KI-Bademeister: Deutsches Schwimmbad setzt künstliche Intelligenz ein, um Leben zu retten
Entgegen des landläufigen Glaubens ertrinken Menschen nur selten mit lautem Geschrei und wildem Gespritze. Der drohende Tod im Wasser zeigt sich meist lautlos und ist daher nicht immer einfach zu erkennen. Im Wiesbadener Frei- und Hallenbad Kleinfeldchen soll ein Überwachungssystem auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) helfen und Leben retten.
Seit August 2020 ist die Erfindung eines israelischen Start-ups in der Landeshauptstadt im Einsatz. Vier Kameras an der Decke überwachen das 25 mal 15 Meter große Hallenbecken von oben. „Die Kameras detektieren die Bewegungen im Wasser und erfassen ein Bewegungsprofil, das von der KI analysiert wird“, erklärte Thomas Baum, Betriebsleiter beim Badbetreiber mattiaqua. Sobald Bewegungsmuster auffällig seien, werde das Personal über eine digitale Uhr, eine sogenannte Smartwatch, alarmiert. Die Uhr gebe dann einen lauten Piepton ab und vibriere, erklärte Shahabeddin Khatibi. Der Fachangestellte für Bäderbetriebe begleitet den Einsatz des Systems seit Beginn. Außerdem werden auf dem Display ein roter Punkt als genaue Positionsangabe und drei Bilder der Situation angezeigt.
Rollwende sorgten für Probleme
Gerade in der Anfangszeit habe es immer mal wieder Fehlalarme gegeben, etwa bei einer Rollwende. „Mit der Zeit hat die Künstliche Intelligenz gelernt, welche Bewegungen für Schwimmer normal sind und wann eine Person Probleme hat“, berichtete Khatibi, der dem System nach jedem Alarm zurückmeldet, ob es die Situation richtig eingeschätzt hat.
Nach dem Ende der Test- und Lernphase will Baum das System nun auch in weiteren Becken und Bädern in Wiesbaden einsetzen. „Im nächsten Schritt wollen wir den Nicht-Schwimmerbereich und die Außenbecken ausstatten. Im kommenden Jahr soll dann auch das Thermalbad folgen“, sagte Baum. Die Kosten variieren je nach Beckengröße und Zahl der Kameras. Laut Betriebsleiter Baum liegen sie beim aktuellen Becken zwischen 30 000 und 40 000 Euro jährlich.
Das System ersetze kein Personal und auch keine Wasserrettung, helfe aber als Absicherung für Personal und Badegäste. „Wenn es nur ein Mal in zehn Jahren funktioniert und ein Menschenleben rettet, dann war jeder investierte Cent es wert“, so Baum. Auch die Schwimmaufsicht profitiert vom Einsatz. „Das System ist unser drittes Auge. Gerade wenn im Sommer 4000 bis 6000 Gäste auf einmal im Bad sind, hilft es uns sehr, den Überblick zu behalten“, erklärte Schwimmmeister Khatibi. Außer ertrinkenden Personen erkenne das System auch, wenn Kleinkinder sich im Wasser von ihren Eltern trennen und schlage Alarm.
Keine Datenschutz-Probleme
Neben Gefahrensituationen analysiert die KI außerdem die Beckenauslastung und zeigt die Anzahl der Schwimmer im Wasser auf der Smartwatch an. Damit auch der Datenschutz nicht zum Problem wird, erkennen die Kameras lediglich die Umrisse von Personen. „Es geht nicht um die Personenüberwachung, sondern um die Sicherheit der Badegäste“, sagte Baum. Neben dem in Wiesbaden eingesetzten System bieten Hersteller auch KI-Systeme mit Kameras in den Becken.
„Eine solche Technologie kann das Personal im Schwimmbad zwar nicht ersetzen, aber ganz sicher eine wertvolle Ergänzung sein, um dieses zu unterstützen und damit auch, um Leben zu retten“, sagte ein Sprecher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Gerade in großen sowie tiefen Becken und bei hohem Besucheraufkommen sei es dem Personal nicht möglich, immer alle Badegäste im Blick zu behalten. Da das Ertrinken außerdem oft lautlos stattfinde, könne die KI hier behilflich sein, schneller auf eine Person aufmerksam zu werden.
Weitere Bäder sollen folgen
Die Stadt Darmstadt plant im Laufe des Jahres die Anschaffung eines KI-Systems im Nordbad, erklärte ein Sprecher. In den drei städtischen Frei- und Hallenbädern in Fulda sind indes bisher keine Überwachungssysteme auf Basis künstlicher Intelligenz im Einsatz, wie der Betreiber RhönEnergie Fulda auf Nachfrage mitteilte. Auch die Stadtwerke Gießen als Betreiber von drei Schwimmbädern setzen in ihren Bädern kein KI-basiertes System zur Beckenüberwachung ein. Nach derzeitigem Stand gebe es auch keine Planungen für einen Einsatz, teilte ein Unternehmenssprecher mit.
Gleiches gilt auch für die vier städtischen Bäder in Kassel. „Der Sicherheitsstandard der bisherigen Systeme ist aus unserer Sicht noch nicht so ausgereift, dass wir uns auf sie verlassen könnten“, erklärte ein Sprecher der Städtischen Werke Kassel. Um die Sicherheit in den Bädern zu gewährleisten, setze man auf geschulte Mitarbeiter. Auch die BäderBetriebe Frankfurt verzichten in ihren Schwimmbädern bisher auf die Unterstützung durch KI-Systeme.
Und auch in der Taunus Therme in Bad Homburg kommt KI noch nicht zum Einsatz. „Da wir ein relativ überschaubares Thermalbad mit einer Beckentiefe von 1,35 Meter sind, wäre dies durchaus sinnvoll. Allerdings sind die Kosten derzeit unverhältnismäßig“, erklärte eine Sprecherin. Von einer Umsetzung sei die Therme daher „weit entfernt“.