Trump, Musk und die Technologiepolitik: Für Europas digitale Zukunft steht viel auf dem Spiel - t3n

Trumps Rückkehr in das Weiße Haus lässt das Silicon Valley mit der Regierung verschmelzen. Das könnte zum ultimativen Test für Europas digitale Zukunft werden. Dieses Mal habe ich nicht denselben Fehler gemacht. Im Jahr 2016 ging ich früh zu Bett, in der Hoffnung, etwas Schlaf zu bekommen, bevor ich am nächsten Tag in die USA flog. Ich wachte von einer E-Mail auf. Als ich die Zeilen „In Zeiten wie diesen …“ las, wusste ich sofort, dass Trump die Wahl gewonnen hatte. Die Stimmung war düster, als das Flugzeug auf dem JFK landete. Post-it-Zettel in der U-Bahn dienten als improvisierte Nachwahltherapie für erschütterte, ängstliche Menschen. Im Laufe der Woche traf ich mich mit Think-Tanks, Cybersicherheitsexperten und Teams aller großen Technologieunternehmen im Silicon Valley. In der Bibliothek des Weißen Hauses entdeckte ich Trumps The Art of the Deal in einem Regal für Neuzugänge – ein passendes Symbolbild. Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 1/2025 von MIT Technology Review erschienen. Darin blicken wir auf die Zukunft verschiedener Tech-Bereiche. Hier könnt ihr die TR 1/2025 bestellen. Trump-Wahl: Die Lobbyisten freuen sich [caption id="attachment_1664677" align="alignright" width="266"] Frederike Kaltheuner berät den öffentlichen Sektor, Think-Tanks und multilaterale Organisationen zu internationaler Digitalpolitik. (Foto: Alena Schmick)[/caption] Die Einzigen, die sich offen über das Ergebnis freuten, waren Unternehmenslobbyisten. Trumps Steuersenkungen für Firmen übertrafen ihre kühnsten Träume. Währenddessen diskutierten wir in einer Gruppe aus Expert:innen für Technologiepolitik, ob die sozialen Medien zu wenig gegen die gezielte Desinformation und Polarisierung getan haben. Acht Jahre später ist die Welt nicht wiederzuerkennen. Unsere damalige Vorstellung, dass Plattformen durch Fahrlässigkeit oder Unterlassen Mitverantwortung für den desolaten Zustand der Demokratie tragen, erscheint heute fast schon kurios. Heute hat Elon Musk offen für Trump geworben und ist nun Teil der neuen Regierung – während er weiterhin Milliarden an Regierungsaufträgen und Subventionen kassiert. Der designierte Vizepräsident J.D. Vance droht, der Nato die Unterstützung der USA zu entziehen, falls die EU die Regulierung von X vorantreibt. Und Trump hat versprochen, Bidens „woke“ Exekutivanordnung zur KI zu widerrufen – die wichtigste Richtlinie der USA für sichere und vertrauenswürdige KI. Was wir erleben, ist das, was Taylor Owen „Verschmelzung der Macht des Silicon Valley mit der Autorität des Staates“ nennt. Nur dass sich das altbekannte Streben nach Deregulierung jetzt hinter dem Kulturkampf gegen „wokes“ Gedankengut versteckt. Gefahr der Machtkonzentration in der Tech-Branche Wenn 2016 ein Weckruf war, sich mit dem desolaten Zustand der digitalen Öffentlichkeit auseinanderzusetzen, muss 2024 ein Weckruf sein, um endlich die Gefahren der Machtkonzentration in der Technologiebranche ernst zu nehmen. Die Regierung Biden hat zwar Anstrengungen bei der Durchsetzung des Kartellrechts unternommen – sie hat unter anderem Apple, Google, Amazon und Meta verklagt. Und sie hat eine ehrgeizige Exekutivverordnung zu KI erlassen. Aber ein Großteil der Politik wurde durch die Brille der nationalen Sicherheit betrachtet, die die USA in einem Wettrüsten mit China zeigt. Damit vermengen sich die Interessen (und die Dominanz) von führenden Digitalkonzernen mit den Interessen der nationalen Sicherheit. Digitale Zukunft: Europa braucht eine echte Vision Europa – die selbsternannte globale Regulierungsbehörde für den Technologiesektor – ist in eine ähnliche Dynamik verfallen. In den zehn Jahren, in denen ich zu Technologiepolitik in Europa arbeite, wird zwar reguliert, die eigentlichen Ursachen werden aber nicht angegangen: Trotz umfangreicher neuer digitaler Gesetze sind die digitalen Märkte immer ungleicher geworden. So ist der Markt für generative KI hochkonzentriert. Auch wenn es in Europa viele Startups gibt, werden die Chips und die Cloud-Infrastruktur dafür von einer Handvoll US-Firmen dominiert. Der öffentliche Sektor setzt weiterhin auf Microsoft Office und Amazon Web Services, statt europäische Lösungen zu fördern. All das macht uns abhängig. Europa braucht eine echte Vision, die über hohle Slogans wie „Souveränität“ oder „KI-Führung“ hinausgeht. Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Art von digitaler Zukunft wollen wir? Für Europa steht viel auf dem Spiel. Auch deshalb bin ich diesmal für die US-Wahl am 5. November wach geblieben. Dieser Artikel stammt von Frederike Kaltheuner.