Endzeit-Theorien: Astrophysikerin erklärt, wie das Universum enden könnte

Ein schöner Blick auf unser Universum. (Bild: Zakharchuk / Shutterstock)
MIT Technology Review (TR): Welches ist das wahrscheinlichste Szenario für das Ende des Universums?
Katie Mack: Im wahrscheinlichsten Szenario ist die Dunkle Energie eine Konstante. Wenn dem tatsächlich so ist, und das nehmen wir als Standardhypothese an, dann endet das Universum mit dem – wie wir es nennen – Wärmetod. Das bedeutet, dass sich das Universum immer weiter ausdehnt und seine gesamte Materie und Energie sich immer weiter verdünnt. Die Dinge werden mehr und mehr zerstreut. Sterne verlöschen, schwarze Löcher verdampfen, und am Ende hat man ein Universum, das einfach irgendwie kalt, dunkel und leer ist.

Die theoretische Astrophysikerin Katie Mack forscht am Perimeter Institute und der University of North Carolina. (Foto: Katie Mack)
TR: Aber das ist doch eher ein Kältetod, oder?
Mack: Das Szenario wird Wärmetod genannt, weil der zweite Hauptsatz der Thermodynamik uns sagt, dass mit der Zeit die Entropie ständig zunimmt. Und das bedeutet, dass mit der Zeit immer mehr Energie in das umgewandelt wird, was wir in der Physik Wärme nennen – ungeordnete Energie. Alles wird im Grunde genommen zur Abwärme des Kosmos. Es ist eine sehr dunkle Zukunft. Alles, was übrig bleibt, ist diese winzige, winzige Menge an Wärme.
TR: Das klingt nicht schön. Gibt es andere Endzeit-Szenarien, die vielleicht noch schlimmer sind?
Mack: Ich schätze, das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Aber ja, es gibt eine Variante, die durch die jüngsten Ergebnisse in der Teilchenphysik gestützt wird, der sogenannte Vakuumzerfall, der viel plötzlicher passieren würde.
Weiteres Endzeit-Szenario
TR: Was passiert da?
Mack: Im Grunde genommen geht es um die Vermutung, dass es eine Instabilität im Higgs-Feld gibt. Diese Art von Energiefeld durchdringt den ganzen Raum und verleiht den Teilchen im Standardmodell Masse. Wenn es eine Instabilität im Higgs-Feld gibt, könnte es irgendwo im Raum einen Übergang im Higgs-Feld geben, der eine Blase einer anderen Art von Raum schaffen würde, in dem die Gesetze der Physik anders sind als in unserem Universum. Diese Blase könnte sich mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnen und alles im Universum zerstören. Allerdings gilt das nur dann, wenn das Standardmodell der Teilchenphysik eine vollständige Beschreibung der Wirklichkeit liefert.
TR: Wie kann es zu dieser Instabilität des Higgs-Feldes kommen? Offenbar leben wir doch in einem stabilen Zustand des Universums.
Mack: Vielleicht ist das Universum nur vorläufig stabil. Das Higgs-Teilchen könnte in einem anderen, energetisch tieferen Bereich des Higgs-Feldes tunneln. Bei jedem Quanten-Tunnel-Ereignis gibt es eine Zeitskala, die damit zusammenhängt, wie lange man im Schnitt warten muss, bis es passieren könnte. Auf der Grundlage unserer derzeitigen Schätzungen wird sich die Zeitskala für dieses Gesamtereignis je nach Berechnung auf 10.100 oder 10.500 Jahre belaufen. Das ist viel länger als das Alter des Universums. Aus dieser Perspektive sollte es also nicht überraschend sein, dass es noch nicht passiert ist. Aber es ist immer noch eine beunruhigende Vorstellung, dass so etwas in der Zukunft passieren könnte, weil es im Prinzip jederzeit passieren könnte – wenn es möglich ist.
„Wir wären jetzt schon so gut wie tot.“
TR: Könnte dieser Übergang versehentlich ausgelöst werden? Durch Messungen am Higgs-Feld? Etwa im Future Circular Collider?
Mack: Wir glauben nicht. Es ist unmöglich, weil – neben weiteren Faktoren – die Kollisionsenergie im LHC nichts ist im Vergleich zu den kosmischen Strahlungskollisionen in unserer oberen Atmosphäre im Weltraum. Wenn ein Zusammenprall von hochenergetischen Teilchen das Higgs-Feld stören könnte, wäre es in der Geschichte des Kosmos Milliarden und Abermilliarden Mal passiert. Wir wären jetzt schon so gut wie tot. Der große Collider ist also in keiner Weise gefährlich, denn er ist, verglichen mit dem, was im Weltraum passiert, nur ein kleines Pflänzchen.
TR: All dies sind sehr existenzielle Fragen. Glauben Sie, dass es eine Verbindung von Ihrer Arbeit zum Leben der gewöhnlichen Menschen gibt?
Mack: Ich werde oft gefragt, was der Sinn davon ist, diese Dinge zu studieren. Wie wirkt es sich auf mein Leben aus? Ich habe zwei Antworten auf diese Frage. Die erste Antwort lautet: Wir studieren das, weil wir es wissen wollen, weil wir neugierig sind. Weil es zum Menschsein gehört, neugierig auf die Welt um uns herum zu sein. Das ist einer der grundlegendsten Aspekte der Menschheit: Wir bauen Werkzeuge, um unsere Umwelt zu verstehen, um unsere Ursprünge zu untersuchen und die Zukunft vorherzusagen. Ich glaube nicht, dass wir das unterdrücken sollten.
Die zweite Antwort lautet, dass Grundlagenforschung in der Physik eines der Dinge mit der höchsten Rendite ist, auf die man als Investor setzen kann. Blicken wir zurück auf die Quantenmechanik. Wir wussten nicht, dass dieses Wissen nützlich sein würde. Nun haben wir Smartphones in der Tasche. Oder die Allgemeine Relativitätstheorie, die uns nicht anwendbar schien. Jetzt haben wir GPS. Spezielle Zustände von Lasern wurden extra für den Nachweis von Gravitationswellen entwickelt. Das ist jetzt eine superwichtige Technologie geworden.
Grundlagenforschung ohne ein bestimmtes technisches Ziel ist einfach fantastisch nützlich. Wir versuchen nicht, das Pferd und den Wagen zu verbessern. Wir bauen ein Auto, wir bewegen uns einfach in einem ganz neuen Parameterfeld des Suchraums.
Der Blick auf unsere Erde: