Mister-Spex-Geschäftsführer Mirko Caspar: „Unser Laden ist keine reine Marketingaktion“
Mister Spex und der stationäre Handel
Online hat sich Mister Spex als Brillenhändler etabliert: Das Startup zählt zwei Millionen Nutzer, es hat fast 70 Millionen Dollar an Finanzierung erhalten. Nun geht das Unternehmen offline: In einem Einkaufszentrum am Berliner Alexanderplatz hat der Online-Brillenverkäufer sein erstes Geschäft eröffnet und wagt sich damit in den stationären Handel.
Für die Plattform ein „konsequenter Schritt“, wie Geschäftsführer Mirko Caspar sagt. Im Interview hat er uns erklärt, was sich Mister Spex von dem Laden verspricht, warum er mehr als eine PR-Aktion sein soll – und wie es mit einem Exit aussieht.
t3n.de: Mirko, ihr betreibt mit Mister Spex seit kurzem euren ersten stationären Laden in Berlin. Warum habt ihr euch entschieden, offline zu gehen?
Mirko Caspar: Wir haben uns überlegt, wie für uns der nächste Schritt aussieht. Wir kooperieren bereits seit 2011 mit Partneroptikern, mittlerweile sind es 550. Dadurch bieten wir unseren Service schon im stationären Handel an: Wenn jemand einen Sehtest braucht oder die Kontaktlinsen angepasst werden müssen, dann bekommt er sie dort. Uns war früh wichtig, die Vorteile von Online und Offline zu verknüpfen.
t3n.de: Warum dann noch der eigene Shop?
Caspar: Bei einem Partnerunternehmen können wir nur bedingt testen, was offline funktioniert. Wir können ja schlecht zu einem Optiker fahren und ihm sagen, er solle doch die Brillen mal anders sortieren. Hier, in unserem Store im Berlin, können wir das machen. Der stationäre Laden ist der nächste konsequente Schritt für uns, er ist eine Art Lernlabor – auch, um das Partnerprogramm sinnvoll langfristig weiterzuentwickeln.
t3n.de: Du hast gerade von einem „konsequenten Schritt“ gesprochen. Dabei habt ihr jahrelang propagiert: Offline ist uncool, kommt zu uns in den Onlineshop. Was macht den stationären Handel jetzt doch so cool?
Caspar: Mit unserem Geschäft haben wir uns einen weiteren Kommunikationskanal geschaffen. Wir können dadurch noch mehr Menschen erklären, was wir machen – online und offline. Es gibt einfach Kunden, die sich einen Brillenkauf online noch nicht vorstellen können. Für sie bieten wir nun eine Alternative, die ihnen vor Ort erklärt, wie einfach sie diesen Prozess des Brillenkaufs zukünftig auch online nutzen können. Um das noch mal deutlich zu sagen: Online bleibt unser Kerngeschäft. Wir werden jetzt nicht das, was wir aufgebaut haben, wegwerfen und nur noch stationären Handel betreiben.
t3n.de: Wie unterscheidet ihr euch von anderen Optikern?
Caspar: Wir probieren aus. So haben wir im Store immer auch eine Onlinekomponente eingebaut. Wenn jemand beispielsweise eine Brille in einer bestimmten Farbe haben will, diese aber nicht vorrätig ist, kann er sie direkt im Geschäft auf einem Tablet online bestellen. Wir haben auch die Brillen nicht verschlossen in Glasschränken liegen. Bei uns können sich die Kunden die Brillen selbst nehmen und testen. Eine sehr wichtige Besonderheit. Bei Mister Spex beinhaltet der Preis der Brille auch die Gläser. Der Kunde zahlt also das, was wirklich drauf steht. Alles angelehnt an unsere Online-Prozesse und Angebote.
t3n.de: Welche Ziele habt ihr euch für den Laden gesetzt, zum Beispiel beim Umsatz?
Caspar: Genaue Zahlen kann ich leider nicht sagen. Was ich sagen kann: Das, was wir erreichen müssen, damit dieser Laden für uns ein Erfolg ist, das haben wir jetzt schon erreicht.
t3n.de: Weil die Ziele so niedrig waren?
Caspar: Nein. Wir haben gesagt, dass der Betrieb für uns profitabel sein muss. Das ist keine reine Marketingaktion, das ist kein reines Lernlabor. Wir wollen am Ende auch damit Geld verdienen. Und wir verdienen mit dem Store Geld.
t3n.de: Online lässt sich besser skalieren, weil nur wenige Kosten anfallen. Mit einem stationären Geschäft ist das schon schwieriger, ihr zahlt jetzt zusätzlich Personal, Miete, Infrastruktur. Überwiegen nicht die Vorteile im Onlinehandel?
Caspar: Ja, schon. Ich kann mein Angebot zentral ausbauen, ich kann große Mengen zur Verfügung stellen, ich kann Vertrauen aufbauen. Aber wenn man damit einmal erfolgreich ist, vereinfacht das den Einstieg ins stationäre Geschäft enorm. Nach Fielmann und Apollo sind wir heute die drittbekannteste Marke in Deutschland, die Kunden kennen uns also schon und wissen, was wir machen. Außerdem haben wir schon viel gelernt, das wir jetzt anwenden können. Wenn wir es umgekehrt gemacht und erst stationäre Läden aufgebaut hätten, wäre das deutlich schwieriger gewesen.
t3n.de: Warum?
Caspar: Weil es länger dauert. Erstens ist die Bekanntheit und das Vertrauen für die Marke noch nicht da. Zweitens müsstest du erst einmal ausprobieren, was funktioniert, und mit jedem Laden deine Erfahrungen sammeln. Das passiert aber nur sehr langsam. Und drittens: Wenn etwas schief geht, dann sitzt du auf einem Zehnjahresmietvertrag. Online hingegen kannst du sehr viel schneller reagieren.
„Mit dem direkten Wettbewerb macht eine Kooperation wenig Sinn.“
t3n.de: Ihr betreibt ja wie bereits angesprochen sogenannte Shop-in-Shop-Lösungen. Hättet ihr nicht auch mit Fielmann oder Apollo kooperieren und euch den Zehnjahresvertrag sparen können?
Caspar: Mit dem direkten Wettbewerb macht eine Kooperation wenig Sinn. Shop-in-Shop-Lösungen sind ja Partnerschaften, von denen beide profitieren müssen. Fielmann und Apollo haben bereits bundesweite Strukturen. Einen Mehrwert bieten wir eher kleinen Optikern, denen wir weitere Vertriebskanäle schaffen – TV, Print, Online.
t3n.de: Fielmann hat doch auch keinen Onlineshop.
Caspar: Ja, aber wir müssen erst einmal unser eigenes Ding machen. Wir wollen mit Mister Spex eine Marke aufbauen, die für eine neue Art des Brillenkaufs steht.
t3n.de: Also schließt ihr eine Kooperation mit bekannten Marken komplett aus?
Caspar: Wenn jemand kommen und investieren wollen würde, dann sind wir prinzipiell offen. Deswegen kooperieren wir ja auch mit Finanzinvestoren. Aber wir müssen unseren Weg weiter gehen können. Wenn das nicht möglich ist, macht es für uns keinen Sinn Kooperation einzugehen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass einer der genannten Konkurrenten käme und uns genauso weiteragieren ließe wie bisher, die ist klein.
t3n.de: Apropos Investitionen: Mister-Spex-Gründer Dirk Graber hat in einem Interview mit der „Welt“ gesagt, in den nächsten 18 bis 36 Monaten stünde ein Exit oder Börsengang an. Wie ist der aktuelle Stand?
Caspar: Ein Börsengang ist für jedes Startup und jeden Investor eine Option, um Kapital zu erhalten oder Geld zu machen. Auch für uns ist das eine Option. Aber es gibt keine konkreten Pläne.
t3n.de: Das klang bei Dirk Graber noch anders.
Caspar: Ja, aber das Zitat ist missverständlich. Was er meinte: Die Voraussetzungen, dass ein Exit oder ein Börsengang zu einer ernsthaften Option wird, könnten in 18 bis 36 Monate eher vorhanden sein. Aber selbst dann ist nicht gesagt, dass das konkret wird.
„Es gibt aktuell keine Drucksituation“
t3n.de: Warum muss es denn immer ein Exit sein?
Caspar: Man muss da unterscheiden: Für die Gründer wäre ein IPO nicht automatisch ein Exit. Nehmen wir Amazon, Zalando, Google oder Facebook: Da sind die Gründer bis heute aktiv. Deswegen würde sich für sie gar nicht so viel ändern. Für das Unternehmen hingegen ist es eine Finanzierungsmöglichkeit, bei der die Firma Geld aufnehmen kann, um weiter zu wachsen – genau wie bei jeder anderen Kapitalspritze.
t3n.de: Aber für die Geldgeber wäre es ein Exit.
Caspar: Klar. Die Investoren wollen natürlich irgendwann Geld machen. Aber das kann über einen IPO sein, das kann über einen Teil-Exit an einen nächsten Investor sein, das kann über einen kompletten Verkauf an jemand anders sein.
t3n.de: Und die Finanziers drängen bei Mister Spex nicht darauf?
Caspar: Sagen wir mal so: 2015 haben wir ja zuletzt eine Finanzierung erhalten. Und es gab mehr Leute, die bei Mister Spex investieren wollten, als wir brauchten. Die alten Geldgeber hätten also durchaus verdienen können. Aber sie haben gesagt, dass sie dabei bleiben. Und die neuen sind gerade erst reingekommen. Deswegen gibt es da aktuell keine Drucksituation.
t3n.de: Mirko, vielen Dank für das Gespräch.