-Source-Versionen eingeschränkt. Der volle Funktionsumfang steht erst mit dem Erwerb der kommerziellen Version zur Verfügung. Als „Open Source“ werden hier übrigens nicht nur Lizenzen im Sinne der OSI verstanden, sondern auch die teils selbst erfundenen Lizenzen, die in irgendeiner Weise die Herausgabe des Quellcodes beinhalten, ggf. mit Nutzungseinschränkungen.
Zimbra
Zimbra [1] hat als Venture-Capital-finanziertes Unternehmen begonnen und eine eigene Groupware von Grund auf neu geschrieben. Dabei wurde von Beginn an auf AJAX als Technologie und auf ein professionelles Marketing gesetzt. Diese Strategie hat sich für die Geldgeber ausgezahlt: Zimbra wurde inzwischen von Yahoo gekauft. Die anfänglichen Versionen glänzten allerdings mehr durch die moderne AJAX-Oberfläche als durch Funktionalität. Mittlerweile, nach der Übernahme durch Yahoo, hat sich auch unter der Haube eine Menge getan und Zimbra kann vom Funktionsumfang her gut mithalten.
Das System orientiert sich im Wesentlichen an Microsoft Exchange/Outlook und Outlook Webaccess, mit einigen Erweiterungen. Die Nachbildung ist typischerweise am Aufbau des Adressbuchs zu erkennen: Jeder Kontakt kann drei Adressen aufnehmen und genau einer Firma oder Organisation zugeordnet sein, wobei die Firma als Freitextfeld eingetragen wird.
Benötigt man weitere Adressen für eine Person (z. B. Firma, Verein, privat, Ferienhaus), müssen Doubletten angelegt werden. Firmen erhalten keine eigenen Adressen und sind auch nicht mit Personen verknüpft – zieht eine Firma um, müssen daher die Adressen aller Mitarbeiter manuell einzeln geändert werden. Die Eintragung der Firma/Organisation als Freitext in jeden Kontakt zieht in größeren Umgebungen fast zwangsläufig ein Chaos an Schreibweisen nach sich – die „Meier GmbH & Co. KG“ findet sich dann als Meier, Meyer, Maier, Mair etc. wieder, mal mit, mal ohne diverse Teile der Gesellschaftsform. Auch der Kalender verrät die enge Anlehnung an Outlook/Exchange: Ein Termin, der beispielsweise jeden zweitletzten Mittwoch im Monat stattfindet, lässt sich nicht als Regel erfassen, obwohl der iCal-Standard dies eigentlich erlaubt. An dieser Anforderung scheitert allerdings nicht nur Zimbra, sondern auch viele andere Systeme scheitern daran – um die Anbindung an Outlook zu ermöglichen, muss man sich fast zwangsläufig an dessen nicht sehr flexibles Datenmodell halten.
Zimbra bietet aber noch mehr als nur Outlook-Funktionen: Die Software stellt eine Dateiablage und einen „Notiz“-Bereich für die Ablage und Bearbeitung von Dokumenten zur Verfügung. Außerdem können Erweiterungen, so genannte „Zimlets“ (anderswo Plugin oder Portlet genannt) eingebunden werden. Da Zimbra zu Yahoo gehört, gibt es beispielsweise Zimlets für die Einbindung von Yahoo! Maps. Das System erlaubt aber auch die Einbindung von eigenen Zimlets.
Mit unterschiedlichen Bedienoberflächen wendet Zimbra sich an verschiedene Zielgruppen: Neben dem AJAX-Webclient gibt es inzwischen auch eine „Standard-HTML“-Version, die zwar noch immer JavaScript benötigt, aber z. B. auch in Opera funktioniert. Zusätzlich entwickelt Zimbra gerade einen Offline-Client (derzeit als Beta-Version erhältlich), der nicht nur mit dem Zimbra-Server zusammenarbeitet, sondern auch mit GoogleMail/Kalender, Yahoo, Hotmail/Live-Mail und jedem Standard-POP3/IMAP-Server. Dies ist in Zeiten der Web-2.0-Euphorie ein sehr ungewöhnlicher Schritt. Zimbra schickt sich damit an, nicht nur Exchange als (teures) Serverbackend abzulösen, sondern auch Outlook als Client-Software.
Für den Zugriff von unterwegs gibt es neben einer Online-Version für Mobil-Browser auch Synchronisationsmöglichkeiten für die gängigen Geräte inklusive Windows Mobile, Symbian (Nokia) und Blackberry – allerdings nicht in der Open-Source-Version. Die abgespeckte Version kann außerdem keinen Übersichtskalender für mehrere Personen gleichzeitig anzeigen. Auch die Hochverfügbarkeitsoptionen und Teile der Domainadministration wurden hier weggelassen. Einen MAPI-Connector gibt es nur in der Network-Professional-Version, genauso wie den iSync Connector. In der Open-Source-Version fehlt auch die Möglichkeit, bestimmte Dokumenttypen als HTML anzuzeigen oder in Mailanhängen zu suchen.
Zimbra kann auf eigenen Servern installiert oder auch als Hosted Solution betrieben werden – für das eher auf den US-amerikanischen Markt fokussierte System bieten hierzulande jedoch nur zwei Hoster diese Lösung an.
Zarafa
Zarafa will in erster Linie nur Exchange ersetzen und Outlook als Client beibehalten. Als Outlook-Alternative bietet die Anwendung eine AJAX-basierte Weboberfläche. Die Grundkomponenten des Servers bestehen aus verbreiteten Freie-Software-Komponenten, die Verwaltung, MAPI-Anbindung und Weboberfläche sind Eigenentwicklungen. Im Funktionsumfang und auch im Design der Weboberfläche lehnt sich Zarafa sehr eng an Outlook 2003 an.
Zumindest in der Online-Demo präsentiert sich die deutsche
Lokalisierung noch als ein buntes Gemisch aus Deutsch und Englisch –
wie auch auf der Webseite selbst [2]. Die in Pop-Ups untergebrachten Optionsdialoge sind komplett in Englisch.
Von Zarafa steht eine unter der „Apero GPLv3“ veröffentlichte Community-Edition bereit. In dieser gibt es neben fehlenden Administrations- und Hochverfügbarkeitsoptionen zwei wichtige Einschränkungen: Es gibt keinen Blackberry-Enterprise-Server-Support und die Zahl der Outlook-Clients ist auf drei begrenzt. Immerhin sind aber die ActiveSync-Kompatibilität, POP3/IMAP und iCal-gateway-Funktionen enthalten.
Scalix
Die Ursprünge von Scalix [3] liegen in HPs längst verstorbenem Dinosaurier OpenMail. Wieviel Code tatsächlich noch davon vorhanden ist, können wohl nur die Scalix-Entwickler selbst sagen. Die grundsolide Architektur ist jedenfalls erhalten geblieben.
Auch Scalix ist mangels eines eigenen Clients mit Outlook gestartet. Mittlerweile können neben Outlook auch Sunbird, Thunderbird und Evolution angebunden werden. Zudem gibt es die Möglichkeit, iCal zu benutzen. Mit dem „Scalix Web Access“ verfügt das System, das mittlerweile zu Xandros gehört, über ein modernes, AJAX-basiertes Web-Interface.
Die „Community Edition“ von Scalix bietet die Basis-Features einschließlich Evolution- und MAPI-Connector (für Outlook), ist allerdings auf zehn Premium-Nutzer begrenzt. Für die Nutzung von Scalix Web Access und POP3/IMAP bestehen hingegen keine Begrenzungen. In der Community Edition fehlen weiterhin die proprietären Komponenten wie Anti-SPAM, Virenschutz, Active Directory Support und ActiveSync Support sowie alle Multi-Domain- und Hochverfügbarkeitsoptionen und das Migrationstool zur Ablösung von Exchange. Von dieser und auch den unterschiedlich ausgestatteten kommerziellen Versionen gibt es auch eine Hosting Edition für den Providereinsatz.
Scalix stellt im Gegensatz zu den anderen Anbietern keine Online-Demo bereit; die deutschsprachige Webseite ist derzeit abgeschaltet und wird überarbeitet.
Open-Xchange
Trotz des suggestiven Namens ist Open-Xchange [4] nicht ursprünglich als ein 1:1-Ersatz für Microsoft Exchange konzipiert, sondern als eine webbasierte Groupware-Lösung, die neben Mail, Aufgaben, Adressbuch und Kalender auch eine Dokumentenablage zur Verfügung stellt. Ab Version 6 lässt sich auch Open-Xchange über eine AJAX-Oberfläche bedienen.
Die Community-Version (der Link zum Portal der Open-Source-Version versteckt sich auf den Hauptseiten von Open-Xchange unter „OXpedia“) umfasst grundsätzlich die gleichen Funktionalitäten wie die kommerziellen Versionen, unterschlägt aber die so genannten OXtender, mit denen die Anbindung von Outlook und die Synchronisation von Palm beziehungsweise SyncML-Geräten sowie die Verknüpfung mit Samba realisiert wird. Diese OXtender sind kostenpflichtig. Ein Zusammenspiel mit Blackberry-Geräten und Blackberry-Enterprise-Lösungen ist derzeit nicht möglich. Open-Xchange wird als Appliance Edition (inklusive Basis-Betriebssystem), als Server Edition (zur Installation auf einem vorhandenen Linux-Server) und als Hosting Edition für den Betrieb beim Provider angeboten.
Kolab
Kolab [5] sticht aus der Reihe der vorgestellten Lösungen heraus, da es von Grund auf als freie Software entwickelt wurde (im Auftrag des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik). Hinter dem Projekt steht ein Konsortium mehrerer Firmen, die kommerziellen Support anbieten und die Weiterentwicklung sicherstellen.
Das Linux-basierte System besteht grundsätzlich aus bekannten und bewährten Komponenten (OpenLDAP, Cyrus, Postfix, Apache, SASL, OpenSSL) und einer zusätzlichen Administrationssoftware. Die Unterstützung von Kolab ist in die Standard-KDE-Umgebung integriert, als Clients kommen die KDE-PIM-Komponenten zum Einsatz (Kontact).
Mittels Plugin bindet die Software auch die beliebte Kombination aus Thunderbird und Lightning ein. Für Windows steht eine Alpha-Version von Kontact zur Verfügung, doch auch mit Outlook arbeitet Kolab zusammen. Ein Webinterface gab es anfangs nicht, inzwischen kann aber die HORDE Groupware für diesen Zweck verwendet werden.
Die Synchronisation mit SyncML-basierten Mobilgeräten ist integriert. Nur wer Outlook als Client nutzen will, muss dafür ein proprietäres Outlook-Plugin installieren, wie es etwa die Firmen Toltec, Bynari oder Konsec anbieten. Bei der Anbindung von Blackberry-Geräten und -Diensten muss Kolab passen. Mit eigenen Clients für Linux und Windows (allerdings noch in der Alpha-Phase), der Anbindung an Outlook und einem Webinterface taugt Kolab für verschiedenste Einsatzgebiete und heterogene Umgebungen. Eine spezielle Hosting-Version wird nicht angeboten.
Fazit
Es muss nicht immer Exchange sein. Auch jenseits der Microsoft-Welt gibt es interessante und ausgereifte Lösungen. Der Funktionsumfang unterscheidet sich durchaus im Detail, die Grundbedürfnisse werden aber in jedem Fall abgedeckt. Bei den Open-Source-Varianten sollte vorher geklärt werden, ob nicht etwa wichtige Funktionen dort „eingespart“ wurden.
Schwacher, praxisferner Artikel, in dem nicht einmal der Klassiker eGroupware vorkommt. Aber so ist das mit den Beratern, die sollten mal die Software selbst im Alltag nutzen, die sie da so leichtfertig beschreiben