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Statt Zahnimplantat: Forscher lassen menschliche Ersatzzähne in Minischweinen wachsen

Bisherige Zahnimplantate wachsen nicht immer richtig ein und bereiten dann Probleme. Deshalb arbeiten Forscher:innen an biologischen Alternativen und sind jetzt ein Stück weitergekommen.

Von MIT Technology Review Online
4 Min.
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Bei Zahnschmerzen schrillen bei den meisten Betroffenen sogleich die Alarmglocken. (Foto: Shutterstock/Pressmaster)

Wenn man einen bleibenden Zahn verliert, sind die Ersatzmöglichkeiten begrenzt. Meist kann man nur zwischen Titanimplantaten oder Kunststoffprothesen wählen. Doch Wissenschaftler:innen arbeiten an einer neuen Alternative: menschliche Zähne, im Labor gezüchtet. Sie sollen eines Tages beschädigte Zähne ersetzen.

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Pamela Yelick und Weibo Zhang von der Tufts University School of Dental Medicine in Boston haben auf biotechnischem Weg eine Mischung aus Schweine- und menschlichen Zahnzellen auf einem Gerüst aus Schweinezähnen gezüchtet, um Strukturen zu schaffen, die echten menschlichen Zähnen ähneln. „[Yelick] hat Grundlagenforschung angewandt, um einen Zahn zu entwickeln“, sagt die Zahnärztin Cristiane Miranda França, die an der Oregon Health & Science University in Portland forscht und nicht an der Arbeit beteiligt war. „Es ist erstaunlich.“

Wie menschliche Zähne aufgebaut sind

Im Inneren von gesunden Zähnen sitzt das Zahnmark, im Fachjargon Pulpa genannt. Sie enthält Nerven und Blutgefäße und ist von Hartgewebeschichten umgeben. Die innere harte Schicht heißt Dentin, die im Wurzelbereich von einer Zementschicht und im Kronenbereich vom Zahnschmelz bedeckt ist. Diese äußeren Schichten sind außerordentlich widerstandsfähig, vor allem der Zahnschmelz, der als das härteste Gewebe im Körper gilt.

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Allerdings können sie von Bakterien angegriffen werden, die Karies verursachen. Erreicht dieser Zerfall die Zahnpulpa, kann das wehtun – sehr sogar. Zahnärzt:innen können kariöse Stellen entfernen und sie durch Füllungen ersetzen, die in der Regel bis zu 15 Jahre halten. Dann aber müssen sie ersetzt werden, und jedes Mal muss mehr vom Zahn weggeschnitten werden. „Irgendwann ist es fast unvermeidlich, dass die Person den Zahn verliert“, sagt França.

Zahnimplantate reichen nicht ans Original heran

Wer heute einen Zahn verliert, kann ihn durch ein Zahnimplantat ersetzen lassen. Diese Implantate bestehen aus einer Titanschraube, die im Kieferknochen verankert und in der Regel mit einer zahnähnlichen Porzellankrone versehen wird. Sie sehen wie Zähne aus und man kann mit ihnen beißen und kauen, aber sie reichen trotzdem nicht an echte Zähne heran.

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Wenn das Implantat nicht perfekt auf die vorhandenen Zähne ausgerichtet wird, können beim Kauen und Beißen ungleichmäßige Kräfte auf den umgebenden Kieferknochen übertragen werden und ihn beschädigen, sagt Yelick. Bakterien können sich an den Implantaten festsetzen und manchmal eine Peri-Implantitis genannte Infektion verursachen, die zu Knochenschwund führen kann.

„Es ist sehr schwierig, ein Implantat zu ersetzen, denn zunächst muss der gesamte Knochen, der im Laufe der Zeit abgebaut wurde, wieder aufgebaut werden“, sagt Yelick. Seit einigen Jahrzehnten arbeitet sie daran, menschenähnlichen Zahnersatz zu schaffen, indem sie Zellen von echten Zähnen verwendet und sie im Labor zu zahnähnlichen Strukturen züchtet. „Wir versuchen, funktionelle Ersatzzähne zu schaffen“, sagt sie.

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Wie bei Schweinen Zähne wachsen

Für ihre Forschung verwendet Yelick Schweinekiefer, die sie von Schlachthöfen bezieht. Da Schweinen im Laufe ihres Lebens mehrere Zahnreihen wachsen, enthalten die Kieferknochen sogenannte Zahnkeime, also noch nicht fertig entwickelte Zähne, die das Zahnfleisch noch nicht durchbrochen haben. Yelick und Zhang sammelten Zellen aus diesen Zähnen und brachten sie im Labor dazu, zu wachsen und sich zu vermehren, bis sie „mehrere zehn Millionen“ Zellen umfassten.

Die Zahnzellen von Schweinen wurden im Labor weitergezüchtet, sodass biologische Zähne wuchsen.

Die Zahnzellen von Schweinen wurden im Labor weitergezüchtet, sodass biologische Zähne wuchsen. (Foto: Oxford University Press)

In früheren Experimenten haben Yelick und andere Kollegen diese Zellen auf Gerüsten aus biologisch abbaubaren zahnförmigen Strukturen wachsen lassen und die Strukturen dann in Ratten implantiert. Da Ratten einen kleinen Kiefer haben, wurden die Gerüste unter die Bauchhaut der Tiere eingesetzt. „Das stört die Ratten nicht“, sagt Yelick.

Forschung: Menschliche Zähne im Labor züchten

Mit ihren Kolleg:innen stellte sie fest, dass sich die Zellen, sobald sie sich in einem lebenden Körper befanden, zu zahnähnlichen Strukturen organisieren. „Sie waren zwar klein, aber ihre Morphologie war identisch mit der von Zähnen, die sich in der Natur bilden“, sagt Yelick. Seitdem haben sie und ihre Kollegen daran gearbeitet, menschliche Zähne im Labor zu züchten. In ihrer jüngsten Forschung verwendeten Yelick und Zhang Zellen aus gespendeten menschlichen Zähnen. Als „natürlicheres“ Gerüst, auf dem diese Zellen wachsen sollten, nutzte das Team Zähne von Minischweinen, aus denen sie die lebenden Zellen entfernte.

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Auf diesen Gerüsten aus Schweinezahnstücken züchteten sie dann, ähnlich wie Yelick es zuvor getan hatte, eine Mischung aus Schweine- und menschlichen Zahnzellen. Nach einigen Wochen in einer Petrischale wurden die Zahnstrukturen in die Kiefer von sechs erwachsenen Minischweinen implantiert.

„Sie sind sehr zahnähnlich“

Zwei Monate später entfernte das Team die Zähne, um zu sehen, wie es ihnen ging. Sie stellten fest, dass sie begonnen hatten, auf ähnliche Weise zu wachsen wie gesunde erwachsene Zähne. Sie entwickelten sogar harte Schichten aus Zement und Dentin. „Sie sind sehr zahnähnlich“, sagt Yelick, der die Arbeit im Dezember in der Zeitschrift „Stem Cells Translational Medicine“ veröffentlichte. „Diese biotechnologisch hergestellten Zähne weisen Schlüsseleigenschaften von natürlichen Zähnen auf, die bei Titanimplantaten fehlen“, sagt França.

Die Entdeckung sei ein weiterer Schritt in die Richtung von im Labor gezüchteten, funktionellen, lebenden menschlichen Zähnen, die sich in das Zahnfleisch und den Kiefer eines Menschen integrieren können. „[Yelick und Zhang] beginnen, die Art und Weise zu entschlüsseln, wie die Natur die Zellen für die Herstellung von Zähnen kodiert“, sagt França weiter. „Und das ist wirklich beeindruckend.“

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„Noch sind es keine schön geformten Zähne“, sagt Yelick. „Aber wir sind optimistisch, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, einen funktionellen biologischen Zahnersatz zu schaffen, der bei Menschen eingesetzt werden kann, die Zahnersatz benötigen.“

Dieser Artikel stammt von Jessica Hamzelou. Sie ist Senior Reporter bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und schreibt über Biomedizin und Biotechnologie.
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