Transparente Gehälter – das muss für Frust sorgen, oder doch nicht?
Was heißt eigentlich Transparenz bei Gehältern?
Das Thema Gehälter sorgt in letzter Zeit wieder vermehrt für Schlagzeilen. Was Erica Baker bei Google als einzelne Mitarbeiterin im Alleingang erreicht hat, hat in anderen Unternehmen System: das Offenlegen der Gehälter. Die Angestellte hat einfach mal ein Spreadsheet online gestellt und andere Kollegen ermutigt, ihre Gehälter einzutragen. Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig setzt sich bereits für ein Gesetz ein, das Angestellten ermöglichen soll, sich über das Gehalt von Kollegen mit gleicher Tätigkeit zu informieren. Aber nicht nur für Arbeitnehmer bieten transparente Gehälter Vorteile. Auch Arbeitgeber können davon enorm profitieren.
Transparente Gehältern haben zwei Voraussetzungen, die miteinander einhergehen. Zum einen, dass die Gehälter von Angestellten für die Kollegen sichtbar sind und zum anderen die Aufschlüsselung der Gehaltsfindung. In keinem Unternehmen würde es wohl zu Erfolg führen, unfair ausgehandelte Gehälter für alle Kollegen einsehbar zu machen.
Transparente Gehälter bei DieProduktMacher
Bei DieProduktMacher war die Frage der transparenten Gehälter schon vor der Gründung ein Thema. Der Geschäftsführer Fabian Dill erzählt von den ersten Gesprächen: „Wir wussten, dass wir eine Dienstleistung im B2B-Bereich anbieten wollen. Die Fragen, die wir uns aber als erstes gestellt haben, waren: Was ist uns in unserer Firma wichtig und was sind unsere Werte? Erst danach haben wir das konkrete Businessmodel entwickelt.“
Also entwickeln sie das Unternehmen nach den Werten „Weiterentwicklung“, worunter Innovation, Kreativität und Neugier fällt, sowie „Freiraum“, was Individualität, Persönlichkeit sowie Gemeinschaft einschließt. Das dritte Schlagwort ist „Respekt“. Die Macher streben damit nach Ehrlichkeit, Toleranz und Offenheit. Transparenten Gehälter seien daraus nur eine logische Folge.
Intransparente Gehälter sorgen für Ungerechtigkeit und Neid
Aus eigener Erfahrung, aber besonders auch aus seiner Zeit als Berater, weiß der studierte Informatiker, was die meisten aus ihrem Arbeitsleben kennen: Gehälter sind trotz Verschwiegenheitsklauseln nicht geheim. Viel schlimmer allerdings: Oft entsprechen die Zahlen, die man hört, nicht der Realität. Das Gefühl von Ungerechtigkeit und Neid kommt auf. Der Buschfunk wird zum Buschfeuer.
Aber wie kommen Gehälter überhaupt zustande? Personaler diskutieren mit dem Bewerber, den sie nur mäßig kennen, und je nach Verhandlungsgeschick und Erfahrung wird dann eine Summe festgelegt. Das muss nichts mit der Qualität der Arbeit zu tun haben und führt zu massiven Ungleichheiten in Teams.
Schlimmer noch als zu hoch angesetzte Gehälter, ist die Einstufung eines Kollegen in eine zu niedrige Gehaltsstufe. Vor allem Frauen und zurückhaltendere Menschen tappen oft in diese Falle. Die gängige Praxis der Gehaltsfindung steht deshalb auch unter dem Verdacht der Diskriminierung. Bei zu niedrig ausgehandeltem Anfangsgehalt dauert es oftmals Jahre, dieses auf das eigentlich angemessene Level zu heben.
Wie das Gehalt bei DieProduktMacher bestimmt wird: Es gibt fünf verschiedene Gehaltsstufen. Die Zutreffende wird durch folgende sieben Dimensionen bestimmt:
- Fachkompetenz
- Kommunikations- und Feedbackverhalten
- Kundenorientierung
- Unternehmerisches Denken
- Integrität und Werte
- Sales und Marketing
- Kreativität und Innovation
Innerhalb dieser Kategorien gibt es ebenfalls fünf Abstufungen. Die Einordnung verläuft dialogisch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter. Zusätzlich gibt es noch drei Leistungspakete für jeden Mitarbeiter:
Der Krippenzuschuss und die freie Wahl des Laptops sowie Handys sind genau so garantiert wie die ungedeckelte Gewinnbeteiligung. Zusätzlich gibt es noch eine Beteiligung an erfolgreich ausgegründeten Firmen, die alle erhalten, die während der Entwicklung im Unternehmen gearbeitet haben.
Wenn nicht mehr das Gehalt im Vordergrund steht
„Wir verstehen alle, dass wir gut arbeiten müssen, damit der Laden funktioniert. Wenn Mitarbeiter das nicht verstehen, brauche ich auch keine Karotte vorhalten“Fabian Dill
Bei transparenten Gehältern geht es jedoch nicht allein um faire Entlohung. Das Gehalt ist eben nur ein Aspekt einer guten Arbeitsbeziehung. Fabian Dill freut sich zum Beispiel über den Luxus, andere Fragen beim Vorstellungsgespräch in den Vordergrund stellen zu können. „Wie kannst du dich bei uns verwirklichen? Was möchtest du wirklich erreichen?“
Natürlich kann dies auch mal zu Problem führen. Zuvor sehr gut bezahlte Kandidaten, die zum Beispiel aus Großkonzernen kommen, und sich geschickt in den Verhandlungen präsentieren konnten, sehen den Nutzen nicht sofort – sie sehen sich erst mal in ihrer Verhandlungsfreiheit eingeschränkt. Wenn die Einstufung des Gehalts zu weit von dem vorherigen Gehalt abweicht, haben DieProduktMacher auch schon von sich aus abgesagt.
In bis zu drei Feedback-Gesprächen pro Jahr wird die persönliche Entwicklung festgehalten. Fabian hierzu: „Der aktuelle Stand als auch die Entwicklung werden im Gustav festgehalten. Gustav ist unser ‚Mitarbeiterzielerreichungsbogen‘, aber der Name ist natürlich viel zu lang. Deswegen haben wir ihn Gustav genannt.“ Hierbei bewertet nicht nur der Vorgesetze den Angestellten. Die Einstufung erfolgt im Dialog. Nach eigenen Angaben ist es dabei noch nie zu erheblichen Abweichungen gekommen. Das Ziel der Einschätzung lautet laut Fabian aber, herauszufinden „wie wir die Entwicklung der Kompetenzen fördern können“.
Dies wird auch bei der Gewinnausschüttung deutlich, die bewusst nicht leistungsbasiert gestaltet ist. „Wir würden sowieso bei jedem 100 Prozent ausschütten. Wir verstehen alle, dass wir gut arbeiten müssen, damit der Laden funktioniert. Wenn Mitarbeiter das nicht verstehen, brauche ich auch keine Karotte vorhalten“, sagt Dill.
Transparente Gehälter: Ohne eine entsprechende Unternehmenskultur geht es nicht
Professor Frank Widmayer von der Karlshochschule University in Karlsruhe hält dieses Vorgehen für absolut zukunftsweisend. Der Fachmann für strategisches Management und Human Resources beschreibt: „Moderne Führungskultur mit stark partizipativen und selbstbestimmten Prinzipien setzt möglichst hohe Transparenz über alle geschäftsrelevanten Zusammenhänge voraus.“ Dann werde Missbrauch auch durch die soziale Kontrolle verhindert.
Er fordert, noch einen Schritt weiter zu gehen, als die Gehälter nur transparent zu machen. Gehälter sollten selbstgewählt sein, so der Experte. Selbstgewählte Gehälter sorgen für „leistungsgerechte Bezahlung ohne aufwändige und am Ende doch nur suboptimale Gehaltsfindungssysteme, die meist doch wieder die Mitarbeiter mit dem größten Verhandlungsgeschick belohnen.“
Damit dies gelingt, bedarf es allerdings grundlegender Voraussetzungen, die zur Zeit wohl in den meisten Unternehmen nicht gegeben sind. „Wichtig ist hierbei eine wohlwollende Kultur der Menschlichkeit. Jedes System kann ausgenutzt werden, entscheidend ist der Umgang mit den ‚Systemschmarotzern‘: Wer die große Freizügigkeit partizipativer Vertrauenskulturen missbraucht, muss abgestraft und im Zweifel auch entlassen werden.“
Auch Fabian Dill weiß, dass es einer passenden Unternehmenskultur bedarf, um ein solches System in einem Unternehmen zu etablieren. „Transparente Gehälter sind nur ein Baustein von wertegetriebenen Unternehmen. Damit das funktioniert, muss Transparenz und gegenseitige Offenheit in den Unternehmenswerten verankert sein. Und es braucht eine nachvollziehbare Begründung, warum das Gehalt so ist wie es ist. Das ist bei uns der Gustav.“Wichtig ist hierbei eine wohlwollende Kultur der Menschlichkeit.“
Widmayer sieht darin eine Bewegung in die richtige Richtung, sagt aber auch: „Ich würde daher für eine wirkungsvolle Kombination aus grundlegendem Vertrauen, maximal möglicher Transparenz und passender Führungs- und Arbeitskultur plädieren. Partizipation, Selbstmanagement, Ganzheitlichkeit und Sinn bei der Arbeit sind die Zutaten einer modernen Arbeitswelt, die Leistung zum Wohle aller zum Ergebnis haben wird.“
Transparenten Gehaltspolitik – Bedingung, Probleme und Vorteile im Überblick:
Bedingungen
Transparenz nicht nur über das Gehalt, sondern vor allen Dingen auch darüber, wie es zustande kommt. Transparenz heißt auch, einen einfachen Zugang bereitzustellen und die Daten leicht verständlich aufzubereiten. Es gilt natürlich, keine geheimen Absprachen einzugehen. Am einfachsten funktioniert dies durch die komplette Veröffentlichung der Payroll.
Die Probleme
Die Gehälter einfach transparent zu machen, kann natürlich zu Konflikten führen. Fragen wie „Wieso bekommt mein Kollege ein höheres Gehalt? Das ist doch überhaupt nicht gerechtfertigt!“ oder sich für sein relativ höheres Gehalt rechtfertigen zu müssen, liegen auf der Hand. Dies kann auch mit einem transparenten Einstufungssystem passieren. Gerechtigkeit ist im täglichen Leben meistens eine subjektive Einschätzung. Die daraus resultierende Demotivation der Mitarbeiter schadet natürlich dem Betriebsklima, einem der wichtigsten Kriterien des Employer Brandings. Transparente Gehälter in bereits bestehenden Unternehmen einzuführen, kann nicht damit einhergehen, dass jemand weniger bekommt als vorher. Dies wäre kaum durchzusetzen.
Die Vorteile
Seien wir ehrlich: In den meisten Unternehmen wissen Mitarbeiter sowieso was der Kollege verdient. Dieser gefährlichen Halbtransparenz kann entgegengewirkt werden. Bei klaren und offen liegenden Kriterien, wie Gehälter zustande kommen, ist die Motivation der Mitarbeiter höher und das Betriebsklima besser. Arbeitgeber können besser kalkulieren, was sie in den kommenden Jahren erwartet
Diskutiert mit uns! Was denkt ihr über transparente Gehälter? Wie kann es gelingen in bereits bestehenden Unternehmen Gehaltstransparenz zu etablieren? Antwortet und in den Kommentaren oder an mpn@t3n.de
„und je nach Verhandlungsgeschick und Erfahrung wird dann eine Summer festgelegt.“
Sollte Summe bedeuten, denke ich.
Die Leistungen vieler Mitarbeiter und die Gehälter sind doch schon transparent, durch Tarifverträge festgelegt. Führungskräfte und außertariflich eingestufte Angestellte sollten ebenfalls transparent offen legen, wie viel Sie verdienen. Die Frage hierbei ist, wie offen und transparent sind die Leistungen der Führungskräfte. Sollte dies geklärt sein, so kann ein Gehalt auch offen erklärt werden. Ob die Höhe des Gehalts mit den Leistungen übereinstimmt wird sich dann herausstellen, wenn man einen Branchenvergleich ziehen kann.
Das beim Gehalt natürlich sehr viele subjektive Aspekte mit eingerechnet werden, welche sich mit steigender Position in der Hierarchie ergeben, wären dann als Kulanz mit zu berücksichtigen. Zum Beispiel sehr gute Beziehungen zu Kunden oder Lieferanten bringen sicherlich nicht ausgesprochene Mehrwerte, welche schlecht messbar sind.
Viele Grüße
Michael Büchler
„… durch Tarifverträge festgelegt…“
Das setzt natürlich voraus, dass sich Unternehmen auch an Tarifverträge binden (oder zumindest grob orientieren) und das ist gerade in meinem Berufsbereich (gelernter Mediengestalter) relativ selten. Ich bin ehrlich: als ich diese Aussage las, musste ich im ersten Moment tatsächlich drüber lachen… Wir reden hier von Gehältern zwischen pi mal Auge 900 und 3.500 Euro, die man vom Fleck weg Vollzeit verdienen kann, je nach Branche/Unternehmen von der frisch gegründeten Werbeagentur bis zum etablierten Druckhaus.
„Dies wird auch bei der Gewinnausschüttung deutlich, die bewusst nicht leistungsbasiert gestaltet ist“
Wer sich mehr reinhängt sollte auch mehr verdienen. Ansonsten ist es auch nicht gerecht, wenn der wo mehr Leistung gibt gleich viel bekommt wie Kollegen, die nicht 100% geben!
Es ist aber nicht leicht die Leistung objektiv zu bewerten. Welche Leistung ist besser? Der schnellere Mitarbeiter, oder der ordentliche? Was bringt z.B. die Geschwindigkeit, wenn dann gehäuft Fehler auftreten? Noch komplizierter wird es, wenn man in die Bewertung mit einfließen lässt wie vorausschauend z.B. ein Entwickler seinen Job macht. Möglicherweise braucht er sehr lange für ein Stück Code was ihm in Zukunft jede Menge Arbeit ersparen wird.
Ich sehe nicht, dass irgendeiner meiner Chefs das auch nur halbwegs bewerten könnte.
Ich denke, dass die Klärung über verschiedene Kategorien, die dann im Dialog zwischen Arbeitgeber- und Nehmer erfolgt, da schon einen guten Ansatz bietet. An die absolute Fairness kann man sich sicherlich nur annähern und wird sie nie erreichen.
Annähern lässt sich das bestimmt. Mir persönlich ist es auch egal was andere bekommen, auch wenn sie weniger leisten und mehr Geld in der Tasche haben. Es ist mir wichtig, dass ich mit meiner Arbeit und dem Gehalt zufrieden bin. Ich fände es absolut ok wenn einfach alle das Gleiche bekommen, aber damit scheinen viele ja ein Problem zu haben – warum auch immer.
die machen es vor: https://www.ergon.ch/de/jobs/
am ende der seite sind links zu artikeln zum thema lohntransparenz bei ergon.
die Mitarbeiter finden es gut.
wir reden hier nicht über gerechte, sondern tranparente Gehälter. Generell bin ich dafür, noch einen Schritt weiterzugehen. Weg von monströsen Vertriebsgehältern und politischen Managertantiemen, hin zu generell Fixum plus Provision nach status quo Selbsteinschätzung mit regelmäßigen Gehaltssteigerungen nach materiellen und immateriellen „Budgeterreichungs“ – kriterien. Dies bei Offenlegung der BWA, damit unternehmerisches Denken im wahren Sinne möglich wird.