Die Open-Source-Shop-Systeme Magento und OXID im Vergleich: Kampf der Giganten
Das kalifornische Unternehmen Magento (ehemals Varien) existiert seit 2001 und beschäftigt derzeit etwa 180 Mitarbeiter. Die gleichnamige Software wurde als Open-Source-Software entwickelt und als Community Edition (CE) unter der Open Software License (OSL 3.0) im März 2008 veröffentlicht. Der Fokus von Magento liegt vor allem auf seinem modularen Aufbau, der Multishop-Fähigkeit und dem sehr flexiblen Produkt- und Attributsystem. In Kombination mit einem ausgeklügelten Preisregelsystem erlaubt insbesondere das Attributsystem Shopbetreibern, die verschiedensten Produkte abzubilden. Das System will sich dabei als E-Commerce-Framework verstanden wissen, mit dem sich sehr flexibel verschiedenste Anwendungen erstellen lassen.
Mittlerweile vertreibt Magento zwei weitere Versionen, die im Gegensatz zur ursprünglichen Community Edition kostenpflichtig sind, dafür jedoch erweiterte Funktionalität und verbesserte Support-Leistungen beinhalten.
Die Professional Edition (PE) schlägt dabei mit 3.000 US-Dollar pro Jahr zu Buche, die Enterprise Edition kostet gar 13.000 US-Dollar pro Jahr. Eine ausführliche Liste aller Funktionen der einzelnen Editionen findet sich auf der Magento-Produktwebsite [1].
Die OXID eSales AG wurde 2003 gegründet und beschäftigt derzeit ungefähr 60 Mitarbeiter. Ihre gleichnamige Software hat gegenüber Magento eine etwas andere Vergangenheit. Das Shopsystem basiert zwar ebenfalls auf PHP und MySQL, wurde aber von Beginn an als kommerzielle Software verkauft. Erst im Herbst 2008 wurde mit der Community Edition eine Open-Source-Variante (GPLv3) veröffentlicht, die vom Funktionsumfang der lizenzpflichtigen Professional Edition (PE) entspricht; es handelt sich hierbei also um eine Dual-Lizensierung einer ansonsten identischen Software. Die dritte Version im Bunde ist die Enterprise Edition (EE), die mit zusätzlichen Funktionen wie Multimandantenfähigkeit aufwartet.
Die OXID CE verfügt über sämtliche Funktionen, die man von einem modernen Shopsystem erwartet: Angefangen bei einer intuitiven Katalogverwaltung über verschiedenen Funktionen zur Verkaufsförderung bis hin zu einem integrierten Content Management System. Auf der Produktwebsite können sich Interessenten detailliert zum Funktionsumfang informieren [2]. Für die OXID Professional Edition (PE) fallen einmalig 2.000 Euro an, die Enterprise Edition (EE) kostet einmalig 13.000 Euro, wobei ein obligatorischer Supportvertrag von 4.000 Euro pro Jahr hinzukommt.
Technologie
Magento basiert auf den Open-Source-Technologien PHP und MySQL sowie auf dem Zend Framework, von dem es grundlegende Funktionen verwendet und an dessen Architektur es sich anlehnt. Die Software ist komplett objektorientiert programmiert und modular aufgebaut, sodass eigene Funktionen gut implementiert werden können, ohne den Programmierkern anpassen zu müssen. Somit kann die Software aktualisiert werden, ohne dass individuelle Änderungen dabei überschrieben werden.
Darüber hinaus nutzt Magento ein sehr abstraktes EAV-Datenmodell: Daten wie beispielsweise Produkt- oder Kundenangaben werden nicht in einzelnen, so genannten „flachen“ Tabellen, sondern in einer Vielzahl miteinander verknüpfter Tabellen gespeichert. Das hat den Vorteil, dass sich beispielsweise neue Attribute sehr einfach ohne Datenbankänderung hinzufügen lassen. Nachteilig wirkt sich dies jedoch auf die Leistung aus, da zum Seitenaufbau eine ganze Reihe an Datenabfragen durchgeführt werden müssen. Aus diesem Grund sind für den Betrieb eines Magento-Shops eine performante Hosting-Lösung und ein durchdachtes Caching-Konzept unverzichtbar.
Im Gegensatz dazu speichert OXID seine Anwendungsdaten weitestgehend in flachen Tabellen. Die Software basiert auf objektorientiertem PHP und nutzt MySQL zur Datenspeicherung. Bis auf die Smarty-Template-Engine, die zum Aufbau des Frontends genutzt wird, handelt es sich bei OXID um eine komplette Eigenentwicklung. Es ist ebenfalls so aufgebaut, dass neue, individuelle Funktionen in Modulen gekapselt werden können, sodass auch in diesem Fall keine Programm-Dateien überschrieben werden müssen und die Update-Fähigkeit erhalten bleibt.
Dokumentation und Partner
Einer der Hauptkritikpunkte an Magento ist die Tatsache, dass es bislang noch kein offizielles Schulungs-, Dokumentations- und Zertifizierungs-Konzept gibt, das beispielsweise Agenturen hierzulande den Einstieg in die Arbeit mit der Software erleichtert. Auch der Quellcode ist nur ansatzweise kommentiert, sodass es entsprechend zeitaufwändig ist, damit effizient zu arbeiten. Magento bemüht sich, diese Situation zu verbessern, indem etwa die so genannte Knowledge Base erweitert wird [3]. Auch mit Webinaren und Screencasts versuchen die Entwickler, häufig auftretende Fragestellungen zu behandeln. Außerdem findet sich mittlerweile eine Reihe von Büchern auf dem Markt, die den Einstieg in die Arbeit mit Magento erleichtern. Dennoch: Magento-Neulinge müssen das nötige Wissen derzeit aus diversen Quellen beziehen oder sich alternativ durch spärlich kommentierten Quellcode kämpfen.
OXID ist in dieser Hinsicht besser aufgestellt. Zwar ist die Online-Dokumentation unter OxidForge nicht wesentlich umfangreicher als die von Magento, allerdings erleichtern sowohl das offizielle Schulungsprogramm als auch Zertifizierungen im Rahmen der „OXID Academy“ [4] den Einstieg erheblich.
Darüber hinaus kann OXID durch die Tatsache punkten, dass mit Hilfe von automatisierten Unit-Tests, deren Ergebnisse regelmäßig veröffentlicht werde, die Code-Qualität konstant überprüft und verbessert wird. Im letzten Test überprüften die Entwickler so gut 92 Prozent des Programmcodes der OXID CE; ein für diese Art von Anwendung durchaus beachtlicher Wert. Magento führt im Gegensatz dazu keine Unit-Tests durch, was vor allem der Komplexität der Anwendung geschuldet ist.
Erweiterbarkeit
Bei MagentoConnect [5] handelt es sich um einen Marktplatz für Erweiterungen, auf dem Drittanbieter ihre Magento-Module anbieten können. Derzeit finden sich dort gut 3.000 Zusatzmodule, wobei ungefähr ein Drittel davon freie Module sind, die sich einfach über die Eingabe des so genannten Extension-Keys im MagentoConnect-Paketmanager des Magento-Admin-Panels installieren lassen. Den anderen Teil machen kommerzielle Module aus, die direkt vom Hersteller bezogen und separat über FTP installiert werden.
Die Zusatzmodule decken vielfältige Einsatzmöglichkeiten ab, wobei die Anbindung von Magento an Drittsysteme zu den wichtigsten gehört. Mittlerweile gibt es zahlreiche Erweiterungen, die den Datenaustausch mit den wichtigsten Payment- und Logistikanbietern sowie Warenwirtschafts- und CM-Systemen sicherstellen. So können beispielsweise unterschiedliche Zahlweisen mit Hilfe von Anbietern wie Expercash, Ogone, Payone oder Wirecard genau so angebunden werden wie Drittsysteme, etwa TYPO3, WordPress oder Joomla.
OXID ist ebenfalls durch Zusatzmodule erweiterbar. OXID eXchange, der zugehörige Marktplatz, beinhaltet aktuell ungefähr 250 Erweiterungen, mit denen Shopbetreiber bestimmte Funktionalitäten nachrüsten können [10]. Diese Erweiterungen decken ebenfalls Themen wie Produktdarstellung, Bezahlung, Marketing und Kundenmanagement ab, sind teils kostenlos, teils kostenpflichtig und lassen sich über FTP installieren.
Beim Datenaustausch hat OXID mit eFire aber noch einen Trumpf im Ärmel [5]. Es handelt sich dabei um eine Plattform, über die sich ein OXID-Shop mit Hilfe von sogenannten Portlets ohne weiteren Programmieraufwand an Drittsysteme, etwa Preisvergleichsportale oder eBay, anbinden lässt [6]. Der Datenaustausch mit den externen Anbietern wird dabei nutzungsbasiert abgerechnet.
Kunden und Community
Beide Systeme können mittlerweile auf eine Reihe hochkarätiger Referenzkunden verweisen. Bei Magento sind das beispielsweise der internationale Skype-Shop, The North Face oder auch der jüngst veröffentlichte Shop der deutschen Münzhandelsgesellschaft MDM. Weitere sehenswerte Beispiele werden regelmäßig in der Showcase-Kategorie des offiziellen Magento-Blogs veröffentlicht. Im Falle von OXID wurden zuletzt Fressnapf, Gravis sowie Intersport umgesetzt, und auch hier findet sich eine umfangreiche Referenzliste auf der Firmen-Website.
Umgesetzt wurden diese Shops von Agenturen verschiedener Größe. Sowohl Magento als auch OXID bieten dazu Partnerprogramme an, die unterschiedlich ausgestaltet sind: Bei Magento unterscheidet man zwischen Solution-, Hosting- und Industry-Partnern. Hierbei ist die Solution-Partnerschaft für Agenturen gedacht, die entweder Community-, Professional- oder Enterprise-Partner werden können und in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Support Unterstützung erhalten [7]. Eine solche Partnerschaft kostet zwischen 2.000 und 10.000 US-Dollar pro Jahr. OXID unterscheidet zwischen Hosting- und Solution-Partnern [8] und bietet diesen ebenfalls Hilfestellung beim Verkauf kommerzieller Software-Lizenzen und bei technischen Fragen an. Die Partnerschaften sind ebenfalls an Jahresgebühren geknüpft, die zwischen 500 und 3.000 Euro liegt.
Abgesehen von diesen offiziellen Partnerschaften liegt die wahre Stärke einer Open-Source-Software in der Größe und Zusammensetzung der Community. Im Magento-Forum gibt es mittlerweile weltweit knapp 300.000 angemeldete Nutzer [9], bei OXID sind es gerade 10.000 [10]. Allerdings ist der Unterschied wohl damit zu begründen, dass OXID einerseits weniger international ausgerichtet ist und andererseits erst vor zwei Jahren eine Open-Source-Version veröffentlicht hat.
Fazit
Beiden Systemen gemein ist ein modernes Programmierkonzept und die Möglichkeit, individuelle Funktionen umzusetzen, ohne dazu den Programmkern verändern zu müssen. Magentos Programmierkonzept macht deutlich, dass es eher als E-Commerce-Framework anstatt eines reinen Shop-Systems gesehen und verwendet werden will und kann – man denke an das komplexe Template-System, das EAV-Datenmodell und die Anleihen an die Architektur des Zend-Frameworks. Wird ein Projekt geplant, das hohe Anforderungen an die Systemflexibilität stellt und nicht auf den Multishop-Ansatz verzichten will, ist Magento sicherlich der ideale Kandidat.
Für OXID sollten sich diejenigen entscheiden, denen eine gut gewartete Code-Basis und ein funktionierendes Schulungs- und Zertifizierungsumfeld wichtig sind. Auch die Tatsache, dass OXID schon wesentlich länger im dem deutschsprachigen Markt aktiv ist, spricht für die Software aus Freiburg; dank eFire stehen nämlich zahlreiche Anbindungen an Drittanbieter komfortabel zur Verfügung.
Beide Systeme haben
letztlich ihre individuellen Stärken und Schwächen, und so sollten es die Anforderungen des jeweiligen
Projekts sein, die schlussendlich über die Wahl des einen oder des anderen
Systems entscheiden.
Die OXID Professional Edition liegt derzeit bei 2.990,- € + 1.990,- € für die ERP-Schnittstelle. Eine für meinen Geschmack etwas willkürliche Preispolitik, die nicht jedem Kunden gefallen dürfte und die Nachfrage nach Projekten mit der CE oder Magento erhöht hat. Schade denn das Shop-System ist wirklich hochwertig.
Ich habe sowohl Magento, als auch OXID Shops für Kunden umgesetzt. Leider haben wir mit OXID und im Speziellen mit e-fire ständig Probleme. Auch Updates gestalten sich bei OXID oft sehr zäh. Eigentlich funktioniert nach einem Update immer irgendwas NICHT!
Ich persönlich werde zukünftig keinen OXID-Shop mehr aufsetzen. Lieber etwas mehr Entwicklungsaufwand mit Magento am Anfang, als dieser dauerhafte Ärger mit OXID während der Laufzeit.
Also entgegen der Angabe in diesem Artikel finde ich persönlich, das Magento doch schon in vielen Bereichen sehr gut dokumentiert ist. Klar gibt es auch Bereiche, da hakt es noch, oder ist noch einiges zu verbessern, aber die Einarbeitungszeit ist doch relativ gering. Im Vergleich zu Oxid, mit dem ich auch schon gearbeitet habe. Auch findet man im Umfangreichen Forum eigentlich auch immer etwas. Es könnte allerdings teilweise etwas geordneter sein.
Auch die Angabe mit der EAV Struktur in diesem Artikel ist nicht ganz korrekt. Zwar ist dies der Standard der Datenspeicherung in Magento, jedoch kann man im Backend sowohl für Produkte als auch für Kateogorien auch die Flat-Speicherung nutzen. Dadurch ist dies vergleichbar mit Oxid.
Die technische Leistungsfähigkeit der Software ist Grund-Voraussetzung. Im Funktionsumfang tun sich die Systeme nicht soooo viel und orientieren sich an der aktuellen Nachfrage.
Allerdings ist die Anpassung und erfolgreiche Einführung gerade bei großen Installationen ein sehr wichtiges Thema, das bei der Auswahl geeigneter Software und Lösungsanbieter massiv unterschätzt wird. Die funktional beste Lösung bringt nichts, wenn der „Solutionpartner“ nicht in der Lage ist, den Kunden zu verstehen und Individualprogrammierungen innerhalb kurzer Zeit zu attraktiven Konditionen vorzunehmen.
Die meisten Geschäftsmodelle lassen sich auch nicht hundertprozentig mit einer Standardlösung abbilden und müssen individualisiert werden. Das geht von der Realisation komplexer Schnittstellen zu ERP-Systemen bis hin zu komplexen Individualprogrammierungen, mit der sich der Shopbetreiber von Mitbewerbern unterscheidet und dem Kunden Komfort bietet. Hier gibt es wenig „Out of the box“.
Es ist immer hilfreich, sich bei Referenzkunden über Haken und Ösen zu informieren.
Magento arbeitet auch sehr gut mit Drupal zusammen !!!
@chriz: oh, das erinnert mich an TYPO3….stäääändig hakelt irgendwas, geht wieder irgendwas nicht. und leider hat das ding sicherheitslücken ohne ende, sodaß man schon bald im wochenturnus updaten muß. wie ist das bei oxid?
@indi: Ja – leider hab ich mit OXID so ähnliche Erfahrungen gemacht. Über Sicherheitslücken kann ich allerdings nichts sagen. Updates zum Einspielen gibt es aber genug :-)
Besonders nervig wird die Updateproblematik vor allem, weil es keine integrierte Updatefunktion gibt. Hier bietet Magento deutliche Vorteile.
danke für die info!
ich finde diesen artikel sowas von ungeignet diese beiden system zu vergleich…
noch mehr ärgere ich mich das er immer wieder un wieder in den rss feed twitter usw. verwursted wird.
ich habe heute mein abo gekündigt, einfach alles zu flach, das bringt nix und ich kanns eh irgendwann oline lesen.
gute nacht.
Hallo,
ich habe vor einiger Zeit ein langen und ausführlichen Artikel über die Nachteile von Magento geschrieben.
Jetzt, zwei Jahre später, beschweren sich die Nutzer immer noch über die Nachteile von Magento.
Der Artikel hat schon über 170 Kommentare, ist lang aber sehr lesenswert.
Bitte wundert euch nicht über den vielleicht etwas rüden Titel des Artikels, aber wer sich die Zeit nimmt alles durchzulesen wird wissen, warum der Artikel so genannt wurde:
Magento im Test
Hallo,
habe für meine Frau, eine leidenschaftliche Schmucksammlerin, den Shop http://www.gebraucht-schmuck.com eingerichtet. Habe mich für Oxid entschieden. Der Testshop lief direkt lokal und auch als Eclipse Projekt.
Das Layout ist gut strukturiert, das Datenbankmodell einfach und der PHP-Code geradlinig. Die Antwortzeiten sind gut. Für die Implementation musste ich nur 2 Punkte bearbeiten.
Die Gebühr für Nachnahme wurde angezeigt aber nicht in die Bestellung übernommen, und mehr als 4 Hauptkategorien wurden nicht dargestellt.
Als nächstes steht die PayPal Anbindung an. Werde das aber mit Express Checkout implementieren und auf e-fire verzichten.
Für einen „kleinen“ Shop wie den unsrigen finde ich Oxid ideal.
Abstriche gibt’s für den Admin Modus, den ich unübersichtlich finde.
Mittlerweile sind fast 3 Jahre ins Land gegangen. Magento wurde von ebay geschluckt, wie da die Strategie ist und wie es weiter gehen soll ist für mich unklar. Aber es gibt auch noch anderes als oxid oder Magento. Wir nutzen z.B. vermehrt Shoppilot. Die haben eine eigene Template Engine und eine eigene Scriptsprache zur Erweiterung und Modifikation. Ich bin damit sehr gut zurecht gekommen. Oder Shopware ist auch nicht schlecht. Und sicherlich noch weitere gute Shopsysteme.