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Bis zu 29 Millionen Tonnen Wasserstoff: Forscher berechnen, wie viel des Gases bei Erdbeben entstehen könnte

Ein Team von Geowissenschaftler:innen zeigt in Forschungen, dass unter den Verwerfungen, die Erdbeben hinterlassen, besonders reiche Wasserstoff-Vorkommen liegen könnten. Was wie eine gute Nachricht für die Klimaziele klingt, ist jedoch nicht so einfach.

Von Hanns-J. Neubert
4 Min.
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(Bild: Alexander Limbach / Shutterstock)

Wasserstoff ist ein Schlüsselelement in der Energiewende: Ohne das Gas werden die Klimaziele nicht erreicht. Da wäre es eine glückliche Fügung, wenn sich Wasserstoff, genau wie Erdgas, einfach aus der Erde holen ließe. Denn will man derzeit wirklich klimaneutralen („grünen“) Wasserstoff mittels Elektrolyseuren herstellen, benötigt man dazu viel Strom aus erneuerbaren Energien, der auch anderweitig dringend gebraucht wird.

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Doch es gibt sie weltweit, die ergiebigen Wasserstoff-Lagerstätten in der Erde. Sie sind zwar relativ selten, weil das Wasserstoffmolekül sehr klein ist und nur von ganz besonders dichten Erdschichten am Ausgasen gehindert werden kann. Dafür ist die natürliche Wasserstoff-Produktion aber ein andauernder, kontinuierlicher Prozess.

Wie weißer Wasserstoff entsteht

Dieser sogenannte „weiße“ Wasserstoff entsteht, wenn eisen- oder magnesiumhaltiges Gestein chemisch mit Wasser regiert. Das ist eine natürliche, gleichzeitig aber recht schnelle Reaktion, die sich Serpentinisierung nennt.

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Auch radioaktive Spurenelemente spalten Wassermoleküle durch ihre Strahlung. Aber dieser Radiolyse genannte Vorgang ist ein geologisch äußerst langsamer Prozess.

Noch ist nicht ganz klar, wo genau Geolog:innen eigentlich suchen müssen, um Stellen zu finden, an denen viel von diesem geogenen Wasserstoff entsteht und vor allem, wo er sich in solcher Menge staut, um wirtschaftlich förderbar zu sein.

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Da ist eine französische Arbeitsgruppe um den Geowissenschaftler Nicolas Lefeuvre von der Universität Grenoble Alpes einen großen Schritt weitergekommen. Ihre Forschungen zeigten jetzt, dass unter den Verwerfungen, die Erdbeben hinterlassen, besonders reiche Wasserstoff-Vorkommen liegen könnten. Denn bei Erdbeben verschieben sich tektonische Platten, wobei riesige Mengen an Gestein zerbrechen. Reagiert das mit Wasser, kann Wasserstoff entstehen.

Dass nennenswerte Mengen an Wasserstoffgas in Böden über seismisch aktiven Verwerfungen entweichen, ist bereits seit den 1980er Jahren bekannt. Steigen die Ausgasungen an diesen Stellen an, könnte ein Erdbeben bevorstehen.

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Warum Wasserstoff bei Erdbeben entsteht

Einerseits setzen Erdbeben durch die Gesteinsbewegungen bis dahin eingeschlossene Gase frei, darunter auch Wasserstoff. Wichtiger aber ist andererseits, dass Wasserstoff auch direkt erzeugt wird, wenn das Gestein in Verwerfungszonen zerbricht. Kommen die frisch gebrochenen Mineraloberflächen mit Wasser in Kontakt, bilden sich sehr reaktionsfreudige Radikale, also Atome oder Moleküle, denen ein Elektron fehlt. Sie verbinden sich sehr schnell zu Wasserstoff und Wasserstoffperoxid.

Erdbeben sind also nicht nur Zonen, in den sich große mechanische Kräfte entladen, sondern auch Orte chemischer Aktivität, die durch die mechanischen Änderungen getriggert werden.

Aber nicht nur in Erdbebengebieten entsteht Wasserstoff. „Außerhalb von Verwerfungszonen findet die Wasserstoff-Produktion auch in anderen natürlichen Zusammenhängen statt, etwa bei der Abtragung von Grundgestein bei Gletscherbewegungen“, schreiben die Autoren der Studie. „Darüber hinaus können künstliche Aktivitäten, wie Bohrungen in Gestein, zur Wasserstoff-Bildung führen.“

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Erdbeben in einer Gesteinsmühle simuliert

Welche Mengen an Wasserstoff bei Erdbeben entstehen könnten, untersuchten die französischen Forscher im Labor. Sie nahmen Quarzstücke mit unterschiedlichem Siliziumdioxidgehalt und zerkleinerten sie in einer Gesteinsmühle zusammen mit Wasser. Anschließend bestimmten sie die Menge an Wasserstoff, die dabei entstand. Indem sie die Geschwindigkeit der Kugelmühle veränderten, konnten sie simulieren, wie das Quarz bei Erdbeben unterschiedlicher Stärke zerbrechen würde.

Ihre Schätzung: In jedem Jahr dürften bei Beben der Stärke vier bis zu 29 Millionen Tonnen freies Wasserstoffgas entstehen – theoretisch gut für 966 Terawattstunden Energie – ausreichend, um Deutschland zwei Jahre lang mit Strom zu versorgen.

Das ist eine Maximalschätzung, die voraussetzt, dass jede Verwerfung ausschließlich Quarzmineralien enthält. Erdbeben-Verwerfungen könnten also ein guter Ort für die Suche nach Wasserstoff-Vorkommen sein, sagt Lefeuvre und vermutet, dass ein Teil des Wasserstoffs innerhalb der Verwerfung unter undurchlässigen Schichten gefangen ist.

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Geoffrey Ellis vom US Geological Survey, einer der bekanntesten Forscher in Sachen geogener Wasserstoff, zeigt sich jedoch skeptisch. Er weist darauf hin, dass sich bei Erbeben auch jede Menge Flüssigkeit bildet, sodass es schwierig sein könnte, den Wasserstoff überhaupt abzuscheiden.

Mithilfe numerischer Modelle kamen jetzt Frank Zwaan und sein Team von der Sektion „Geodynamische Modellierung“ am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften in Potsdam weiteren natürlichen Wasserstoff-Hotspots auf die Spur. Die Modelle machten solche Stellen dort aus, wo sogenanntes Mantelgestein mit Wasser reagiert.

Auch in Gebirgen könnte Wasserstoff-Entstehung gut sein

Mineralien des Erdmantels liegen üblicherweise in mindestens 30 Kilometern Tiefe, also unterhalb der Erdkruste. Damit die Gesteine mit Wasser in Berührung kommen können, um chemisch reagieren zu können, müssen sie an die Oberfläche gelangen. Das passiert zum einen, wenn sich Erdplatten voneinander wegbewegen. Dort entstehen dann Grabenbrüche, Rifts genannt, in denen Mantelmaterial aufsteigen kann. Zum anderen wird Mantelgestein bei der Kollision von Erdplatten an die Oberfläche gedrückt, wie beispielsweise in den Pyrenäen und den Alpen.

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Weil in Gebirgszügen mehr Wasser zirkuliert, als in Grabenbrüchen, dürften hier die Bedingungen für die natürliche Wasserstoff-Entstehung besonders gut sein. Hinzu kommt, dass in Gebirgen mehr dichte Speichergesteine vorhanden sind, unter denen sich wirtschaftlich nutzbare Wasserstoffmengen anreichern könnten. In den Pyrenäen, den Alpen und im Balkan werden bereits Explorationen durchgeführt.

Doch die Funde dürften leider nicht wesentlich dazu beitragen, die Klimaziele der EU bis 2030 oder 2050 einfacher zu erreichen. Denn bis die Technik zu deren Ausbeutung ausgereift ist, dürften noch einige Jahre vergehen. Auch noch nicht vollständig geklärt ist die indirekte Klimawirkung des Wasserstoffs durch Transportlecks.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 13.05.2025 veröffentlicht, interessiert jedoch immer noch sehr viele unserer Leser:innen. Deshalb haben wir ihn hier nochmals zur Verfügung gestellt.

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