Collaboration-Software für Teams: Präsenzpflicht war gestern
Reguläre Arbeitszeiten, feste Büroarbeitsplätze und langjährige Arbeitsverhältnisse sind heute nicht mehr so selbstverständlich wie früher. In den USA etwa arbeiten rund 53 Millionen Freelancer [1] – das entspricht 34 Prozent der Erwerbstätigen des Landes. Bis zum Jahr 2020 sollen es sogar 50 Prozent werden. Hinzu kommen immer mehr Angestellte, die aufgrund flexibler Regelungen nicht mehr ihre gesamte Arbeitszeit in der Firma verbringen. Diese Entwicklung ist nicht nur in den USA zu beobachten, sondern auch in Europa. Sowohl in skandinavischen Ländern als auch in der Schweiz, Frankreich, Holland und Großbritannien hat die Heimarbeit in den letzten Jahren stetig zugenommen [2]. Die Niederlande haben das Recht auf Homeoffice Anfang Juli sogar im Gesetz verankert [3]. Seitens der Arbeitgeber stößt die neue Gesetzgebung allerdings auf wenig Begeisterung. Skeptiker befürchten eine ineffizientere Kommunikation unter den Mitarbeitern und eine schwierige Arbeitsorganisation. Höhere Kosten beziehungsweise Produktivitätsverluste wären die Folge. Auch in Deutschland gibt es diese Sorgen: In einer aktuellen Studie hat der Branchenverband BITKOM rund 1.500 deutsche Unternehmen zum Thema Digitalisierung der Arbeitswelt befragt [4]. Demnach haben in 75 Prozent der Unternehmen alle Mitarbeiter Anwesenheitspflicht. Und die Mehrheit der Befragten (70 Prozent) geht zudem davon aus, dass der klassische Büroarbeitsplatz nicht an Bedeutung verlieren wird.
Auf die Frage, welche Gründe gegen Homeoffice sprächen, antworteten 33 Prozent der Interviewten, dass ohne direkten Austausch mit Kollegen die Produktivität sinken würde. 27 Prozent lehnen Telearbeit ab, weil Mitarbeiter nicht jederzeit ansprechbar seien, 17 Prozent, weil die Arbeitszeit nicht zu kontrollieren sei. Ein weiteres, interessantes Ergebnis: 56 Prozent der befragten Unternehmen bevorzugen Präsenztreffen, 44 Prozent setzen Telefonkonferenzen ein. Videokonferenzen kommen dagegen in nur acht Prozent der Unternehmen zum Einsatz, so die Studie weiter.
Umdenken erforderlich
Diese Ergebnisse zeigen, warum die Mehrheit der deutschen Unternehmen für die Arbeitsformen der Zukunft nicht vorbereitet zu sein scheint. Denn wer ein verteiltes Team mit häufigen persönlichen Meetings und Telefonaten unter strikten Arbeitszeitregelungen und bei ständiger Ansprechbarkeit zu managen versucht, wird sicherlich scheitern. Flexible Arbeitsformen setzen eine neue Unternehmenskultur und neue Management-Methoden voraus. Der Einsatz von speziellen Collaboration-Lösungen, die für eine effiziente Zusammenarbeit jenseits des klassischen Büros sorgen, ist dabei unverzichtbar.
Von einfachen To-do- und Messaging-Apps, die vor allem kleinere Teams adressieren und einen einfachen Einstieg versprechen, über leistungsfähigere Projektmanagement-Lösungen, die in unzähligen Varianten verfügbar sind, bis hin zu ganzheitlichen, umfangreichen sozialen Netzwerken für Unternehmen, die insbesondere im Enterprise-Sektor stark im Kommen sind: In den letzten Jahren ist ein äußerst vielfältiger Markt entstanden, in dem für jeden etwas dabei ist.
Getting Things Done
Traditionelle Collaboration-Lösungen sind über die Jahre immer komplexer geworden. Häufig von der IT-Abteilung ausgewählt, ohne die Wünsche und Bedürfnisse der Anwender zu berücksichtigen, sind sie schließlich oft an der mangelnden Akzeptanz im Unternehmen gescheitert. Moderne Business-Apps setzen indes den Nutzer in den Mittelpunkt und fokussieren sich stark auf Usability und eine einfache Bedienung. Dieser Trend lässt sich vor allem bei erfolgreichen To-do-Apps wie Wunderlist, Todoist, Asana oder Producteev beobachten. Ursprünglich für den Consumer-Markt konzipiert, warten sie nun auch im Business-Umfeld mit besonders schicken User Interfaces auf, die mit viel Liebe zum Detail implementiert sind.
Was die Funktionalität angeht, basieren Task-Management-Apps meist auf der sogenannten „Getting Things Done”-Methode von David Allen [5] und setzen die einfache Verwaltung und Delegierung von Aufgaben in den Mittelpunkt. Features wie Kommentare und Diskussionen, Deadlines, Prioritäten, Terminverwaltung, File-Sharing und automatische Benachrichtigungen dürfen heute bei keiner To-do-App für Business-Teams fehlen.
Eine weitere Gemeinsamkeit unter den verschiedenen Produkten, die heute in diesem Marktsegment verfügbar sind, ist die große Plattformunabhängigkeit. So stehen neben üblichen Web-Apps in den meisten Fällen auch native Desktop-Apps für Windows und Mac OS X, sowie mobile Apps für iOS und Android zur Verfügung.
Innovative Messaging-Apps
Einen einfachen Einstieg in die Welt der softwaregestützten Business-Collaboration bieten neuerdings auch Messaging-Apps für Unternehmen wie Campfire, Glip, Unison und allen voran HipChat und Slack [6]. Solche Anwendungen ermöglichen es Teams, sich mit beliebig vielen Kollegen in Chaträumen auszutauschen und Dateien einfach miteinander zu teilen. Sämtliche Konversationen werden persistent gespeichert, sodass man sie bei Bedarf jederzeit durchsuchen kann. Damit sorgen sie für mehr Transparenz und fördern den Wissensaustausch unter den Mitarbeitern, egal wo diese gerade arbeiten. Solche Chat-Räume eignen sich zum Beispiel für einzelne Projekte, Teams oder Fachabteilungen. Dabei hat der Administrator die volle Kontrolle darüber, wer an welchen Diskussionen teilnehmen darf.
Darüber hinaus stellen die zahlreichen Integrationsmöglichkeiten von HipChat, Slack und Co. eines ihrer zentralen Verkaufsargumente dar. Denn so werden die Notifications, die die vom Team eingesetzten Tools versenden, auch im Chatraum der Messaging-App angezeigt. Damit finden alle geschäftsrelevanten Diskussionen – rund um offene Aufgaben, Dokumente, Bugs, Code-Commits, Support-Tickets und vieles mehr – an einem zentralen Ort statt. Aufgabenverwaltung oder ähnliche Planungs- und Organisationswerkzeuge sucht man hier allerdings vergeblich. Chat-Dienste decken primär den Kommunikationsaspekt von Business-Collaboration ab.
Große und kleine Projekte managen
Unternehmen, die sich mit dem Featureset einer leichtgewichtigen To-do- beziehungsweise Messaging-App nicht zufrieden geben und auf weiterführende Werkzeuge angewiesen sind, greifen auf klassische Projektmanagement-Lösungen zurück. Diese adressieren in erster Linie Dienstleistungsunternehmen, die für verschiedene Kunden an mehreren Projekten parallel arbeiten. So kommen etwa Softwarehersteller, Architekturbüros, Design-, Marketing- oder Internet-Agenturen heutzutage um professionelle PM-Lösungen, mit denen sie Projektressourcen, Zeitpläne und Verantwortlichkeiten effizient managen können, nicht herum.
Rund 30 Jahre, nachdem mit Microsoft Project die erste PM-Software auf den Markt kam, ist die Angebotspalette in diesem Marktsegment mittlerweile extrem breit gefächert. Sie reicht von klassischen Systemen wie OnePoint Projects und Smartsheet, die mit Gantt-Charts, Plan-Ist-Vergleichen und umfassendem Reporting punkten, über kommunikationsorientierte Produkte wie Basecamp und Werkstatt42 bis hin zu branchenspezifischen Tools wie Conceptboard, von dem vor allem kreative Köpfe profitieren können.
In der Software-Branche sind agile PM-Lösungen, die die bewährten Vorgehensmodelle Scrum und Kanban implementieren, stark im Kommen. So finden viele Software-Teams in speziell für sie konzipierten Collaboration-Anwendungen wie Jira, TargetProcess, PivotalTracker oder Sprintly eine effiziente Methode, um ihre komplexen Projekte erfolgreich zum Ziel zu führen. Dabei ist eine interessante Entwicklung zu sehen: Mit visuellen PM-Tools wie Planbox, AgileZen und allen voran Trello werden bewährte agile Konzepte wie die Kanban-Tafel für ein breiteres Publikum außerhalb der IT-Branche attraktiv gemacht.
All-in-one
Die verschiedenen Aufgabengebiete rund um das Thema effiziente Zusammenarbeit können heute mit „Best of Breed“-Tools – das heißt schlanken Applikationen, die sich auf
ein bestimmtes Problem fokussieren – optimal abgedeckt werden. Zu den erfassten Bereichen zählen unter anderem Aufgabenverwaltung, Projektmanagement, Controlling, Dateiverwaltung, Zeitmanagement, Reporting, Terminverwaltung, Kommunikation (Chat und Online-Meetings) und Wissensmanagement.
Es gibt jedoch Unternehmen, die anstatt mit vielen Einzellösungen lieber auf einer ganzheitlichen Plattform arbeiten möchten. Gerade bei größeren Unternehmen, die gefestigte und komplexere Prozesse haben, sind All-in-One-Collaboration-Lösungen wie Projectplace, Wrike, Planio, Bitrix24, Huddle oder ActiveCollab sehr beliebt. Denn sie versprechen eine einheitliche Benutzererfahrung und unterstützen gleichzeitig die IT-Abteilung bei der Nutzerverwaltung. Im Gegensatz zu den meisten Best-of-Breed-Tools können ganzheitliche Collaboration-Lösungen häufig nicht nur on demand genutzt, sondern auch im eigenen Unternehmensnetzwerk betrieben werden.
Soziale Netzwerke für Unternehmen
Solche Plattformen konkurrieren inzwischen nicht nur unter sich. Sie müssen sich auch gegen soziale Netzwerke für Unternehmen [7] behaupten. Diese stellen eine Weiterentwicklung der traditionellen Intranets aus den späten 1990er Jahren dar und dienen als zentrale Informationsdrehscheibe für das gesamte Unternehmen. Das Ziel: Die Kommunikation, die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch unter allen Mitarbeitern – egal ob 10, 100 oder 1.000 – zu fördern. Neben üblichen Collaboration-Werkzeugen bieten sie Features wie „Follow“, „Like“, Hashtags, @-Erwähnungen und Aktivitätsstreams, wie man sie aus Facebook, Twitter und Co. kennt.
Zu den bekanntesten Vertretern dieser Kategorie zählen unter anderem Yammer, das als Pionier in diesem Segment gilt und vor ein paar Jahren durch Microsoft übernommen wurde, Chatter, das von Salesforce angeboten wird, sowie Socialcast vom Virtualisierungsspezialisten VMware. Mit Communote, Coyo, Xelos und Tixxt stehen zudem professionelle Alternativen bereit, die hierzulande entwickelt werden und den Vergleich mit den Schwergewichten aus den USA nicht scheuen müssen – ganz im Gegenteil.
Fazit
Welche Collaboration-Lösung die Richtige für ein Unternehmen ist, hängt von vielen einzelnen Faktoren ab, darunter Branche, Teamgröße, Führungsstil und Unternehmenskultur. Bevor man sich auf die Suche macht, sollte man sich deshalb im Klaren darüber sein, welche Ziele man verfolgt, welche Prozesse konkret abgedeckt werden und vor allem welche Mitarbeiter die Software tagtäglich nutzen sollen. Da die meisten Kollaborationsdienste heutzutage im Freemium-Modell angeboten werden, empfiehlt es sich, sie im Rahmen eines Pilotprojekts in einer kleinen Anwendergruppe unter realen Bedingungen ausgiebig zu testen.
Fest steht: Eine universelle Collaboration-Lösung, die für jedes Unternehmen geeignet ist – das Photoshop unter den Collaboration-Anwendungen sozusagen – gibt es nicht. „Die“ perfekte Lösung wird man vergeblich suchen. Entscheidend ist vielmehr die Akzeptanz der Endanwender. Durch den Einsatz einer Collaboration-Software sollte jeder Mitarbeiter, nicht nur die Unternehmensleitung, einen echten Nutzen und spürbare beziehungsweise messbare Ergebnisse für sich erzielen können.