Interview mit SourceForge-Gründer Larry Augustin zu Open Source und Trends: „Open Source schafft die Voraussetzung für Cloud Computing in all seinen Ausprägungen“
t3n Magazin: Die Verbreitung und Akzeptanz von Open-Source-Software ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Wo steht Open Source im Jahr 2009?
Larry Augustin: Open Source ist inzwischen eine sichere Wahl. In den 1980er-Jahren hieß es, dass man nichts falsch macht und seinen Job behält, wenn man IBM kauft. In den 1990er-Jahren galt das für Microsoft. Heute für Open Source. Da zieht mittlerweile selbst die so genannte proprietäre Software den Kürzeren. Laut Gartner werden bis 2012 etwa 80 Prozent der kommerziellen Software-Produkte auch Elemente von Open-Source-Technologie enthalten. Die Leute werden Open Source also nutzen, ohne es zu wissen.
t3n Magazin: Sehen Sie in der aktuellen Finanzkrise eine Chance für Open Source?
Larry Augustin: Open Source ist in harten Zeiten immer im Aufwind, weil Budgets für Investitionen und Betriebskosten gekürzt werden. In der Rezession von 2001 gab dies Open Source einen großen Schub. So erreichte Open Source zwischen der letzten und der gegenwärtigen Rezession einen Punkt, an dem sich die Entwicklung nicht mehr umkehren ließ und unabhängig von den makroökonomischen Bedingungen eine stabile Entwicklung möglich ist.
t3n Magazin: Was heißt das in der Praxis?
Larry Augustin: Wenn ein CTO oder CIO Software für eine Neuanschaffung sondiert, wird er Open Source immer in Betracht ziehen. Quelloffene Software gilt nicht mehr als riskant oder instabil, sondern primär als Lösung, die zu geringeren Kosten mehr Qualität und Flexibilität bietet.
t3n Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten großen Trends im Bereich Open Source?
Larry Augustin: In den Technologiebereichen Business Applications und Cloud Computing erwarte ich ein großes Wachstum für Open Source. Auf der Infrastrukturebene ist Open Source ja bereits jetzt allgegenwärtig. Bis 2010 wird Open Source laut Gartner 80 Prozent der infrastrukturellen Softwareinvestitionen globaler IT-Organisationen ausmachen. Aber auch im Bereich Business Applications holt Open Source auf. Hier bedienen Firmen wie SugarCRM eine riesige und wachsende Nachfrage nach Open-Source-Geschäftsanwendungen. Laut Forrester gaben 58 Prozent der Entscheidungsträger im IT-Bereich an, für aufgabenkritische Anwendungen inzwischen Open Source einzusetzen. Open Source schafft zudem die Voraussetzung für das Phänomen Cloud Computing in all seinen Ausprägungen. Führende Cloud-Service-Provider wie Amazon greifen fast vollständig auf Open-Source-Technologien zurück. Weil diese Plattformen auf Open-Source-Infrastruktur aufsetzen, besteht auch eine natürliche Affinität zu Open-Source-Anwendungen. Eines der wichtigsten Features von Open-Source-Anwendungen auf Cloud-Plattformen wird aus meiner Sicht Portabilität sein, die dafür sorgt, dass Anwendungen Cloud-Provider-übergreifend laufen. Das schließt private und öffentliche Clouds gleichermaßen ein.
t3n Magazin: Sie haben SugarCRM angesprochen. Sie sind dort seit kurzer Zeit CEO und bereits seit vier Jahren Mitglied des Aufsichtsrats. Was sind Ihre nächsten Schritte und Ziele?
Larry Augustin: Wir bei SugarCRM haben das Glück, für die nächsten beiden großen Trends in der Datenverarbeitung hervorragend aufgestellt zu sein: Open Source und Cloud Computing. Das gibt uns die Möglichkeit, Business Applications der nächsten Generation anzubieten. Früher wurden Business Applications häufig im On-Premise-Modell betrieben, in der Regel als Client-Server-Anwendung. Später kam dann SaaS dazu, wo die Anwendung nur beim Anbieter läuft und über einen Webbrowser vom Endkunden genutzt wird. Cloud Computing macht SaaS durch Plattformen wie SalesForce, NetSuite und vergleichbare Lösungen von Einzelanbietern überflüssig. Die Unterscheidung zwischen SaaS und Cloud Computing ist entscheidend. Cloud Computing gibt Firmen die Möglichkeit, Computing-Ressourcen bedarfsabhängig aufzustocken. Statt Datenzentren zu unterhalten, die für alle benötigten Anwendungen die Kapazität für Bedarfsspitzen bereithalten, reichen private Clouds, die die reguläre Kapazität ihrer aufgabenkritischen Anwendungen abdecken und im Bedarfsfall in externe Clouds „überfließen“.
t3n Magazin: Welche Open-Source-Software hat in Ihren Augen das Potenzial zum „Next Big Thing“?
Larry Augustin: Äußerst angetan bin ich von Appcelerator Titanium. Da bin ich allerdings befangen, weil ich selbst Geld in Appcelerator gesteckt habe. Mit Titanium können Sie mittels verbreiteter Web-Technologien wie HTML, CSS und JavaScript Anwendungen plattformübergreifend entwickeln: native Anwendungen für iPhone, Android, Linux, Mac OS und Windows. Dadurch können Webentwickler ihre Fähigkeiten ohne Umwege in native mobile Anwendungen stecken. Zudem stellt die Entwicklung nativer Anwendungen für mehrere mobile Plattformen bisher ein großes Problem dar.
t3n Magazin: Haben Sie für unsere Leser Tipps in Bezug auf bisher weniger bekannte Projekte, auf die sie ein Auge haben sollten?
Larry Augustin: Neben dem bereits erwähnten Appcelerator Titanium sollten Entwickler von Webanwendungen einen Blick auf die nächste Generation von Open-Source-Datenbanken werfen, die speziell für Webanwendungen ausgelegt sind. Projekte wie CouchDB, Drizzle und Cassandra sollte man auf dem Schirm haben.
t3n Magazin: Kommen wir mal zu Ihnen. Welches Betriebssystem läuft auf Ihrem PC? Linux, Mac OS X oder Windows?
Larry Augustin: Zusammen mit meinen Laptops habe ich insgesamt acht Allzweck-PCs zu Hause. Auf vier von ihnen läuft Windows XP, auf dreien Debian Linux und dann haben wir noch einen Apple. Auf meinem Laptop läuft Windows XP. Ich bin viel unterwegs und nutze verschiedene WAN-Geräte. Windows XP bietet die beste Treiberunterstützung auf Laptops. Für mich stellt sich aber die große Frage, was ich mit der nächsten Generation meiner Windows-Rechner mache. Zu Hause nutzen wir viele Anwendungen, die nur unter Windows laufen: von Photoshop über Quicken bis hin zu der Software, mit der meine Frau Einladungen für Partys entwirft. Auf Vista oder Windows 7 umsteigen, will ich nicht unbedingt. Der Trend geht bei uns in Richtung Apple. Die alten Windows-Anwendungen lassen wir dann in einer virtuellen Maschine laufen.
t3n Magazin: Und wie steht’s mit Ihrem Mobiltelefon? iPhone, Blackberry oder etwas ganz anderes?
Larry Augustin: Gegenwärtig nutze ich einen Blackberry. Meine Frau hat ein iPhone. Ich finde das Blackberry besser, wenn es um große Mengen von E-Mails geht. Ich spiele aber mit dem Gedanken, mir auch ein iPhone zuzulegen. Parallel dazu habe ich noch ein Google Android G1, mit dem ich herumexperimentiere. Meines Erachtens wird sich Android dank des offenen Charakters der Android-Plattform letztlich durchsetzen. Aber Android braucht noch einige Zeit, um als Plattform auszureifen. Auf meinem Blackberry verwalte ich beispielsweise problemlos um die 12.000 Kontakte. Das G1 wäre damit überfordert.
t3n Magazin: Würden Sie zum Abschluss des Gesprächs bitte folgenden Satz vervollständigen: Open Source ist die bessere Alternative zu kommerzieller Software, weil…
Larry Augustin: …Open Source bessere Software hervorbringt und dem Nutzer die Kontrolle gibt. Bei Open Source ging es nach meinem Dafürhalten immer darum, bessere Software zu entwickeln. Ich habe schon Mitte der Achtziger freie Software verwendet, weil sie einfach besser als proprietäre Alternativen war. Unter dem Strich läuft es auf diesen Unterschied hinaus.