UX-Design: Warum uns „Intuition“ keine besseren Interfaces machen lässt [Kommentar]
„Und dann legst du das Bild einfach im Ordner ab.“ Diese Aussage hat mein Opa bis zum Schluss nicht verstanden. Sprachlos starrt er auf den Monitor, dreht sich zu mir und fragt: „Warum? Das mach ich im echten Leben ja auch nicht.“ – mein Opa im Jahre 2005. Sich über Ordnerstrukturen Gedanken machen zu müssen, war völlig neu für ihn – er wollte doch nur die Fotos von seiner Digicam ansehen. Für mich war das damals natürlich alles sonnenklar „Opa, das ist total intuitiv! Stell dir einfach einen Archiv-Schrank vor, in dem du die Bilder ablegst.“ Im selben Moment dämmerte es mir – so intuitiv war das alles gar nicht. Wer hat schließlich schon nen Aktenschrank mit seinen Urlaubsfotos im Wohnzimmer – oder?
Ich wusste bereits viel über virtuelle Oberflächen und dieses sogenannte „Anwendererlebnis“. Für mich war Windows XP total intuitiv: Ordner da, Fotos rein, Doppelklick hier – für meinen Opa nicht. Er sah den Laptop als einen klobigen Bilderrahmen, mit dem man irgendwas tun konnte. Irgendwas – so genau wusste er das nicht, weil er sich „virtuelle Welten“ nicht vorstellen konnte. Obwohl es sich bei Bedienkonzepten um Abstraktionen aus der realen Welt handelt – Dateien in Ordner abzulegen, darin sah er keinen Sinn.„Für mich war Windows XP total intuitiv.“
Aber bin ich, bist du anders als mein Opa? Nein. Wir alle mussten lernen, dass man Apple-Touchscreens ohne Handschuhe und ohne Fingernägel, dafür aber mit trockenen Fingerspitzen berühren muss. Und davor mussten wir lernen, dass wir jetzt mit einer Maus über eine virtuelle Oberfläche schweben – intuitiv war daran aber nichts. Das war ein Verhalten, das erlernt werden musste, um die Abstraktion nutzen zu können. Skeuomorphismus kann da zwar helfen, kann aber auch unnötige verkomplizieren.
Intuition: Nichts ist intuitiv
Und selbst wenn sich die Nutzung eines Interfaces intuitiv anfühlt, dann handelt es sich um ein rein subjektives Gefühl – ein Gefühl, dass wir bereits Erlerntes noch einmal anwenden können. Doch weder das noch die Tatsache, dass man sich auch an suboptimale Prozesse gewöhnen kann – Stichwort: Anti- und Dark-Pattern – zeigt vor allem eins: „Intuition“ ist einfach das falsche Wort in diesem Kontext.
Obwohl wir „intuitiv“ nutzen als wäre es eine messbare Größe, ist sie es nicht. Selbst alltägliche Dinge wie Scheren sind nicht intuitiv zu bedienen. Wusstet ihr, dass ihr mit dem Mittelfinger schneidet, und nicht mit dem Zeigefinger? Dadurch können bessere Schnitte gemacht werden, da sich die Hand weiter öffnen lässt. Bam!
Aber jeder, der eine Schere sieht, glaubt automatisch, sie „bedienen“ zu können. Das hier einfach ein falsch erlerntes Muster angewendet, und die Schere somit nicht einmal mit ihrem vollen Potential genutzt wird – das fällt gar nicht auf.
Digital Natives – vielleicht im nächsten Evolutionsschritt
Da ein Großteil der Bevölkerung mit dem #neuland vertraut ist, fällt es uns nur leichter, digitale Vorgänge schneller nachzuvollziehen. Praktisch gesehen ist nicht Software intuitiver geworden, sondern wir können Prozesse jetzt schneller verstehen. Aber warum? Weil wir auf unsere empirischen Erfahrungen zurück greifen können – oder anders gesagt: Wir probieren so lange aus, bis wir das Ziel erreicht haben. Wenn wir das nicht in der von uns erwarteten Zeitspanne schaffen, fällen wir das Urteil: „Das ist nicht intuitiv!“. Ist das Herausdrehen einer Schraube intuitiv, wenn man nur den Kopf sieht und noch nie einen Schraubenzieher benutzt hat? Kurzum: Intuition ist die Summe an Erfahrungen auf die wir zurückgreifen können.„Intuition ist die Summe aller Erfahrungen.“
Es gibt kein angeborenes Verhalten, wie man die Schraube herausbekommt. Es gibt nur die Erfahrung (beziehungsweise die Heuristik). Durch ausprobieren gelangt man bei einer 50-Prozent-Chance zur Erkentniss: „Aha – Links mit L wie Lose“. Wenn wir also das nächste mal auf eine ähnliche Situation treffen wie zum Beispiel bei Flaschen oder Türen von öffentlichen Toiletten, dann werden wir dieses Muster „Links mit L wie Lose“ anwenden.
Und da wir auch kein angeborenes Verständnis für die digitale Welt haben, trifft natürlich auch zu, wenn am mobilen Gerät diverse OS-Funktionen an- und ausgestellt werden. Oder wir auf unseren neuen mobilen Geräten sofort versuchen iOS- und Android-Gesten durchzuführen – hat geklappt? Und plötzlich: Wird aus Plastik mit Glasscheibe ein intuitives Interface.
„Intuitive“ Erfahrungen schaffen: So geht’s einfach
… Not. Als UI- und UX-Designers liegt es also an uns, Interfaces zu gestalten, die für die Zielgruppe optimierter sind als die generischen und „intuitiven“ Oberflächen für Otto Normalverbraucher . Und das ist absolut nicht einfach. Das mag vielleicht frustrierend klingen, aber aufgrund der Anzahl der Geräte die wir in unserem Leben benutzt haben, und die Interfaces die wir bereits kennen, definieren ob wir etwas als „intuitiv“ wahrnehmen oder nicht. Wir müssen also bestehende Interfaces und Workflows verbessern, anstatt das gefühlt hunderste „intuitive“ Interface zu designen, dass blind von einem „Styleguide“ übernommen wurde.
Die einzige Regel, von der man im Usability-Kontext und „Intuition“ ausgehen kann, sind die Gestaltungsgesetze: Die Gesetze der Nähe, Ähnlichkeit, Geschlossenheit, Prägnanz, des gemeinsamen Schicksals und das der Figur funktionieren bei allen Menschen – der Rest ist erlerntes Verhalten. Erlerntes Verhalten, dass geändert und optimiert werden kann, und diese Interfaces zu gestalten ist die Aufgabe, die es zu meistern gilt – denn: Einfach nur schön reicht schon lange nicht mehr.
Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, warum mein Opa vom Desktop so angetan war, denn es gab nur fünf in sich geschlossene und eindeutig unterscheidbare Icons die durch gebührenden Abstand voneinander getrennt waren – sind es nicht diese Momente die das Designer-Herz höher schlagen lassen?
Klasse Artikel!
Ist vielleicht eher ein Kommentar aber sehr sinnvoll.
Die wohl grade begonnenen NRW-Ferien merkt man vielleicht überall im Web…
Google hatte irgendwann mal in einer App meine Idee eines „(?)“ wo man dann Hilfe zum aktuellen Bildschirm kriegt und was da alles geht.
Auch bei den vermeintlich Usability-optimalen Apples und Mac-Software und iOS muss man viel zu viel lernen weil es nicht sofort sichtbar ist.
Tipp of the Day haben viele Windows-Apps.
Viele Phone-Apps nerven mit Startbildschirmen statt dort z.b. nette Tipps abzulegen und zu messen welche Features wie oft genutzt werden um die anderen oder diese Features gezielter zu promoten.
Typographie passt eigentlich auch dazu. Aber LaTeX wird wohl eine vergessene Kunst. Früher gabs brandneu Erdgas-Lampen in England und auf gelblichem Zeitungspapier musste Sherlock Holmes seine Infos aus der London Times erfassen. Die Lesbarkeit musste optimalisiert werden.
Wer mal zwei Lineale vertikal 1 mm auseinander über einen Text scrollt erkennt sofort, das dort 1.5 „Schienen“ für die Augen liegen („Unterlinie“ oder so ähnlich, bin ja kein Typograph) wo 90% (bzw. vielleicht 30%-40%) mit Schwarz gefüllt sind. Sowas kann man in einer Stunde schnell beibringen.
Do wo hostet man es ohne Schikane und ohne Probleme…
Kunden-Interessen interessieren Skype, Whatsapp, Paypal usw. viel zu wenig. Das Interface ist auch nicht besser.
Aber ist Amazon besser ? Ich finde viele Punkte immer erst nach endlosem Suchen. Dann brauchen die Marketplacehändler sich nicht wundern das ich nicht bewerte weil ich es nicht finde. Da ist Ebay viel besser.
Optimierung und Haptik-Erfassung findet viel zu wenig statt.
Krass viele Webseiten sind seit Google-Umstellung plötzlich auch Mobile verfügbar aber am kleinen Handy kaum besser lesbar als wenn man die Desktop-Webseite (optimiert für 1024×786 16 Bit und IE4) aufruft.
Bei blendendem Licht am kleinen Handy Angebote finden ist in Urlaubsländern oft wohl kaum möglich… Im TV das peinlichste ist immer wenn Adressen gesucht werden obwohl dort JEDER ein Handy hat und jeder der schlau ist, seine GPS-Position neben Telefon-Nummer/Email-Adresse/WebAdresse dazupackt um nie wieder einen Anruf „der Taxifahrer findet Eure Adresse nicht“ beantworten zu müssen.
Haptik/Usability wären auch Microformate die bis heute viel zu kaum eingesetzt werden. Software erkennt am ‚@‘ oder ‚://‘ oder ‚www‘ oder ‚http‘ oder ‚+49‘ u.ä. Email-Adressen, WebAdressen oder Telefonnummern mehr oder weniger.
Am Handy ist man handycapped. Und ein Phablet/Tablett bindet auch eine Hand fürs Halten und eine fürs Bedienen. Auch eine Iwatch bindet beide Hände. Cooler wäre eine Handflächen-Watch oder mit dem Daumen auf dem gegenüberliegenden Finger eine projezierte Fläche bedienen wie es ich glaube Siemens schon vor Jahrzehnten vorstellte um Vandalistensichere projezierte Tastaturen und Benutzerinterfaces zu realisieren. Die per Daumen abdeckbare Fläche der Finger gegenüber sind auch viel größer als eine Watch und nicht viel kleiner als alte Phones. Wird sicher in ein paar Jahren ein Kickstarter-Projekt weil die Regularien es hier uninteressant machen wenn andere vermutlich fast alles kriegen.
Sonne, Lärm, Akku, Bandbreite,… sind ungleich schlechter als im Gigabit-Glasfaser-Angebundenen 60″-Bildschirm im klimatisierten Helligkeits-Controlletem Büro wo viele Webseiten aber auch kaum nutzbar ist selbst wenn man dringend etwas haben will.
Kunden sind zu Recht unzufrieden mit Software und Entwicklern.
Lern-Renitente Leute werden vielleicht immer weniger, weil man Internet braucht und sich alles alle 5 Jahre ändert und man sonst zurück bleibt. Evtl./hoffentlich wirkt sich das auch auf den Arbeitsmarkt bzw. die Arbeits-Qualität aus…
Junge Leute haben mehr Zeit, kommunizieren mehr untereinander und haben eine höhere Abbruch-Schwelle. Daher sind sie vermeintlich technik-interessierter.
also ich hab 0 verstanden. entweder hast du auf englisch geschrieben und ins deutsche übersetzen lassen, oder du bist einfach der deutschen sprache nicht mächtig! was fürn kack
Wirklich komplett zusammenhangslos