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Hellofresh-Chef Dominik Richter: „Wir nutzen die USA als Spielwiese“

Hellofresh wächst und wächst und wächst: Binnen weniger Jahre hat das E-Commerce-Unternehmen seinen Umsatz vervielfacht. Die physische und technische Infrastruktur musste es während dieser explosionsartigen Entwicklung ständig anpassen. Gründer Dominik Richter erzählt, wie die Firma das geschafft hat.

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(Foto: Hellofresh)

: Als Hellofresh 2011 startete, klang das Geschäftsmodell wenig revolutionär: Das Unternehmen wollte Kochboxen liefern, ein Paket mit einem Rezept und den genau abgewogenen Zutaten. Doch die Geldgeber glaubten an die Idee, finanzierten das Startup mit bisher rund 340 Millionen Euro. Mit dem Kapital vermarktete die Firma ihr Konzept, die Umsätze stiegen binnen drei Jahren von 2,3 Millionen Euro auf 305 Millionen Euro 2015 – ein klassisches Hockeystick-Wachstum. Im Ranking der Gründerszene zählte das Startup im vergangenen Jahr sogar zu den zwanzig schnellstwachsenden Unternehmen in Deutschland. Doch mit dem Erfolg kamen auch die Herausforderungen.

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: Plötzlich brauchte die Firma mehr Lebensmittel, mehr Lagerraum und mehr Produzenten. Wie bei jedem E-Commerce-Modell musste sowohl die physische als auch die technische Infrastruktur mitwachsen – eine enorme Herausforderung für das Team rund um Gründer Dominik Richter. Gerade die ursprüngliche technische Infrastruktur sei nicht auf die Menge an Daten und Transaktionen ausgerichtet gewesen, die das Unternehmen heute habe, sagt der Geschäftsführer. „Die Kapazitäten waren viel zu klein.“

Dominik Richter: Das Startup musste seine Infrastruktur komplett neu denken. Wie es das geschafft hat? Durch langfristige Planung, sagt Richter. Mittlerweile sind die Kochboxen nur ein Teil der Unternehmensstrategie: Hellofresh will sich als Plattform rund um das Thema Essen etablieren. Damit dringt die Firma in ganz neue Bereiche vor – und legt sich mit Großkonzernen wie Metro und Rewe an.

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t3n Magazin: Dominik, ihr habt 2016 eure physische Infrastruktur ausgebaut und fünf neue Fulfillmentcenter errichtet . Vorher hat Hellofresh mit Partnern zusammengearbeitet. Warum habt ihr diese Kooperationen aufgegeben?

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Dominik Richter: Vor etwa zwei Jahren haben wir angefangen zu überlegen, was für die Firma langfristig am Besten ist. Zu dem Zeitpunkt war klar, dass eine sehr starke Nachfrage nach unserem Produkt herrscht. Und in diesem Zusammenhang kam auch die Frage auf, ob wir künftig noch mit Drittpartnern zusammenarbeiten wollen. Denn Drittpartner haben bestimmte Beschränkungen.

t3n Magazin: Welche genau?

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Dominik Richter: Bei der Zusammenarbeit gibt es Rahmenverträge, die sind wie ein sehr enges Gewand. Da kann man nicht einfach sagen, dass man in der kommenden Woche dieses und in drei Wochen jenes ausprobieren will. Bei Produktneuheiten dauert es lange, bevor man sich einigt. Und dafür brauchten wir mehr Flexibilität. Plus: In dem Bereich, in dem wir suchen, also im Frischebereich, gibt es nicht viele Drittanbieter. Es war schon damals klar, dass wir, wenn wir unsere Menge an Boxen noch mal verdoppeln wollen, keine Partner mehr finden werden. Deswegen haben wir uns entschieden, die Logistik selbst in die Hand zu nehmen.

t3n Magazin: Warum hat es zwei Jahre gedauert, bis ihr das umsetzen konntet?

Dominik Richter: Dass wir investieren wollten, ist die eine Sache. Aber es ist noch mal eine andere, intern ein Team für die Umsetzung zu finden, das Erfahrungen mitbringt und einen solchen Ausbau vornehmen kann. Hinzu kommt, dass wir die richtigen Orte und die richtigen Partner identifizieren mussten.

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t3n Magazin: Auch wenn ihr auf Drittpartner verzichtet, seid ihr auf Lebensmittelproduzenten angewiesen. Dieser Bereich muss ja irgendwie mitwachsen. Wie stellt ihr das sicher?

Dominik Richter: Das ist bei uns eine große Reise gewesen. Wir haben dafür Einkäufer eingestellt, die sich in unseren jeweiligen Märkten vor Ort um die Akquise und die Betreuung von Produzenten kümmern. Das Team haben wir deutlich aufgestockt. Um konkrete Zahlen zu nennen: In den USA konnten wir vor zwei Jahren auf fünf Einkäufer und 25 Lieferanten zurückgreifen. Vor einem Jahr waren es 15 Einkäufer und 100 Lieferanten und jetzt kommen wir auf 40 Einkäufer und 500 Lieferanten. 2017 werden wir das Team voraussichtlich noch mal verdoppeln.

t3n Magazin: Was genau machen die Einkäufer?

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Dominik Richter: Es gibt Einkäufer, die sich nur darum kümmern, neue Partner zu identifizieren. Sie reisen durch die ganze USA und suchen Farmen, mit denen wir zusammenarbeiten können – Fleischproduzenten, Gemüselieferanten und so weiter. Dann geht es darum, einen Rahmenvertrag abzuschließen. Es gibt natürlich Standardwerke, aber es müssen einzelne Klauseln nachverhandelt, Zahlungsziele und ein Minimalvolumen vereinbart werden. Wenn das alles passt, auditieren unsere Einkäufer die Händler und abschließend müssen sie eingearbeitet werden.

t3n Magazin: Wenn das passiert ist: Wie geht es dann weiter? Liefern die Produzenten ihre Ware direkt in die Fulfillmentcenter?

Dominik Richter: Das ist ganz verschieden. Für uns kommt es darauf an, was mehr Sinn ergibt. Ist der Preis günstiger, wenn wir eine Spedition bezahlen und gleichzeitig die Lebensmittel von fünf Produzenten einholen können? Oder hat der Großbauer eine eigene Fahrzeugflotte und kann problemlos zu uns liefern?

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t3n Magazin: Ihr habt drei der fünf neuen Fulfillmentcenter in den USA eröffnet – in New Jersey, Kalifornien und Texas. Wie kommt es, dass ihr euch so stark auf die Vereinigten Staaten konzentriert?

Dominik Richter: In den USA haben wir die Kapazitätsgrenze am schnellsten erreicht. Es war dringend notwendig, dass wir dort mit dem Ausbau vorankommen. Deswegen entstanden da die größten Bauprojekte.

t3n Magazin: Ihr habt in den USA deutlich mehr Konkurrenz als in Deutschland: Blue Apron, Plated, auch Amazon soll Kochboxen planen. War das auch einer der Gründe, warum ihr dort so stark investiert habt?

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Dominik Richter: In einem wettbewerbsintensiven Umfeld ist es wichtig, dass ein Unternehmen mit seinem Produkt alle Bedürfnisse befriedigt. In den USA gibt es fünf Spieler, die je mindestens 50 Millionen Dollar an Finanzierung eingesammelt haben. Dort gibt es eine enorm hohe Kundennachfrage. Der Innovationsdruck ist dadurch höher. Die Vereinigten Staaten sind aber auch unser größter Markt. Den nutzen wir als Spielwiese, um Neues auszuprobieren.

t3n Magazin: Was plant ihr denn an Innovationen dort?

Dominik Richter: Wir überlegen uns derzeit, was es für Add-on-Produkte geben könnte, die wir in Zukunft in unseren Boxen beilegen können. Heute bieten wir nur Gerichte für das Abendessen an. Wir setzen uns jetzt damit auseinander, ob es künftig vielleicht auch Snacks geben könnte, vielleicht eine Vor- oder Nachspeise, einen Wein dazu.

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t3n Magazin: Würdest du sagen, dass in den USA euer primärer Fokus liegt?

Dominik Richter: Es ist ein wichtiger Teil unserer Geschichte, weil wir uns durch das Wachstum dort insgesamt so schnell entwickelt haben. Und dementsprechend ist der Markt für uns auch sehr wichtig. Das heißt nicht, dass wir die anderen Ländern vernachlässigen. Wir stellen die Firma so auf, dass wir den Fokus auf mehr als ein Land legen können. Aber in den USA ist bei uns sicherlich sehr viel Druck auf dem Kessel.

t3n Magazin: Ihr baut nicht nur die physische Infrastruktur aus, sondern auch eure technische. Was genau bedeutet das?

Dominik Richter: Als wir 2011 anfingen, rechneten wir nicht damit, dass wir einmal mehrere hundert Millionen Euro Umsatz machen würden. Dementsprechend stellten wir die Infrastruktur auch anders auf. Die Version, die wir damals bauten, war zwar skalierbar. Aber sie war nicht auf die Menge an Daten, Kunden und Transaktionen ausgerichtet, die wir heute haben. Die Kapazitäten waren viel zu klein.

t3n Magazin: Was habt ihr geändert?

Dominik Richter: Wir haben 2015 die kompletten Backend-Systeme neu aufgesetzt. Damit sind wir auch schon weit gekommen. 2017 wollen wir viele Produktneuheiten einführen. In der Vergangenheit waren wir durch die technische Infrastruktur etwas eingeschränkt. Deswegen werden wir jetzt stärker in unsere Tech-Plattform investieren.

t3n Magazin: In was genau?

Dominik Richter: Wir haben unser Entwicklerteam 2016 von 60 auf 120 Mitarbeiter ausgebaut. 2017 wollen wir noch einmal 150 neue Entwickler einstellen. In der Vergangenheit haben wir einen Fokus darauf gelegt, unser Wachstum zu managen. Jetzt sind wir in der Lage, unser Portfolio stärker auszubauen und dadurch neue Kundensegmente zu erschließen.

t3n Magazin: Wie das?

Dominik Richter: Wir wollen einen deutlichen Schritt in Richtung Personalisierung machen. Wir wollen genauer wissen, welche Rezepte welchem Kunden wie gut schmecken. Dadurch können wir Rezepte besser vorschlagen. Zudem geben wir ein Kundenmagazin heraus und haben angefangen, in unserer App jeden Tag Inhalte zu veröffentlichen. Sie soll das Angebot für alles werden, was mit Kochen zu Hause und gesunder Ernährung zu tun hat. Wir arbeiten also stark am Community-Aufbau. Und 2017 wird es die größte Änderung in unserem Produktportfolio geben, seit wir angefangen haben.

t3n Magazin: Was ändert sich dort?

Dominik Richter: Bisher konnte sich der Kunde beispielsweise drei von fünf Gerichten aussuchen. Jetzt sind es schon drei von acht und bald werden es noch deutlich mehr Auswahlmöglichkeiten. Der durchschnittliche Kunde soll sich dadurch besser angesprochen fühlen und noch mehr Gerichte für sich persönlich finden können. Dafür mussten wir aber erstmal die technischen Voraussetzungen schaffen, damit wir die Kombinationen überhaupt produzieren und kontinuierlich erweitern können.

t3n Magazin: Als Konsument sehe ich nur die Website, auf der ich bestelle, und vielleicht die App. Das sieht technisch nicht so anspruchsvoll aus. Was läuft bei euch noch im Hintergrund?

Dominik Richter: Was konsumentenseitig wahrgenommen wird, ist nur die Spitze des Eisbergs. Darunter lagert unsere komplette Produktionsinfrastruktur. Wir haben zum Beispiel eine so genannte Supplier-Plattform. Auf diesem Portal wird im Voraus das Volumen an Lebensmitteln spezifiziert, die wir für bestimmte Wochen brauchen. Das ist keine interne Plattform, auch unsere Lieferanten können dort mit uns interagieren: Sie können Preiscodes abgeben, Vorhersagen treffen, angeben, wie viel sie liefern können und wann. Das sind ziemlich große IT-Lösungen, die wir jetzt noch weiter ausbauen wollen.

t3n Magazin: Du hast gesagt, dass ihr neue Entwickler sucht. Wenn ihr 150 neue Mitarbeiter einstellt, ändert sich ja auch einiges in der Organisation des Teams. Wie geht ihr damit um?

Dominik Richter: Wir wachsen seit unseren Anfängen stark. Und eine Organisation mit 20 Entwicklern unterscheidet sich von einer Organisation mit 50 Entwicklern und die unterscheidet sich wiederum von einer Organisation mit 150 Entwicklern. Irgendwann mussten wir deshalb umbauen, um eine Organisationsform zu finden, die auch noch mit 250 oder 500 Entwicklern funktioniert. Deswegen haben wir uns 2016 verschiedene Fragen gestellt: Wie managen wir das Team am besten? Wie teilen wir die Teams auf? Wie kommunizieren sie optimal untereinander? Wir mussten uns fragen, wie wir unsere Teams skalierbar machen.

t3n Magazin: Wie habt ihr diese Fragen für euch beantwortet?

Dominik Richter: Wir haben uns organisatorisch in vielen Bereichen ganz neu aufgestellt. Im Tech-Bereich sind beispielsweise kleine, modulare, voneinander unabhängige Teams entstanden, die etwa an einzelnen Features arbeiten, ohne extrem viele Interdependenzen mit anderen Teams zu haben. Dadurch können sie unabhängig agieren und mehr ausprobieren. Das war uns wichtig.

t3n Magazin: Dominik, danke für das Gespräch.

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