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Warum China auf Thorium-Reaktoren setzt: Ein Blick hinter die Kulissen

Chinesische Forschende haben kürzlich bekannt gegeben, dass sie erstmals einen Kernreaktor im laufenden Betrieb mit neuem Brennstoff versorgt haben. Wir klären die wichtigsten Fragen zum Thorium-Konzept und welche Aussichten es hat.

Von Wolfgang Stieler
4 Min.
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So stellt sich Midjourney den chinesischen Thorium-Reaktor vor, der in Wirklichkeit eher wie eine kleine Ferienhaussiedlung aussieht. (Bild: Midjourney / t3n)

Ein experimenteller Thorium-Reaktor läuft seit einigen Monaten stabil. Zudem sei er im laufenden Betrieb erstmals mit neuem Brennstoff versorgt worden, das haben chinesische Forschende kürzlich berichtet. Die Nachricht sorgte weltweit für Aufsehen, denn zumindest in der Theorie bieten Thorium-Reaktoren eine Reihe von Vorteilen gegenüber Atomkraftwerken, die mit Uran oder Plutonium betrieben werden:

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  • Thorium ist einfacher verfügbar und häufiger vorhanden als Uran.
  • Es fallen weniger hochradioaktive Abfälle an.
  • und bei einem Kühlmittelverlust sollten die Reaktoren automatisch abschalten.

Weltweit arbeiten vor allem Indien und China, die beide über große Thorium-Vorkommen verfügen, an der Entwicklung dieser Technologie.

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Was ist Thorium?

Thorium ist ein schwach radioaktives Schwermetall, das schätzungsweise drei- bis viermal häufiger in der Erdkruste vorkommt als Uran. Die größten Vorkommen thoriumhaltiger Erze werden in Indien, Brasilien und Australien vermutet.

Kann Thorium als Kernbrennstoff verwendet werden?

Nicht direkt, aber indirekt. In Thorium-Reaktoren wird aus Thorium durch Neutronenbeschuss Uran 233 erbrütet, das dann als eigentlicher Kernbrennstoff verwendet wird. Um die Kettenreaktion im Reaktor zu starten, braucht man also auch spaltbares, angereichertes Uran, das dem Kernbrennstoff beigemischt wird. Der chinesische Reaktor TMSR-LF1 nutzt als Brennstoff eine Mischung aus Lithium-Beryllium-Fluorid mit zugesetzten Fluoriden von angereichertem Uran-235 und Thorium.

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Klingt doch super, wo ist das Problem?

Weltweit gibt es nur eine kleine Handvoll Thorium-Reaktoren, aber mehrere hundert Atomkraftwerke, die mit Uran arbeiten. Und das, obwohl die grundlegenden Konzepte für Thorium-Reaktoren bereits in den 1960er Jahren entwickelt wurden. Das hat mehrere Gründe:

  • Manche Thorium-Reaktoren erlauben es, erbrütetes Uran 233 abzuzweigen und für militärische Zwecke zu nutzen.
  • Beim Betrieb der Reaktoren entsteht zudem das leicht flüchtige Tritium. Auch Tritium ist ein sensibles Material, das in Kernwaffen verwendet wird.
  • Drittens entsteht während des Brutprozesses auch das hoch radioaktive Uran-232. Das hat zwar nur eine Halbwertszeit von rund 68 Jahren, ist aber ein starker Gamma-Strahler. Das heißt, die Reaktorkammer wird starker Gamma-Strahlung ausgesetzt, was die Materialien selbst aktiviert.
  • Je nach Design und Auslegung sind nicht alle Thorium-Reaktoren inhärent sicher. Insbesondere als Brüter ausgelegte Thorium-Reaktoren können einen sogenannten positiven Temperaturkoeffizienten haben, das heißt, die Kernreaktion wird mit steigender Temperatur immer heftiger. Solche Reaktoren können im schlimmstmöglichen Fall durchgehen.
  • Insbesondere bei Flüssigsalzreaktoren ist eine der größten Herausforderungen die Korrosivität der Flüssigsalze, die Rohre und Behälter angreifen können. Fluoridsalze können mit Legierungselementen wie Chrom, Eisen und Nickel reagieren, die in vielen strukturellen Materialien vorhanden sind. Dies führt zur Auflösung dieser Elemente in der Salzschmelze und somit zur Materialabtragung.
  • Zudem können auch bisher unvorhergesehene Probleme auftreten. Bei dem Molten Salt Reactor Experiment in den USA, das von 1965 bis 1969 lief, stellte sich erst beim Rückbau des Reaktors 1994 heraus, dass größeren Mengen Uran-233 aus dem Salz in das Abgassystem des Reaktors gelangt waren und sich in den Aktivkohlefiltern angereichert haben. Eine solche Spaltstoffverflüchtigung war vorher als chemisch unmöglich ausgeschlossen worden. Der Freisetzungsprozess soll jedoch erst nach dem Betrieb des Reaktors abgelaufen sein, als die Salzschmelze abkühlte.

Wozu braucht man denn das Flüssigsalz überhaupt?

Die geschmolzene Salzlösung dient sowohl als Brennstoffträger als auch als Kühlmittel. Anders als in herkömmlichen Siede- und Druckwasserreaktoren – mit Wasser als Kühlmittel – dient das Kühlmittel hier nicht dazu, die bei der Kernspaltung frei werdenden schnellen Neutronen abzubremsen. Dafür ist Graphit zuständig.

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Wird der Reaktor zu heiß, schmilzt ein Sicherungspropfen unter dem Reaktorkern und die Salzschmelze fließt in ein Auffangbecken. Dabei wird die Salzschmelze so verteilt, dass keine kritische Masse mehr vorhanden ist – die Kettenreaktion erlischt.

Können die Chinesen spaltbares Material abzweigen?

Nach den bisher vorliegenden Informationen nicht. Demnach verwenden die Chinesen hier ein sogenanntes Ein-Fluid-Design: In diesen Reaktoren sind sowohl das Thorium als auch das U-233 im selben Salzgemisch gelöst. Hier bleibt das erbrütete Uran-233 direkt im Reaktorkreislauf und wird zur Energiegewinnung genutzt werden, ohne dass eine separate Abtrennung notwendig ist.

Beim sogenannten Zwei-Fluid-Design wird das erbrütete Uran-233 aus dem Brutbereich abgetrennt und dem Spaltbereich zugeführt. Diese Trennung ermöglicht eine effizientere Nutzung des Brennstoffs und eine bessere Kontrolle über den Reaktorbetrieb. Allerdings ist bei solch einem Design auch die Gefahr größer, dass waffenfähiges Uran in die falschen Hände gerät.

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Was war noch mal gleich waffenfähiges Uran?

Natürliches Uran besteht zum größten Teil aus Uran-238. Die Atomkerne dieses Isotops sind vergleichsweise stabil und deshalb nicht für Kernwaffen geeignet. Für konventionelle Atomkraftwerke, aber auch Atombomben wird deshalb das gut spaltbare Uran 235, das in geringen Mengen ebenfalls in Uran-Erz vorkommt, angereichert (zum Beispiel mit Hilfe von Ultrazentrifugen). Alternativ kann man Plutonium erbrüten – oder eben auch das gut spaltbare Uran-233 verwenden.

Ist die Thorium-Technologie reif für die Anwendung?

Nicht wirklich. Der chinesische TMSR-LF1 ist ein reiner Forschungsreaktor – auf eine Betriebsdauer von zehn Jahren ausgelegt. Diese Laufzeit entspricht etwa 300 Volllasttagen über den gesamten Zeitraum, mit einer maximalen Betriebsdauer von 60 Tagen pro Jahr bei voller Leistung. Gemessen an herkömmlichen Atomreaktoren mit 30 Jahren Laufzeit ist das nicht sehr viel.

In dieser Zeit wollen die Betreiber verschiedene Betriebsmodi, Materialien und Brennstoffzyklen unter realen Bedingungen testen. Die Resultate dienen als Grundlage für einen geplanten 373-MW-Reaktor, dessen Bau bis 2030 vorgesehen ist.

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