Vernetzte Welt: Die mobile Gesellschaft im Wandel
Drahtlose mobile Kommunikation verändert die heutige Gesellschaft in einer Weise, die bisher ohne Vergleich ist. Sie eröffnet neue Möglichkeiten für die Erziehung von Kindern, bietet praktikable Lösungen für das Gesundheitssystem, erleichtert den Zugang zu Bildung, führt in die bargeldlose Gesellschaft – in Schweden wird über dieses Thema bereits diskutiert – und erlaubt Menschen in Entwicklungsländern die Vernetzung miteinander sowie mit der globalen Wirtschaft.
Auf diese Weise wird auch Reichtum besser verteilt – zumal sich Unternehmen generell fragen werden, wie sie jemals Geschäfte machen konnten, ohne sich in einem mobilen Ökosystem zu bewegen. Mobile Geräte werden darüber hinaus als Sensoren riesige Mengen an Daten sammeln, die dabei helfen, Dörfer und Städte zu smarten Orten zu machen. All diese außergewöhnlichen Möglichkeiten machen miteinander kombiniert die „Faszination der mobilen Gesellschaft“ aus.
Gesellschaft im Wandel
Ein gutes Beispiel für die neuen Möglichkeiten, die mobile Kommunikation heute bietet, ist die umstrittene Wahl, die im August 2010 in Kenia stattfand. So stellte der Service-Provider Mobile Planet seinen Nutzern minütliche Ergebnisse per SMS zur Verfügung. Außerdem wurde mit Ushahidi [1] (in Swahili Zeugenaussage) ein Open-Source-Mashup programmiert, das Textinformationen mit GPS-Daten und Google Maps kombiniert, um Gewalttaten zu verfolgen, aufzuzeichnen und diese schlichten zu können. Auch Barack Obama ergriff bei seinem Wahlkampf die Chance, seine Unterstützer mobil zu vernetzen.
Vint Cerf, einer der Väter des Internets, ist davon überzeugt, dass Mobile Computing zeitgemäße und geografisch
sowie gesellschaftlich relevante Informationen liefern wird. Beispiele dafür gibt es genug. Japanische Wissenschaftler haben beispielsweise vorgeschlagen, Daten von Fahrzeugscheibenwischern und GPS-Empfängern zu nutzen, um die Bewegungen von Wettersystemen innerhalb von Städten mit einer bisher nicht erreichten Präzision verfolgen zu können. Das Verständnis darüber, wie sich etwa ein Taifun durch eine Stadt bewegt, könnte es erleichtern, Leben zu retten. Weitere mögliche Anwendungsgebiete könnten demografische, intellektuelle und epidemologische Problemstellungen sein.
Mobile Konnektivität verbindet die Menschen mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Sie ermöglicht es, anderen Präsenz und Nähe zu signalisieren. Die Art und Weise, wie wir uns miteinander verbinden und wie wir Informationen organisieren, verteilen und miteinander teilen, verändert sich erheblich. Der Hauptfaktor, der die Geschäftswelt und die Gesellschaft beeinflussen wird, sind Daten, die räumliche Nähe aufzeigen, Empfehlungen ermöglichen und Verbindungen schaffen. Daten als veredelte Information werden damit zur Schlüsselwährung, mobile Kommunikation und Konnektivität zur ultimativen Triebfeder unserer vernetzten Welt.
Die Zukunft der Arbeit
Auch auf den Bereich Arbeit wird die mobile Kommunikationstechnologie in Zukunft enormen Einfluss haben und hat ihn bereits heute. Wie das aussehen kann, macht Natha Eagle mit seinem Unternehmen txteagle [2] vor. Txteagle sitzt in Kenia – ein Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung arbeitslos ist. Während Nathan Eagle an einem existierenden SMS-System arbeitete und dieses für Blutspender in dem lokalen Krankenhaus von Kilifi an der Küste Kenias adaptierte, erkannte er die Möglichkeit, mit Hilfe von mobilen Technologien eine neue Art der Vernetzung von gebildeten Arbeitslosen mit dem Arbeitsmarkt zu entwickeln.
txteagle erhält dabei eine aufgabenbezogene Arbeitsanfrage von einem Kunden und teilt diese in Micro-Tasks auf, die sich auf einem Mobiltelefon erledigen lassen. Diese Micro-Tasks, beispielsweise das Überprüfen von Fakten, Übersetzungen oder das Transkribieren von Audioaufnahmen, schickt das Unternehmen dann an Menschen in aller Welt. Beim Beispiel Transkription würde sich der Auftragnehmer einen kurzen Audio-Clip anhören, diesen aufschreiben und per SMS zurücksenden. Die Tasks lassen sich in der Regel in unter zwei Minuten erledigen, ein geübter Anwender kann auf diese Art etwa drei US-Dollar pro Stunde verdienen. Die Bezahlung erfolgt über die Mobile-Payment-Plattform M-Pesa, die acht Millionen Nutzer zählt.
Der Boston Globe bringt das Potenzial von txteagle in einem Artikel auf den Punkt: „Jeder, der ein Handy besitzt, kann diese Arbeiten verrichten: eine Sekretärin, die auf den Bus wartet; ein Masai-Stammesmitglied, das eine Herde Rinder hütet; ein Student, der zwischen zwei Kursen etwas Zeit hat; ein Wachmann an einem ereignislosen Tag oder einer von Kenias Abermillionen Arbeitslosen.“
Dieser Ansatz könnte überall dort zum Einsatz kommen, wo Menschen nur schwer Arbeit finden. In Großbritannien haben sechs Prozent der Bevölkerung kein Konto und sind somit zu einem Leben in Armut verdammt und Kredithaien ausgeliefert. Ansätze wie der von txteagle könnten Regierungen dabei unterstützen, vielen Menschen aus der Armut zu helfen.
Das Mobiltelefon als Bildungswerkzeug
Analphabetismus ist eine maßgebliche Barriere bei der Suche nach Arbeit. Zwar kann Technologie das Lernen durch direkten Kontakt mit qualifizierten Lehrern nicht ersetzen, aber es kann eine Grundlage schaffen. Insbesondere Menschen, die benachteiligt sind und keinen Zugang zu anderen Bildungseinrichtungen haben, können mit Hilfe von Technologie den Grundstein für Hörverständnis, Lesen, Schreiben und Konversation legen. Desktop Computing eignet sich dabei vorwiegend in Städten, in ländlichen Gegenden aber bieten mobile Endgeräte deutlich mehr Nutzen.
Das weiß auch die Organisation Worldreader.org, die E-Learning in afrikanische Dörfer bringt, wo der Zugang zu Bildung durch Kosten für physische Bücher und Übersetzungen limitiert ist. Worldreader.org setzte dabei erstmals Kindle-E-Reader für eine ganze Klasse in Ghana ein.
Individuelles Mobile Computing wird sich in Zukunft zu einem fundamentalen Bildungswerkzeug entwickeln und alle Gesellschaften verändern. Dass dies schon heute funktioniert, zeigt ein Beispiel aus den USA. Dort hat eine Universität allen Studienanfängern ein iPhone zur Verfügung gestellt. Die Studenten begrüßten vor allem die Möglichkeit, unbekannte Worte oder Begriffe, die ihr Professor während des Seminars fallen ließ, direkt selber nachschlagen zu können – beispielsweise auf Dictionary.com oder mit Hilfe der Wikipedia-App.
Vernetzte Gesundheit
Der aktuelle Fortschritt bei eHealth-Produkten und Applikationen sowie deren Umsetzung in unterschiedlichen Ländern ist beeindruckend. „Mobile könnte die Spielregeln ändern, allerdings nur für diejenigen, die sich auf das Spiel einlassen“, meint auch Susannah Fox vom Internet & American Life Project des Pew Research Centers.
Das Edelman Health Engagement Barometer, das im Oktober 2008 ins Leben gerufen wurde, identifiziert etwa 22 Prozent aller amerikanischen Erwachsenen als „health info-ential“ – Menschen also, die sich sehr für Gesundheitsinformationen interessieren, einen Diskurs suchen und sich über ihre Gesundheitsfragen mit anderen austauschen wollen.
Das Pew-Projekt von Susannah Fox ermittelte eine sehr starke Korrelation zwischen mobilen Plattformen und dem Internet bei der Suche nach gesundheitsrelevanten Informationen: 89 Prozent der Menschen mit drahtlosen Internetverbindungen suchen online nach Informationen, während nur 40 Prozent der Menschen mit einer stationären Internetverbindung online nach Gesundheitsthemen stöbern. Ein weiterer Unterschied wird bei der Qualität der Interaktion offensichtlich. So schreibt Fox in „The Social Life of Health Information“: „E-Patienten mit Zugang zum mobilen Internet teilen häufiger Kommentare und Reviews in Online-Konversationen miteinander als jene mit einer stationären Verbindung.“
Letztlich sollten eHealth-Anwendungen die Zugangsrechte zu einer guten Gesundheitsversorgung verbessern und die Auswahl der geeignetsten Ressource ermöglichen – unabhängig von persönlicher Situation und geografischem Standort. Die Vorteile eines mobilen Endgeräts für Gesundheitsdienstleistungen liegen auf der Hand. Schließlich sind derartige Geräte komplett persönlich, stets eingeschaltet und immer dabei. Darüber hinaus vereinfachen sie die Erhebung von kontextabhängigen Informationen.
Ein gutes Beispiel für eine gelungene mobile Gesundheitsapplikation ist der Dienst 3G Doctor [3], der es Menschen erlaubt, ihre medizinische Geschichte auf ihrem Telefon zu erstellen und zu pflegen. So befinden sich alle Allergien, Informationen zur Medikation, vergangene Behandlungen, Namen von Ärzten und Krankenhäusern an einem zentralen Ort. Für Patienten mit einer komplizierten medizinischen Vergangenheit kann ein derartiger Dienst zu einem wahren Lebensretter werden. Ferndiagnose und Patientenmanagement-Technologien der Telemedizin wurden längst als die Schlüsselkomponenten für das Gesundheitssystem des einundzwanzigsten Jahrhunderts identifiziert.
Mobil Geld machen
Mobile Kommunikation wird auch zu schlankeren, besser informierten, effizienteren und effektiveren Unternehmen führen. Jan van Dijks Vorstellung von der Networked Society ist in diesem Zusammenhang sehr treffend. Laut van Dijk führen Netzwerke zu einer flächendeckenden Restrukturierung der Gesellschaft und beseitigen alte Organisationsmodelle. Dies führt zu einer kulturellen Herausforderung für Menschen, Unternehmen und Organisationen. Unternehmen sollten mobile Kommunikation ernst nehmen, denn Informationen müssen allgegenwärtig sein, um so fließen zu können, dass Menschen eine Schnittstelle zu ihnen herstellen können, ohne dabei von Störfaktoren abgelenkt zu werden. Dies kann man mit leicht zu bedienenden und zugleich mächtigen Geräten erreichen, die erst durch eine versteckte Backend-Intelligenz möglich werden. Diese Backend-Intelligenz wiederum wird von Daten und einem unterstützenden Ökosystem ermöglicht.
Mobile Enterprise-Lösungen erlauben es schon heute kleinen wie großen Unternehmen, ihr Inventar zu managen, Mitarbeiter zu schulen und Datenbanken direkt anzusprechen. All diese Aspekte basieren auf Allgegenwärtigkeit, Einfachheit und dem Herstellen von Schnittstellen ohne Störfaktoren.
Daten – oder besser gesagt: veredelte Daten – sind das Schmiermittel, das all dies erst möglich macht. Veredelte Daten sind das schwarze Gold des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Für viele Unternehmen ist die Vorstellung neu, dass Daten dynamisch sind und eine Schlüsselrolle im Tagesgeschäft spielen. In der selben Art, in der wir uns durch unsere Erfahrungen mit Google und Facebook der Beziehung von Daten und Privatsphäre bewusst geworden sind, ist es wichtig, dass alle Unternehmen die Aspekte rund um das Thema Daten verstehen: Welche Art von Daten benötigt man? Wo kommen diese Daten her? Wie sieht es mit Zugriffsrechten und Privatsphäre aus?
Von Push zu Pull
Daten verändern die Art und Weise, wie wir Unternehmen sehen und wie diese miteinander und mit ihren Kunden agieren. Fragt man Menschen danach, wonach sie suchen, wenn sie eine Suchmaschine benutzen, lautet die Antwort in aller Regel „Informationen“. Menschen bewerten die Qualität dieser Informationen und treffen daraufhin Entscheidungen. Wir leben also in einer Suchwirtschaft. Werbung im Push-Verfahren, etwa per SMS verschickt, wirkt da für viele abschreckend.
Das weiß auch Qustodian, ein Unternehmen, das es Menschen ermöglicht, ihr Mobiltelefon zu nutzen, um
ihre geschäftlichen Beziehungen zu organisieren und selbst zu
entscheiden, mit welchen Marken und Unternehmen sie sich einlassen
möchten. Egal, ob die Fleischerei um die Ecke oder ein Global Player wie Nike – der Nutzer vergibt seine Erlaubnis individuell an Unternehmen, die mit ihm kommunizieren wollen.
Das heißt im Klartext: Der Nutzer erhält ausschließlich Informationen und Werbung, die für ihn zum jeweiligen Zeitpunkt relevant sind und in seinen Kontext passen. Über eine Applikation auf dem Handy kann er diese Informationen abrufen, wie und wann er möchte. Möchte man auch kontextrelevante Informationen erhalten, muss man persönliche Daten preisgeben. Qustodian speichert diese Daten als so genannten „Yoad“. Dabei handelt es sich um eine Datenbank, die die Profilinformationen und die Lifestyle-Vorlieben des Konsumenten speichert. Anhand dieser Informationen können Werbetreibende dann herausfinden, ob sie Werbebotschaften und Informationen an diese Person senden sollen. Man könnte sich jetzt fragen, wem dieser Yoad gehört. Das wäre allerdings ähnlich abstrus wie zu fragen: Wem gehört meine Frau? Weder ein Yoad noch eine Ehefrau sind das Eigentum von irgendjemandem. Egal wie Unternehmen die Beziehung zu ihren Kunden einschätzen – es geht nicht um Eigentum, sondern um Beziehungen: den Willen, überhaupt in Beziehung zueinander zu treten, diese zu pflegen, sie anzureichern, von ihr zu profitieren, zu geben und zu nehmen.
Wir müssen begreifen, dass herkömmliche Werbung im Sinne von Push und Displays völlig ungeeignet für eine werbliche Kommunikation ist. Das gilt umso mehr für eine „Pull-Wirtschaft“, in der die Qualität der Informationen zählt und in der Applikationen, Suchmaschinen und Dienste, die zeitgemäß, relevant und kontextabhängig sind, zum Alltag gehören.
Gutenbergs Geist
Wenn Gutenberg noch leben würde, würde er mit seinem Mobiltelefon Fotos machen und Videos erstellen. Er würde für sein Parkticket mit seinem Handy bezahlen, via Flirtomatic flirten und seine Gesundheitsversorgung mit den 3G Doctors organisieren. Denn der Zugriff auf Informationen – immer und überall – ist es, der das Thema Mobile so fesselnd und faszinierend macht.
Indem man Mobilität in das alltägliche Leben, in Unternehmen und Organisationen einbettet, hilft man denen, die Hilfe am dringendsten benötigen. Auch kann man die Kosten eines Unternehmens reduzieren und es so profitabler machen, und man kann sicherstellen, dass die Schlüsseldienstleistungen einer modernen Gesellschaft verbessert werden und alle davon profitieren.