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Trendreport

KI im Marketing: Mit lernenden Algorithmen zu neuen Zielgruppen

Künstliche Intelligenz ersetzt zwar nicht die menschlichen Marketingteams, ­unterstützt aber die Mitarbeiter bei der Steuerung von Kampagnen oder auch im ­Contentmarketing. In Zukunft könnte sie zunehmend auch ein beliebtes Ausdrucksmittel der Markenbildung verdrängen: Emotionen. Ein Trendbericht.

Von Peter Gentsch
7 Min.
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(Grafik: Shutterstock / TZIDO SUN)


Die Mitteilung im März, dass Zalando 250 Marketingmitarbeiter durch künstliche Intelligenz ersetzt hat, ging wie ein alarmierendes ­Lauffeuer durch die Medienlandschaft. Bei genauerer Betrachtung relativiert sich die KI-Drohkulisse jedoch etwas: So hat sich Zalando entschieden, etliche Prozesse umzustrukturieren, um ­beispielsweise Marketingmaßnahmen noch stärker zu lokalisieren und die Content-­Produktion dezentral in die Absatzländer zu verteilen, was mit einem organischen Personalabbau einhergeht. Natürlich war es von Zalando smart, sich als Technologieführer mit der KI-Innovationsführerschaft im Marketing zu schmücken. Letztlich wird jedoch nur ein Teil des Marketings faktisch durch Algorithmen ersetzt werden.

Auch wenn die Nachricht weit weniger Auswirkungen hat, als zunächst vermutet, wird KI das Marketing tief greifend verändern. Eine aktuelle Studie von McKinsey zeigt, dass, bezogen auf die verschiedenen betrieblichen Funktionen in Unternehmen, das größte Potenzial von KI im Marketing steckt, mit einem Potenzial für die Wertschöpfung in Höhe von bis zu sechs Billionen US-Dollar. Interessanterweise steht dem eine sehr geringe Anzahl erfolgreicher KI-Anwendungen im Marketing – insbesondere deutscher Unternehmen – gegenüber.

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Künstliche Intelligenz im Sinne eines vollständig autonomen, selbstlernenden Systems ist in der Tat noch nicht praktische ­Realität. Es gibt zwar imposante Beispiele wie Googles Alphago, ein Programm für das Brettspiel Go, das mehrfach professionelle Go-Spieler schlagen konnte und so das gestiegene Potenzial von KI zeigt. Doch noch basieren diese Programme auf einem recht mechanistischen Ansatz, der fleißig aus großen Datenmengen „lernt“. Es sind doch immer noch in gewisser Weise Laborsituationen, die mit der Unternehmensrealität wenig zu tun haben. Auch die Analogie der neuronalen Netze mit dem menschlichen ­Gehirn ist irreführend. Nicht nur, dass wir rein quantitativ meilen­weit von den Neuronenmengengerüsten und -beziehungen des menschlichen Gehirns entfernt sind. Wir wissen bis heute nicht, wie das menschliche Gehirn genau funktioniert, wollen es aber nachbauen. Und trotzdem: Auch wenn die KI-Ansätze eine Quasi-Intelligenz vorgaukeln, können sie das Marketing nach­haltig unterstützen und verändern. Aus unternehmerischer Sicht ­zählen letztlich die Dimensionen Automation und Augmentation:
Wie gut kann KI Marketingprozesse automatisieren und wie gut kann KI ­Marketingentscheidungen unterstützen beziehungs­weise ­optimieren?

Die KI-Marketing-Matrix

Die meisten KI-Anwendungen beziehen sich, wie auch das Zalando-­Beispiel, auf die Automatisierung von Marketingfunktionen und -prozessen. In diesem Rahmen treffen Systeme auch eigenständig einfache Entscheidungen. Dabei geht es in der Regel um die Substitution menschlicher Aktivitäten durch künstliche Intelligenz, um Kosten- und Effizienzvorteile zu erzielen. So gibt es viele Automatisierungsanwendungen, die heute schon einen hohen Reifegrad und Einsatz in der Praxis haben. Hierzu gehören beispielsweise ­Marketingautomation oder Real-Time-Bidding.
Im Gegensatz dazu geht es bei den Augmentation-­An­wendungen insbesondere um die intelligente Unterstützung und Anreicherung komplexer und kreativer Marketingauf­gaben, die derzeit in der Regel noch von menschlichen Akteuren durchgeführt werden. So kann die KI automatisch eine Analyse von Wettbewerbern, Zielgruppen und Trends vornehmen. Diese ­Insights können Marketingverantwortliche nutzen, um ihre Strategie zu entwickeln beziehungsweise anzupassen. Damit werden ­Entscheidungsprozesse mit wichtigen Informationen angereichert. Die eigentliche Entscheidung wird aber nicht automatisiert, sondern bleibt Hoheit menschlicher Akteure. KI kann im Sinne der Augmentation Marketern auch dabei helfen, die steigende Komplexität von Kanälen und Touchpoints zu managen. So kann sowohl der Wertbeitrag eines Kanals als auch das notwendige Zusammenspiel der Kanäle zur Optimierung der Conversion berechnet werden. Auf Basis umfangreicher Customer-Journey-­Daten lässt sich so auch die optimale Media-Budget-Allokation über die Zeit bestimmen: Wann sollte welcher Euro in welchen Kanal investiert werden? Der finale Mediaplan inklusive der organisatorischen Rollenverteilung wird dann – zumindest heute noch – von Menschen erstellt und ausgewertet. Aufgrund der ­höheren Komplexität und Kreativität dieser Aufgaben sind sowohl der Reifegrad als auch die Verbreitung im Vergleich zu den Automatisierungsbeispielen durch KI deutlich geringer ausgeprägt.

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In der Automatisierung von Marketingprozessen zeigt KI heute schon einen hohen Reifegrad und Praxiseinsatz. (Grafik: Peter Gentsch)

Es gibt jedoch auch Anwendungen, die trotz ihres hohe Reifegrades in der Praxis heute noch vergleichsweise gering eingesetzt werden. Ein Anwendungsbereich, auf den dieses Phänomen zutrifft, ist das Prinzip der Lookalikes, die für die Identifikation und Profilierung von Zielgruppen genutzt werden können. So kann künstliche Intelligenz über circa 10.000 Datenpunkte im Web zu Unternehmen oder Konsumenten zusammentragen und über sogenannte Deep-­Learning-Algorithmen neue Zielgruppen ermitteln und profilieren. Im B2C-Bereich lässt sich dies zum Beispiel gut mit Facebook-Custom-­Audiences umsetzen.

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Eine große Rolle spielt KI zunehmend auch im Content­marketing. Dabei helfen Algorithmen zur semantischen Konzeptualisierung von Content. So bildet beispielsweise der Word-to-Vec-­Algorithmus den Content automatisch in Form von Vektoren ab, die den tatsächlichen Inhalt abstrakt formalisieren. Diese ­Repräsentation ist deutlich mächtiger als der typische Index über einen Inhalt. Auf dieser Basis lässt sich auf einer analytischen Ebene automatisch ähnlicher oder sich ergänzender Content finden. Sogenannte „Long-Short-Term-Memory-Recurrent-­Neural-Networks“ können im Sinne des Predictiv-­Contents auch neue Inhalte produzieren, indem sie, ausgehend von Wörtern, unter Einbezug des zeitlichen Kontextes die nächsten nahe liegenden Wörter und Sätze vorhersagen. Ein Beispiel ist die KI-unterstütze Erstellung einer Ausgabe des britischen Marketingmagazins The Drum. Tausend Exemplare wurden von der Ausgabe gedruckt, bei der die KI sowohl Bilder auswählte, als auch Texte anpasste und die Seiten gestaltete. Gespeist wurde die KI dafür mit ­Daten der Gewinner des Goldenen Löwen vom Cannes Lions Inter­national Festival of Creativity. Es ging also nicht nur darum, das Magazin zu erstellen, sondern gleichzeitig eine künstliche ­Intelligenz zu kreieren, die den Geschmack des Lifestyle-Publikums trifft. Auf Basis solcher Verfahren wird auch der sogenannte ­Roboterjournalismus zunehmend kreativ. Algorithmen sind in der Lage, das Web automatisch nach Informationen zu durchsuchen, diese zusammenzuführen und daraus ein lesbares Content-Stück herzustellen. Datenbasierte Berichte werden im Bereich Sport, Wetter oder Finanzen schon heute häufig automatisiert erstellt.

Im Bereich des Newslettermarketing kann KI auch dabei helfen, die richtigen Betreffzeilen und Überschriften in Mails und Newslettern abzuleiten oder Textbausteine zu ­generieren, die für die jeweilige Zielgruppe die größte Konvertierungswahrscheinlichkeit mitbringen. Zudem gibt es Lösungen, die auch Visuals für Kampagnen je nach Zielgruppe automatisch kreieren und testen.
Neben der beschriebenen Content-Kreation wird KI auch ­zunehmend die Content-Kuratierung und -Distribution übernehmen, wenn es darum geht, Inhalte miteinander zu kombinieren und zu promoten. KI wird Content automatisch auf verschiedenen Plattformen publizieren und distribuieren.

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Die „Ent-Emotionalisierung“ des Marketings

Ein weiterer Marketingtrend, der durch künstliche Intelligenz befeuert wird, ist das Thema (Chat-)Bots. Das Thema ist nicht neu, erlebt aber gerade in den letzten zwei Jahren aufgrund der rasanten Entwicklungen von KI, Plattformen, Kommunikationsgeräten und Spracherkennung eine neue Qualität und Bedeutung. Die Kommunikation im Netz verlagert sich zunehmend in die Messenger- und Chatbot-Welt von Whatsapp, Facebook Messenger, Snapchat und Wechat. Die Onliner verlassen damit die digitale Öffentlichkeit und sind für Marken nur noch schwer erreichbar. Sie bewegen sich im für andere „unsichtbaren“ Teil der digitalen Welt, teilen ihren Content beispielsweise nicht mehr über ihren Facebook-Newsfeed mit allen, sondern beschränken sich darauf, ihre Inhalte per Messenger mit einem überschaubaren Freundeskreis zu teilen. Dank Voice-Assistenten können die Nutzer mit ihrer Stimme auf dem Smartphone Siri oder den ­Google Assistant nach dem aktuellen Wetter fragen, via Alexa per Sprachbefehl das Licht einschalten, ein Musikstück starten oder sich Nachrichten vorlesen lassen. Der Einstieg von Apple in den Smart-Assistant-Markt mit dem Homepod wird vermutlich neue Nutzungsszenarien und Zielgruppen mit sich bringen.

Künstliche Intelligenz ermöglicht es, neue Zielgruppen zu identifizieren – auf Basis von mehreren tausend Datenpunkten. (Grafik: Peter Gentsch)

Neben diesen einfachen alltäglichen Aufgaben entwickeln sich die Systeme zunehmend zum digitalen Assistenten und zur virtuellen ­Repräsentation des Konsumenten. Diese hat Auswirkungen auf die Kundenkommunikation und -interaktion. Wählt der Konsument bei einer Google-Suche oder einer Amazon-­Produktsuche noch selber aus den Trefferlisten seine Favoriten aus, reduziert sich die Bot-Empfehlung in der Regel auf ein Produkt oder eine Information. Die Bot-Souveränität ersetzt damit die aktive Evaluierung durch den Konsumenten. Während die derzeitige Kommunikation noch zwischen Konsument und ­Unternehmens-Bot abläuft, wird es in den kommenden Jahren eine verstärkte Kommunikation des ­Konsumenten-Bots mit dem Unternehmens-Bot geben. Daher müssen Marketing­aktivitäten auf die Bot-Kanäle adaptiert werden. Auch bei SEO und SEM wird ein Umdenken stattfinden müssen. Die sogenannte „Bot Engine Optimization“, kurz BEO, verwandelt den Leitsatz „Rule the first Page on Google“ zu „Rule the first Bot Answer“. Der Fokus liegt auf personalisierten One-to-One-Kampagnen von Bot zu Kunde.

Eine Konsequenz der zunehmenden Verbreitung dieser ­Systeme im Marketing könnte darin bestehen, dass die emotionale Markenbindung an Relevanz verliert und es zu einer Versachlichung des Marketings kommt. Denn: Kaufentscheidungsprozesse werden nun rationaler als bislang getroffen. Durch die Entwicklung von Smart ­Homes bziehungsweise Smart Products kommt es zu rationalen Kauf­entscheidungen – Bots repräsentieren nun immer mehr den Menschen. Der Kühlschrank „entscheidet“, wann eine Milch nachgekauft wird. Ein digitaler Vertreter des Kunden ist logischerweise immun gegen emotionale und empathische Werbung, die dadurch ihren Sinn verliert. Der ideelle Wert der Marke ist für den Kunden-Bot irrelevant, der im optimalen Fall durch die digitale Signatur des Kunden objektiv, als dessen Stellvertreter im E-Commerce agiert. So wird der Zugang der Unternehmen und Kunden zur Plattform wichtiger als die Marke selbst.

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Fazit

Big Data liefert den Treibstoff für künstliche Intelligenz, die insbesondere in Marketing und Kommunikation erfolgreich eingesetzt werden kann. Daten aus Online-Interaktionen, Social Media oder anderen digitalen Quellen können durch KI automatisierbar und skalierbar kapitalisiert werden. Dass so eine mächtige Waffe auch immer das Potenzial des Missbrauchs beinhaltet, zeigen die Diskussionen um die Marktmacht der sogenannten GAFA-­Ökonomie (Google, Amazon, Facebook, Apple). Die ­Algorithmen ermöglichen zum einen nie möglich gewesene Personalisierung der Kommunikation und zum anderen auch die Gefahr von gezielter und manipulativer Desinformation. Entsprechende Regula­tionen und ethische Standards sowie die Erhöhung der ­Medien- und Urteilskompetenz souveräner Konsumenten sind hier erforderlich.

Insgesamt wird ein zunehmend datengetriebenes und analytisches Marketing die Frage nach der richtigen Balance zwischen Automatisierung und persönlicher Interaktion beantworten müssen. Zu beachten sind auch die entsprechenden Implikationen für den Konsumenten. Wird er durch entsprechende Bot-Power in Form digitaler Assistenten gestärkt, die seine tatsächlichen Präferenzen kennen und entsprechend vertreten, oder wird er vielmehr noch stärker Spielball eines perfekt designten Daten- und Analytikökosystems der digitalen Giganten?

Der Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Künstliche Intelligenz für Sales, Marketing und Service“ von Peter Gentsch, erschienen im Springer Gabler Verlag.

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