Wer redet, lernt nicht: Warum Führungskräfte einfach mal die Klappe halten sollten
„Na, wie läuft das Projekt mit dem neuen Lieferanten?“ „Ach, alles gut“, so die knappe Antwort auf die Frage vom Chef. Und schon setzt dieser wieder ein. Er lobt und bekräftigt noch mal, wie wichtig das Projekt für die Firma sei. Und der Lieferant wäre ja auch kein Unbekannter am Markt. Er habe bisher nur Gutes über ihn gehört. Rhabarber, Rhabarber … Und am Schluss: „Na, Sie machen das schon, Martens.“ Martens nickt abwesend und verlässt das Büro. Der Chef ist zufrieden mit sich: „Es ist doch gut, wenn man immer mal das Vier-Augen-Gespräch sucht …“
Aussitzen statt Antworten
So in der Art läuft es in der Regel ab, das Frage-Antwort-Spiel zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Der Mitarbeiter schmeißt einen Brocken hin – und der Chef monologisiert. Der eine redet, der andere spielt Tetris im Kopf, bis es vorüber ist. Ein echtes Gespräch sieht anders aus. Und eins bleibt dabei völlig auf der Strecke: die Information. Denn am Ende hat der Chef überhaupt keine Ahnung, wie das Projekt läuft. Möglicherweise kämpft Martens mit einem widerspenstigen Kollegen – und die Führungskraft könnte schlichten. Vielleicht hakt es in der IT – und der Chef könnte ein gutes Wort einlegen. Schließlich spielt er mit dem IT-Abteilungsleiter regelmäßig Tennis. Er könnte helfen. Wenn er es wüsste.
Doch der Mitarbeiter will schnell raus aus dem Büro, raus aus der Befragung. Und er weiß: Wenn er nur eine Sekunde aushält, dann geht das Gespräch an ihm vorüber. Dann macht der Chef das klar, und er ist raus aus der Nummer.
Zuhören statt Senden
„Wenn du Cola willst, dann wirst du keinen Kaffee bestellen“, so Olaf Kapinski, IT-Führungskräfte-Coach und Herausgeber des „Leben-Führen“-Podcast. „Und wenn du als Führungskraft etwas erfahren willst, dann hilft es dir eben nicht, wenn du die ganze Zeit redest.“ Ernsthafte Informationen fließen nur, wenn derjenige, der etwas wissen will, auch ins Schweigen geht. Klingt nach einer Selbstverständlichkeit, ist es aber nicht. Vielmehr ist das Gros der Führungskräfte ausschließlich auf „Senden“ programmiert.
„Die Chefetage ist es gewohnt, Ratschläge zu erteilen, Schritte vorzugeben oder auch einfach nur die eigene Meinung wortreich kundzutun“, weiß Kapinski, selbst viele Jahre Führungskraft, aus eigener Erfahrung. Ein Grund für diese Routine sei die Angst vor Kontrollverlust, ist Kapinski überzeugt. „Wer redet, behält die Fäden in der Hand. Antworten vom Gesprächspartner hingegen sind unberechenbar.“
„Irgendwann hab ich mal etwas Verrücktes ausprobiert“, erinnert sich der Coach an ein Schlüsselerlebnis: „Ich erkundigte mich bei meinem Mitarbeiter nach dem Stand der Dinge in einem konkreten IT-Projekt. Mich hat das wirklich interessiert, ich wollte, dass er mich richtig ins Bild setzt. Nach dem gewohnt knappen Feedback verharrte ich also noch etwas. Ich schaute ihn an und wartete. Und dann, plötzlich, öffneten sich ganze Scheunentore. Mein Gegenüber kam regelrecht ins Plaudern.“
Genau dieses Abwarten fällt Führungskräften ungeheuer schwer. Und nicht nur ihnen. Wenn wir ehrlich sind, dann ist es für viele Menschen unangenehm, Stille zuzulassen. Schnell reden wir rein in dieses vermeintlich peinliche Schweigen. Wir fühlen uns getrieben, noch Worte nachzuschieben. Verständlich. Wenn es nicht gerade ein verträumtes Miteinander-auf- den-See-Schauen ist, dann ist Schweigen eher nicht der Stimmungsaufheller vor dem Herrn. „Es geht aber nicht darum, per se bei jeder Gelegenheit in ein fragendes Schweigen zu verfallen“, erklärt Kapinski. „Wenn sich beide in der Situation rundum wohl fühlen sollen, dann redet der, der gerade reden will. Fertig. Wenn du aber von deinem Gegenüber etwas wissen willst, dann ist Schweigen genau das passende Werkzeug – und dann musst du die unangenehmen drei Sekunden in Kauf nehmen.“
Wie geht gutes Schweigen
Du hast dir als Führungskraft fest vorgenommen abzuwarten und deinen Mitarbeiter reden zu lassen. Doch wie fängst du das am besten an? Wie gehst du mit dem ständigen Drang um, verbal reinzugrätschen? Schäfchen zählen? Schon mal den Einkaufszettel für heute Abend vordenken? „Keine gute Idee“, rät Kapinski ab. „Dein Gegenüber merkt ganz genau, wenn du mit deinen Gedanken woanders bist.“ Er verrät zwei Tricks, die dich beschäftigen – und zwar so, dass du mit allen Sinnen bei deinem Gesprächspartner bleibst:
- Schau dir den Herzschlag deines Gegenübers an. Das klingt vielleicht etwas abgefahren. Aber es signalisiert glaubwürdig: „Ich bin bei dir. Ich kümmere mich um dich!“
- Geh auf die Metaebene. Menschen ticken verschieden. Finde heraus, wie dein Gegenüber seine Umwelt wahrnimmt. Ist er oder sie ein visueller Typ? Oder spricht er eher auf akustische oder geschmackliche Reize an? Mit dieser Methode schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe. Du bist nicht nur hoch konzentriert bei dem, was dein Gegenüber erzählt, sondern du lernst ihn dabei auch noch besser kennen und kannst dich im Gespräch darauf einstellen.
„Ich empfehle meinen Kunden, das ungewohnte Schweigen zunächst nur ein paar Sekunden auszuprobieren“, so Kapinski. „Es geht nicht darum, schlechte Stimmung zu verbreiten. Die Führungskraft sollte also einen Rahmen finden, der sich noch authentisch anfühlt.“
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Das fällt auch vielen Beratern ziemlich schwer =)