
Direktvertrieb wird für viele Unternehmen relevanter. (Foto: Drozd Irina / shutterstock)
Schaut man bei all dem Hype auf die Zahlen, so wird für den D2C-Markt in 2021 ein Wachstum von 19,2 Prozent prognostiziert. In den meisten Branchen haben D2C-Brands erst einstellige Marktanteile, allerdings sind deutliche Signale am Horizont zu erkennen, dass in boomenden Segmenten wie Fashion oder Kosmetik oder speziellen Nischen in den nächsten Jahren deutlich zweistellige Marktanteile erreicht werden können.
Die folgenden fünf Schritte skizzieren, wie man ein datengetriebenes D2C-Modell entwickelt und die richtigen Erfolgsfaktoren langfristig im Blick behält.
1. Das Bauchgefühl systematisieren
Beim Aufbau einer D2C-Brand sollte man zuerst die Morphologie der Marken verstehen. Typologisch gibt es Marken, die nur über ein Produkt oder in einer Warengruppe funktionieren. In Bezug auf das Fulfillment sind die Gebindegröße und die daraus resultierenden Versand- und Verpackungskosten entscheidend. Kann das Business-Modell nicht mindestens eine Marge von mehr als 28 Prozent auf den Deckungsbeitrag eins aufweisen, wird ein wirtschaftlicher Betrieb schwierig, da Bezahldienst-, Marktplatz- und Marketingkosten einen Großteil des Ertrags beanspruchen. Erfolgreiche Beispiele sind D2C-Urgestein-Marken wie Casper und Warby & Parker. In beiden Fällen handelt es sich um Single-Product- beziehungsweise Single-Category-Brands mit einem hohen Margen-Anteil im Vergleich zum stationären Wettbewerb. Bei der Planung helfen diese Rahmenparameter.
Daten sind eine weitere Möglichkeit, den klassischen Innovationsprozess zu unterfüttern, im Vorfeld eine Bedarfsanalyse zu machen und Konsumenten-Insights sowie Preis- und Sortimentsstrukturen vom Wettbewerb abzuleiten. Eine Datenbasis, die im Innovationszyklus hilfreich sein kann, ist die KI-basierte Software Praidict, die 24 Monate im Voraus die Mindsets und Kaufabsichten der Konsumenten beleuchtet.
Ein gutes Bauchgefühl lässt sich in Bezug auf eine Produktidee sicherlich nie ganz ersetzen, auch die klassischen Felder der Trend- und Marktforschung bleiben bestehen, werden aber um eine weitere Datenebene unterfüttert. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Innovationsprozess von D2C-Brands sind also Daten und deren strategischer Einsatz.
2. Das Risiko minimieren
D2C-Marken sind „Test & Learn“-Marken. Das bedeutet nicht, dass es günstiger ist, sie in den Markt zu launchen, jedoch kann der direkte Weg kontrolliert werden. Eine Möglichkeit, die Resonanz im Vorfeld zu überprüfen, sind sogenannte Fake-Door-Tests. Noch bevor das Produkt produziert wird, wird das Konzept unter anderem Namen in der Zielgruppe getestet.
Die Plattform www.direct-brands.de bietet auf Basis ihrer Datenbank mit über 1.000 D2C-Brands die Möglichkeit, über Branchen hinweg eingesetzte Technologien und Tools zu analysieren sowie nach Blueprints und Mustern für typische Marketing- und Vertriebsaktivitäten auf Branchenebene zu suchen. Im Prinzip ein Reverse Engineering von D2C-Marken, das neben allen wesentlichen Erfolgskriterien auch die Marken-DNA erklären kann. Was zählt, sind Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit, Transparenz und eine glaubwürdige Story, denn die ist meist die Grundlage für Resonanz. Bewertungskriterien wie Neuartigkeit, Glaubwürdigkeit, Durchführbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Funktionalität bleiben bestehen, werden nur durch Daten angereichert.
Um eine D2C-Marke erfolgreich zu etablieren, kann aus Erfahrungswerten von einem Investment von bis zu einer Millionen Euro im ersten Jahr ausgegangen werden. Da ergibt es durchaus Sinn, Potentiale und Risiken im Vorfeld zu eruieren.
3. Den richtigen Distributionsansatz finden
Grundsätzlich gibt es nicht den einen Erfolgsansatz beim Vertrieb. Was für die eine Marke gilt, gilt noch längst nicht für die andere. Dass die Präferenz vieler D2C-Marken auf SaaS-Systemen wie Shopify liegt, ist bekannt. Weniger bekannt ist jedoch, dass innerhalb einer Branche auch Präferenzen für Shop-Extensions oder Apps bestehen. Eine Analyse bringt es auf den Punkt: Wer die Präferenzen erfolgreicher D2C-Marken innerhalb einer Branche kennt, liegt wahrscheinlich nicht daneben. Oder geht bewusst einen Sonderweg. Betrachten wir Casper und Warby & Parker, so lassen sich Überschneidungen in Bezug auf Kanäle und Services wie „Home Try-on“ feststellen.
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Grundsätzlich muss man beim Direktvertrieb zwei Ebenen unterscheiden: First Party sind nur der eigene Webshop und der Vertrieb via Social Selling. Als Second Party ist der Verkauf über Retailer und Marktplätze anzusehen. Um als Direktmarke verstanden zu werden, braucht es nicht zwingend einen eigenen Onlineshop. Viele Marken starten mit Attributionsmodellen, zum Beispiel über Amazon und ausgewählte Online-Retailer, um die eigenen Investitionskosten gering zu halten. Die größte Herausforderung ist, schnell zu sein und alle Kanäle und Stacks transparent zu bekommen.
4. Die nötigen Strukturen schaffen
Um als Unternehmen handlungsfähig und schnell zu sein, braucht es neue Strukturen: Anbindung von Warenwirtschaftssystemen und neuen Monitoring-Tools, Aufbau von Insights und Daten über den Endkunden, Customer-Journey(s) und neue Social-Media-Kenntnisse, Ergänzung bestehender Marketingansätze sowie Entwicklung des gesamten D2C-Kaufprozesses, der Logistik, Retouren und Serviceebene. Hinzu kommen neue Dienstleister, die gesteuert und eingebunden werden müssen.
Neben diesen strukturellen Themen müssen sich auch die Organisation und die Kultur des Unternehmens verändern, denn plötzlich ist man nah dran am Endkunden und D2C-Marken werden maßgeblich über die Experience gebaut. Anders gesagt: Die Markenwahrnehmung wird maßgeblich durch Reviews, Kommentare, Blogposts und Chatverläufe geprägt. Das bedeutet, Marken brauchen einen Prozess zur Modellierung und zur Qualitätskontrolle der Kundenerlebnisse. Der große Vorteil ist die Eins-zu-eins-Beziehungsdimension. Dieses rote Telefon sollte nicht nur immer besetzt, informativ und hilfreich sein, sondern sich mit konstanten Impulsen beim Konsumenten melden. Bewertungskriterien wie Effizienz, Fehlerfreiheit, Kontinuität, Zugänglichkeit und Zuverlässigkeit müssen entwickelt und gegen den Status quo und den Wettbewerb bewertet werden, um die Experience zu verbessern.
5. Die richtigen Parameter bewerten
Jedes Erlebnis vom Markenerlebnis über das Kauferlebnis bis hin zum Aftersales und Serviceerlebnis hat seine ganz eigenen KPI. Betrachtet man nur die Verkaufszahlen, geht es um Net-Sales, den Umsatz pro Besucher, den durchschnittlichen Warenkorbwert, die Anzahl der Transaktionen und den Customer-Lifetime-Value. Schaut man in die Marketing-Performance, geht es meist um Traffic und Conversion zum Shop.
Wichtig ist aber auch, die Aftersales-Parameter im Auge zu behalten: Retouren, Anzahl der Servicefragen und Reviews, Qualität der Reviews, Response-Zeiten und was in der Presse über die Marke, die Produkte und das Service-Erlebnis berichtet wird. Alle diese Werte kontinuierlich zu erfassen, zu bewerten und zu optimieren, ist eine der größten Challenges.
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Fazit
Beeindruckend ist auf jeden Fall die Geschwindigkeit, mit der neue D2C-Marken entstehen. Noch werden diese Marken nicht als relevante Wettbewerber erfasst, sondern fallen oftmals durchs Raster. Es gibt bis dato auch nur wenige wirklich erfolgreiche D2C-Marken von großen Unternehmen, aber wenn man fünf Jahre in die Zukunft schaut, lässt sich hier eine deutliche Veränderung antizipieren.