Paymill: So ging es nach der Insolvenz weiter
Ginge es darum, Millionär zu werden, dann sei er gescheitert, sagt Mark Henkel. Aber das sei nicht das Ziel gewesen. Er habe ein Produkt auf dem Markt etablieren wollen.
Mit 18 Millionen Euro Finanzierung und Investoren wie Rocket Internet im Rücken hatte Mark Henkel 2012 das Startup Paymill aufgebaut. Das Unternehmen sieht sich als Schnittstelle zwischen Zahlungsverkehr und Onlineshops. Die Resonanz war groß, teils verbuchte es 5.000 Registrierungen pro Monat.
Doch trotz der finanziellen Unterstützung musste der Gründer im April 2016 strategische Insolvenz anmelden. Bei dieser Form der Insolvenz kann das Unternehmen in Eigenverwaltung – also ohne externen Insolvenzverwalter – weiter agieren. Stattdessen überwachte der Anwalt Vincenz von Braun als Geschäftsführer den Betrieb. Ein Rückschlag für das Unternehmen.
Trotzdem sieht Henkel einen Unterschied zwischen Paymill und gescheiterten Modellen wie Yapital oder Click and Buy: „Wir haben vier Jahre an unserem Produkt gearbeitet“, sagt er. „Und unser Produkt gibt es noch.“
Denn anders als die anderen genannten Startups konnte Paymill im Juli einen Käufer finden: Klik and Pay aus der Schweiz. Das 2000 gegründete Unternehmen ist im B2B-Bereich tätig. Es bietet Onlinehändlern eine sichere Zahlungsplattform. Mit t3n.de sprachen beide Parteien jetzt erstmals über die Zeit rund um die Übernahme.
Die Pläne von Paymill nach der vorläufigen Insolvenz
Für Klik and Pay kam die strategische Insolvenz von Paymill demnach gerade recht. „Wir wollten durch Übernahmen im Markt wachsen“, sagt Yannick Decaumont, der von Klik and Pay als Managing Director zu Paymill wechselte. „Paymill war eine gute Möglichkeit für uns.“ Die strategische Insolvenz schreckte die Schweizer nicht ab. Es habe kein finanzielles Risiko gegeben, weil das Produkt funktioniert habe, argumentiert Decaumont. Deswegen sei es ein „No-Brainer“ gewesen, bei dem Startup einzusteigen.
Insgesamt habe man mit 18 Parteien verhandelt, sagt Henkel. Im engeren Kreis standen schließlich vier Parteien, darunter auch Klik and Pay. Am Ende hätten die Anwälte als Vertreter der Gläubiger entschieden, wer den Zuschlag bekäme. Der Paymill-Gründer sagt: „Wenn ich in der Position gewesen wäre, Entscheidungen zu treffen, hätte ich mich auch für Klik and Pay entschieden.“ Wie viel Geld für die Übernahme geflossen ist, wollten die beiden Unternehmen gegenüber t3n.de nicht verraten.
Nach dem Kauf begann die Arbeit, das Geschäft von Paymill wurde umstrukturiert. Das fing mit eher symbolischen Gesten an: Das Startup verkleinerte sich von zwei Etagen auf eine. Dabei ging es nicht hauptsächlich um Kostenreduktion. „500 Euro im Monat machen nicht den großen Unterschied“, sagt Henkel. Es sei mehr ein Zeichen an die Mitarbeiter gewesen.
„Als wir Paymill gegründet haben, waren wir die ‚New Kids On The Block‘.“
Das Startup sprach auch mit früheren Partnern. „Als wir Paymill gegründet haben, waren wir die ‚New Kids On The Block‘“, sagt Henkel. Die Verträge, die man mit Banken ausgehandelt habe, seien nicht so gut gewesen. Mit der Hilfe von Klik and Pay habe das Startup neu verhandeln und bessere Konditionen herausschlagen können. „Ohne die Kosten zu reduzieren, haben wir unseren Umsatz verdoppelt“, sagt Henkel.
Andere Verträge fielen durch die Übernahme weg. Klik and Pay nutzte schon einige Dienstleister, mit denen auch Paymill zusammenarbeitete. „Paymill hatte beispielsweise einen Vertrag mit einem CRM-Anbieter, den wir bei Klik and Pay auch nutzen. Heute gibt es nur noch einen Vertrag“, sagt Decaumont. So arbeite man weiterhin mit den Providern zusammen, habe aber nicht mehr doppelte Kosten.
Die Kunden sind Paymill trotz strategischer Insolvenz größtenteils erhalten geblieben. Von den rund 2.000 Kunden haben etwa zehn Prozent die Zusammenarbeit aufgekündigt. Die anderen zeigten Verständnis und nutzten den Service weiter. Henkel schreibt das auch der Kommunikation des Startups zu. „Uns war es wichtig, dass unsere Kunden von unserer strategischen Insolvenz nicht aus der Presse erfahren“, sagt er. Deswegen informierte er sie früh über seine Pläne. Zudem seien viele Kunden selbst Startups und hätten die Probleme deshalb nachvollziehen können. Decaumont sagt, ihn habe es „überrascht“, wie viele Kunden an Bord geblieben seien. Selbst in Zeiten des Insolvenzverfahrens habe es 500 Kundenanfragen im Monat gegeben.
Paymill will 2017 profitabel sein
Für die Zukunft hat Paymill vor allem ein Ziel: schwarze Zahlen. Bereits im ersten Quartal 2017 soll der Break Even erreicht sein. Klik and Pay will Paymill zudem zum größten Anbieter in seinem Bereich in Deutschland ausbauen. In den kommenden 12 bis 18 Monaten steht die DACH-Region im Fokus. Langfristig will sich das Startup aber auch in anderen Märkten etablieren. Decaumont schweben aufstrebende Märkte vor. Dort gebe es Nachfrage nach der Technologie von Paymill, so der Managing Director.
Dass es zu den Problemen von Paymill gekommen ist, hängt auch mit einer verwehrten Lizenz zusammen. „Schon 2012 wussten wir, dass wir ohne eigene Lizenz, also ohne eine Erweiterung der Wertschöpfungskette, nicht so weit kommen werden“, sagte Henkel in einem früheren Gespräch mit t3n.de. 2013 hatte sich das Startup deshalb für eine Banklizenz bei der Bafin beworben. Doch den Prozess brach das Startup vergangenes Jahr schließlich ab – er sei nicht besonders „aussichtsreich“ gewesen.
Das junge Unternehmen war deshalb auf strategische Partner angewiesen, die über eine solche Lizenz verfügen. Damit wiederum seien die Investoren nicht einverstanden gewesen, berichtet der Paymill-Gründer, weil es nicht so schnell skaliert hätte. Ein Verkauf scheiterte Anfang des Jahres. Daraufhin ging das Unternehmen freiwillig in die Insolvenz. Im Interview hatte Henkel damals betont, dass er niemandem die Schuld geben wolle.
strategische Insolvenz ?!? HAHA
Insolvent ist man wenn man Überschuldet oder Zahlungsunfähig ist, das kann man sich nicht strategisch aussuchen. Nur wenn die Gläubiger zustimmen kann man weiter machen – das ist keine Startegie, das nennt man: Jammern und Betteln damit die Gläubiger dann Bangen und Hoffen können.
Dass wir (und vermutlich andere Kunden) an Bord geblieben sind hat wohl weniger mit der tollen Kommunikation (Danke, dass ihr kurz vor der eigenen Insolvenz Bescheid sagt…) oder damit zutun, dass viele Kunden auch Startups sind und es völlig selbstverständlich ist 18 Mio in kurzer Zeit zu verbrennen. Einen Payment Dienst muss man integrieren und je nach Anwendungsfall dauert das halt mal ein paar Wochen. Wir haben also einfach nur gehofft, dass jemand anders das Ding weiterführt, damit wir nicht wieder nach einer Alternative suchen und diese implementieren müssen für unsere CC Zahlungen. Call it a Lock-In oder wie auch immer, aber schreibt es bitte nicht eurer tollen Arbeit zu.
Paymill ist ganz große Klasse! Habe selber ein Projekt basierend auf Paymill als Zahlungsdienstleiter vorangetrieben. Endlich ein Anbieter der dem Kunden viele Freiheiten gewährt und sich somit perfekt integrieren lässt. Der Endkunde bekommt von Paymill gar nichts mit und ist datenschutztechnisch perfekt abgesichert. Leider gab es jedoch ein Problem: Wenn man via API ein Lastschriftvorgang einleitet kann man keine zusätzliche ID angeben. Sollte also die eigene Anwendung nach dem einleiten des Vorgangs abstürzen ist es schwierig sicherzustellen, dass der Vorgang schon eingeleitet wurde. Mit unserem Bankenzugang können wir eine „MessageID“ angeben und die Bank teilt uns bei einem doppelten Vorgang mit, dass dieser schon durchgeführt wurde.