Günstiger als Lithium: Warum die größte Batterie der Welt auf Rost setzt
In den USA entsteht gerade der größte Batteriespeicher der Welt. Er soll eine Kapazität von 8,5 Gigawattstunden bekommen. Das wäre auf einen Schlag fast die Hälfte dessen, was in Deutschland insgesamt an Batteriespeichern installiert ist – inklusive sämtlicher Heimspeicher. Und mehr als 30-mal so viel wie Deutschlands größter geplanter Batteriepark in Alfeld.
Der Clou der größten Batterie der Welt
Der eigentliche Clou des neuen Speichers ist aber nicht seine schiere Größe, sondern seine Technik: Er arbeitet nicht mit dem kritischen Rohstoff Lithium, sondern mit Luft und Eisen beziehungsweise Rost. Wegen der reichlich verfügbaren Ausgangsmaterialien soll er nur ein Zehntel so viel kosten wie herkömmliche Akkus. Außerdem ist das System unbrennbar und enthält keine giftigen Stoffe.
Dahinter steht das Startup Form Energy mit Sitz in Massachusetts. Es wurde 2017 gegründet, unter anderem vom umtriebigen MIT-Professor Yet-Ming Chiang sowie von Mateo Jaramillo, ehemals Vice President für stationäre Stromspeicher bei Tesla. Es hat mittlerweile insgesamt mehr als 1000 Mitarbeiter:innen.
Wie der Luft-Eisen-Speicher funktioniert
- Im ungeladenen Zustand besteht die Metall-Elektrode aus Rost, genauer gesagt aus Eisen-Hydroxid (Fe(OH)2).
- Beim Laden zerlegt Strom den Rost.
- Dabei entstehen Hydroxid-Ionen (OH–). Sie gelangen ins Wasser und wandern durch eine Membran zur Luft-Elektrode.
- Dort bildet sich Sauerstoff, der aus dem Elektrolyt herausblubbert.
- Beim Entladen bläst ein Ventilator Luft in das Elektrolyt.
- Der Sauerstoff aus der Luft trägt zur Entstehung von Hydroxid-Ionen bei.
- Diese wandern zurück durch die Membran zum Eisen.
- Dort verbinden sie sich zu Eisen-Hydroxid und geben dabei Elektronen ab.
Die Idee zu solchen Rost-Batterien kam bereits in den 1960er Jahren auf. Schließlich ist Rosten chemisch betrachtet nichts anderes als ein Austausch von Ladungsträgern.
Doch aus diesem simplen Prinzip eine funktionierende Batterie zu bauen, ist nicht ganz einfach. Ein Problem dabei ist der Umgang mit festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen, die miteinander reagieren müssen. Um die Kontaktoberfläche der Metall-Elektrode zu vergrößern, bestehen sie bei Form Energy aus gepresstem, aber immer noch porösen Eisenpulver, verriet das Unternehmen gegenüber MIT Technology Review. Zudem halten Pumpen und Ventilatoren die Gase und Flüssigkeiten laufend in Bewegung.
Wann die ersten Batterien in Betrieb gehen sollen
Die Pilotproduktion in der ersten Fabrik läuft nach Unternehmensangaben seit September 2024. In diesem Jahr soll die kommerzielle Herstellung starten. Die Ausweitung der Produktion läuft bereits.
Die ersten Batterien sollen in einer 150-MWh-Anlage zur Stabilisierung des Stromnetzes in Minnesota zum Einsatz kommen. Der besagte Weltrekord-Speicher mit 8.500 MWh entsteht in einer ehemaligen Papiermühle in Maine und soll 2028 ans Netz gehen. In Irland ist ein Batteriepark mit 1.000 MWh geplant, die später auf 8.000 MWh ausgeweitet werden kann.
Wie sieht es mit den Kosten pro Kilowattstunde bei den neuen Batterien aus?
Laut Form Energy betragen die Investitionskosten nur 20 US-Dollar pro Kilowattstunde, im Vergleich zu 200 Dollar bei Lithium-Ionen-Akkus. Allerdings ist dieser Vergleich etwas irreführend, denn Luft-Eisen-Batterien haben mit rund 50 bis 70 Prozent einen deutlich niedrigeren Wirkungsgrad als Lithium-Ionen-Akkus (90 bis 95 Prozent). Beim Ein- und Ausspeichern geht also mehr Energie verloren, was die Kosten pro gespeicherter Kilowattstunde erhöht. Unter dem Strich dürften die Rost-Zellen aber trotzdem konkurrenzlos günstig sein, wenn sie sich als praxistauglich erweisen. Für E-Autos kommen sie aber nicht infrage, dafür sind sie zu schwer.
Auch das niederländische Startup Ore Energy arbeitet an Luft-Eisen-Speichern. Entstanden ist es 2022 als Ausgründung der TU Delft und hat heute rund 30 Mitarbeiter:innen. Es verspricht, bis Ende des Jahrzehnts ebenfalls Speicher im Gigawattmaßstab produzieren zu können, zu Kosten von rund 16 Euro pro Kilowattstunde. Das Elektrodenmaterial basiere zwar auch auf Eisen, sei aber „völlig anders als alles, was bisher verwendet wurde“, sagt Mitgründer Aytac Yilmaz. Die weiteren Details seien Betriebsgeheimnis.
Speicher-Vorsprung
Ore Energy nimmt derzeit Teil an der Long-duration Energy Storage Challenge der Agentur für Sprunginnovationen (Sprind). Doch warum muss das Verfahren hierzulande noch als „Sprunginnovation“ gefördert werden, wenn es auf der anderen Seite des Atlantiks offenbar schon marktreif ist? Der „Vorsprung“ von Form Energy sei durch die fünf Jahre frühere Gründung sowie durch das große Interesse privater und staatlicher Investoren begründet, sagt Sprind-Analyst Brian Hotani. Allein der öffentliche US-Sektor hat Form Energy mit rund 200 Millionen Dollar unterstützt. „Diese Zuschüsse sind nötig, um in diesem Hardware-getriebenen Umfeld wirklich skalierbare Produkte zu entwickeln“, so Hotani gegenüber MIT Technology Review. „In Europa haben wir nach wie vor sehr viel zurückhaltendere Investoren im Bereich Deep-Tech sowie risikoaverse Banken.“
Ein Wirkungsgrad von 50 – 70% heißt, dass 30 – 50% in Abwärme abgehen und ageführt werden müssen. Hoffentlich wird diese Abwärme sinnvoll genutzt. Ein Beitrag zum Klimaschutz ist das aber nicht unbedingt. Das ist Physik: Bei jeder Energieumwandlung geht etwas verloren, nennt sich Entropie. Daher gibt es schon aufgrund der Energiesysteme eine Klimaerwärmung, auch bei der Photovoltaik, deren Wirkungsgrad gerade erst 16 – 20% beträgt. Klimarettungslüge würde ich das bezeichnen.
Was ist das denn für ein Argument Martin? Wenn die Sonne irgendwo hinscheint wo grade kein Solarpanel steht, oder die elektrische Energie nicht genutzt werden kann, gehen sogar ja 100% der Energie als Wärme verloren. Klimaerwärmung gibt es doch nicht aufgrund von Wandlungsverlusten in unseren Energiesystemen. (Wobei du natürlich Recht hast, dass der Treibhauseffekt der unseren Planeten erst bewohnbar macht damit zu tun hat, dass die Strahlung der Sonne eine niedrigere Entropie hat als die Infrarotstrahlung zu der sie durch das Durchlaufen und schließlich abgestrahlt werden von unserer Atmosphäre wird.)
Bei all den schrecklichen Nachrichten die es zur Zeit gibt machen mir solche Meldungen von tatsächlich skalierbaren Lösungen für dringende Probleme, ohne Bottleneck kritischer Rohstoffe (?), ein bisschen Hoffnung.
Wenn ich sowas lese wünschte ich manchmal ich hätte Chemie oder Materialwissenschaft studiert und könnte jetzt da mitmachen.
@Martin Mair: eine Erwärmung durch Photovoltaik ist Quatsch. Denn die Abwärme von Solarzellen würde auch so entstehen – und zwar zu 100%, schließlich fallen die Sonnenstrahlen in jedem Fall auf die Erde, ob sie nun Solarzellen treffen oder den Boden. Das gleiche Prinzip ist auf die Batteriespeicher anwendbar, sofern dort nur Energie gespeichert wird, die aus erneuerbaren Energiequellen oder Kernenergie stammt. Nur wenn im Speicher Strom landet, der aus der Verbrennung fossiler Energiträger gewonnen wurde, ist der niedrigere Wirkungsgrad ein Faktor, der auf die Klimaerwärmung einzahlt.
@Robert Grellmann
Eine Erwärmung durch Photovoltaik ist die Ausnahme und nicht die Regel, „Quatsch“ ist sie aber nicht. Denn das einfallende Sonnenlicht wird eben nicht zu 100% in Wärme verwandelt sondern normaler Weise zu nicht unerheblichen Teilen reflektiert. Wenn es also vorher ein weißes Dach mit hoher Refelxion war, dann kann eine Solarzelle also durchaus zur Erwärmung beitragen – um so mehr, je geringer ihr Wirkungsgrad ist.
Es gibt dazu Untersuchungen (auch vom Fraunhofer-Institut) und die zeigen, daß bei normalen Dächern (rote Ziegel …) die Umgebung kaum beeinflußt wird. Bei Dächern die vorhers schon schwarz waren (Schiefer, schwarze Ziegel, …) gibt es sogar eine leichte Abkühlung, die um so starker ausfällt, je höher der Wirkungsgrad der Solarzellen ist. Bei sehr stark reflektierenden Dächern (spiegelnd, weiß, …) findet wie bereits gesagt hingegen tatsächlich eine Erwärmung statt. Das ist natürlich eher in südlichen Ländern der Fall, als bei uns.