Fruux: Synchronisierung für deine Kontakte, Aufgaben und Kalender

Münster ist vor allem für seinen vorauseilenden Ruf der Fahrradhauptstadt oder für die sehenswerte historische Altstadt bekannt – die wenigsten assoziieren jedoch mit dem bescheidenen Universitätsstädtchen einen geeigneten Wirtschaftsstandort für Internetfirmen. Doch genau im Herzen der Stadt, in einer Kassierer-Wohnung eines alten Theaters, sitzt eines der wohl interessantesten jungen Startups der deutschen Digitalwirtschaft.
Die Rede ist von fruux – das einen gleichnamigen Dienst anbietet, der plattformübergreifend sowohl Aufgaben, Kalender und Kontakte synchronisiert und sie zentral verwalten lässt. Gründer des Startups und Entwickler der Anwendung, die ursprünglich als kostenfreie MobileMe-Alternative für den Eigengebrauch gedacht war, ist Dominik Tobschall. Er startet das Projekt als Hobby neben seinem Jura-Studium. Dass aus fruux einmal ein echtes kommerzielles Produkt wird, war zu diesem Zeitpunkt noch illusorisch und überhaupt nicht geplant. „Zu Beginn gab es nicht mal eine Anmeldefunktion und wir mussten interessierte Nutzer noch per Hand anlegen“, sagt Tobschall. Das war vor sechs Jahren – seit 2007 hat sich allerdings einiges getan.
Weniger Marketing, dafür viel Entwicklung
„Irgendwann kam der Moment, an dem fruux eine gewisse Aufmerksamkeit in der Presse erhalten hat, eine erhöhte Nachfrage entstand und der Dienst beispielsweise mit den steigenden Server- und Infrastrukturkosten für uns als Hobbyprojekt einfach zu teuer wurde“. Mit „uns“ meint er sich und seine Mit-Entwickler Martin Kaniut und Evert Pot. Die logische Konsequenz für das junge Team war eine Firma zu gründen und Vollzeit an dem Projekt zu arbeiten. 2010 tat Tobschall dann den Schritt und meldete eine Unternehmergesellschaft an, kurze Zeit später ist das Team auch formal unter dem Dach einer GmbH zusammengerückt – eine Phase, in der sich vor allem auch seine Ausbildung zum Juristen mit Schwerpunkt Steuerrecht bezahlt gemacht hat.

Dominik Tobschall entwickelte fruux während seines Jura-Studiums. (Bild: Uwe Sülflohn)
Auch wenn der Fokus stärker auf dem Machen als der Strategie liegt, beweist fruux bei wichtigen Entscheidungen Weitblick. So konzipierte fruux seinen Dienst von Anfang an in Englisch.„Wir waren von Anfang an auf eine internationale Nutzerschaft aus“, entgegnet Tobschall auf die Frage, warum man sich zu dem Schritt entschieden hat. Außerdem verrät er: „Wir waren ein kleines, international zusammengewürfeltes Team, das auch bis heute untereinander nur Englisch spricht. Der Entschluss, alles in englischer Sprache zu konzipieren, hatte also auch intern gewisse Vorteile“. Nachteile zeigen sich allerdings beim deutschen Markt. Hier nehmen die Nutzer den englischsprachigen Dienst nur zögerlich an – was sich nicht zuletzt auch an den Anmeldezahlen ablesen lässt. Der Großteil der Nutzer sitzt im Ausland – in den USA, Frankreich und Großbritannien – der deutsche Anteil ist vergleichsweise gering. Wie viele Nutzer fruux hat, bleibt jedoch ein gut gehütetes Geheimnis.

Gegen den Trend geschlossener Systeme a la Apple: fruux synchronisiert plattformübergreifend Kalender, Kontakte und Aufgaben. (Bild: Uwe Sülflohn)
Gegen den wachsenden Trend der „Walled Clouds“
Doch schaut man sich den Dienst genauer an, dann wird klar, dass auch deutsche Nutzer ihren Spaß an fruux haben dürften, trotz der englischen Sprache. Denn auch für Laien wird schnell erkennbar, wie man sich innerhalb des Services bewegt und was er kann. Fruux bietet die Möglichkeit, über Plattformgrenzen hinweg auf Kontakte, Aufgaben und Kalenderdaten zuzugreifen und diese von verschiedenen Orten aus zu verwalten. Dabei unterstützt fruux neben den Betriebssystemen Windows, OS X, Linux, Android und iOS auch spezielle Programme wie Thunderbird, Evolution, eM Client, BusyCal, Rainlendar und viele mehr. Im Grunde alle Programme und Clients, die den offenen CardDAV- und CalDAV-Standard nutzen. Dominik Tobschall und sein Team möchten damit vor allem dem wachsenden Trend der „Walled Clouds“ entgegentreten. Ein Begriff, den der Gründer an die frühere Bezeichnung der „Walled Gardens“ anlehnt. Jeder Dienst baue nur noch Insellösungen für die eigenen Produkte und dränge damit den Nutzer mehr und mehr dazu, sich nur noch konsequent im eigenen Ökosystem zu bewegen.
Die iCloud lässt sich natürlich nur mit Apple-Geräten synchronisieren und selbst Google verschränkt sich bisweilen einem offenen Standard, sofern der dem Unternehmen aus Mountain View nicht nützt. „Der einzige Grund, warum Google aktuell noch offene Standards auf Seiten der Datensynchronisation unterstützt, ist, weil es vor wenigen Wochen einen Riesenaufschrei gab, als man diese abschalten wollte“, erklärt uns Tobschall im Gespräch. „Auch bei dem Suchmaschinengiganten wird die Offenheit stückchenweise immer weiter zurückgefahren“ – was das Entwicklerteam höchst kritisch sieht. Doch nicht nur die plattformübergreifende Funktionalität spricht für fruux, auch die Tatsache, dass viele verschiedene Nutzer einbezogen werden können. Fruux löst somit nicht nur das Problem, dass ein Anwender mit vielen verschiedenen Geräten auf den Dienst zugreifen will, sondern auch, dass verschiedene Anwender mit mehreren Geräten die Aufgaben, Kontakte und Kalender verwalten wollen. Insofern ist fruux auch und gerade für kleine bis mittelgroße Teams besonders geeignet, etwa für Web-Agenturen.
Von Anfang an schwarze Zahlen
Dass ein großes Potenzial in der Gründungsidee steckt, haben auch Investoren im vergangenen Jahr erkannt und das Projekt Anfang 2012 mit einer Seed-Finanzierung im sechsstelligen Bereich unterstützt. Investiert haben der High-Tech-Gründerfond und netSTART Venture, die fruux mit ihrer Finanzierung einen kräftigen Schub verschafft haben. Zum einen konnte man dadurch das Produkt weiterentwickeln und neue Plattformen integrieren, zum anderen aber auch das Team vergrößern und sich überhaupt erst einmal einen Arbeitsplatz leisten – vorher hat das Team nämlich nur lose zusammengearbeitet. „Zu dem Zeitpunkt wurde es dann auch ernst“, resumiert Tobschall und meint, dass man es ohne die Finanzierung mit dem Wachstum definitiv hätte langsamer angehen lassen müssen. Was der Finanzierungsspritze sicherlich zuträglich war, ist die Tatsache, dass fruux von Anfang an schwarze Zahlen geschrieben hat: Der Dienst setzt nämlich auf ein Freemium-Modell mit einer abgespeckten Kostenlos- und zwei umfangreichen Bezahlversion. Zum Team gehören heute neben den fünf festangestellten Mitarbeitern noch zwei Freelancer und ein von den Investoren gestellter Mentor, der intern allerdings als vollwertiges Team-Mitglied angesehen und gemocht wird. Zu den fünf festen fruux’ler gehören neben den Entwicklern Dominik Tobschall, Evert Pot und Armin Hackmann noch der Designer Martin Kaniut sowie Geoff Baum, der in den USA sitzt und von dort aus das Business Development vorantreibt.

Man rückt zusammen im fruux-Hauptquartier: Eine alte Kassierer-Wohnung wurde umfunktioniert. (Foto: Uwe Sülflohn)
Die Sache mit der Datensicherheit
Eine der dringlichsten Fragen, die sich Anwender in aller Welt aktuell rund um Cloud-Services stellen, ist die nach der Sicherheit der Dienste und der darin erfassten Daten gegenüber neugierigen Blicken Dritter – nicht zuletzt ausgelöst durch die Snowden-Enthüllungen rundum PRISM, Tempora und XKeyscore vor einigen Monaten. Auch das fruux-Team verfolgt das Mediengeschehen diesbezüglich aufmerksam. fruux-Gründer Dominik Tobschall ärgert dabei, dass die Spionageaktionen die Skepsis gegenüber dem noch relativ jungen Cloud-Markt schüren. Wer die Causa verfolgt, der weiß längst, dass E-Mail-Konten ausgelesen, Kontaktdaten abgegriffen werden und dass die Behörden sogar versucht haben, potenziell unsichere Ciphers zu etablieren, um SSL, einen Standard zur sicheren Übertragung von Daten, anzugreifen. Das ist insofern ärgerlich, als dass Kunden das Vertrauen in den Internetmarkt verlieren und viele Dienste größerer aber auch kleinerer Internetunternehmen meiden, sich wieder abmelden oder bewusst die Nutzung einschränken – sogar Internetriesen wie Facebook und Google kommen dieser Tage nicht umhin, dies auch öffentlich einzugestehen.
Transparenz und Offenheit schafft Vertrauen
Tobschall selbst meint, dass man mit fruux bisher noch gut davon gekommen sei, was zum einen daran liegt, dass der Großteil der Nutzer im englischsprachigen Ausland sitzt und man dort nicht mit der gleichen Akribie auf das Thema reagiert, wie die Deutschen. Zum anderen aber auch, weil man sich gegenüber jeder Anfrage und jedem Anliegen der Kunden absolut transparent verhält. Tobschall selbst ist Mitglied des Chaos Computer Clubs, dem berühmten deutschen Hacker-Verein, der sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt. Der Gründer bezeichnet sich und sein Team als Anhänger der Datenschutzbewegung: „Nicht umsonst ist das Projekt auch damals schon zu Universitätszeiten entstanden, ich wollte die Kontrolle über meine Daten haben“, bestätigt er uns. Ein Vorhaben, das heute – sechs Jahre später – für viele Nutzer mehr denn je außer Reichweite gelangt zu sein scheint.

Der Designer Martin Kaniut ist in den Münsteraner Büro-Räumen allein unter Ent- wicklern. (Bild: Uwe Sülflohn)
fruux Pläne für die Zukunft

Das Münsteraner fruux-Team: Armin Hackmann, Dominik Tobschall, Evert Pot und Martin Kaniut (v.l.). (Bild: Uwe Sülflöhn)
Die Verantwortlichen wollen zudem weitere Integrationsmöglichkeiten der Kalenderdaten in vorhandene Websites oder Apps anbieten. Für Freiberufler bedeutet das, dass sie zukünftig beispielsweise auch buchbare Termine auf der eigenen Website anzeigen lassen können. Sportvereine könnten dadurch die Trainingszeiten online kommunizieren – alles automatisiert. Zudem arbeitet das Team derzeit an einer Outlook-Integration sowie einer hauseigenen Android-App. Auf die Frage hin, ob fruux in Zukunft auch verschiedene sprachliche Lokalisierungen anbieten wird, entgegnet Tobschall, dass man es sich zwar wünschen würde, derzeit aber noch nicht sagen kann, wann erste Schritte in diese Richtung unternommen werden. B2B-seitig will das Unternehmen vor allem vorhandene Partnerschaften ausbauen und neue eingehen – die hauseigene SabreDAV-Technologie, die für fruux entwickelt wurde, wird beispielsweise auch von Unternehmen wie Box, ownCloud, Kolab, Atmail und vielen anderen genutzt.
Umso interessanter das Produkt und die ersten Erfolge, desto stärker drängt sich für Beobachter der Gedanke auf, dass junge Gründer in Richtung Berlin, nach London oder ins Valley blicken sollten – dorthin, wo das „Who-is-Who“ der internationalen Gründerszene und investitionsfreudige Financiers sich tummeln. Ob auch fruux mit diesem Gedanken spielt, wollten wir abschließend von Dominik Tobschall erfahren – seine selbstbewusste Antwort: „Nein, was Startups angeht, entwickelt sich Münster gut. Zudem erlebt man hier viel weniger Ablenkung als in den großen Startup-Metropolen – und wenn doch mal was ist, dann fliegt man halt rüber“. Man merkt, da spricht wieder der Produktmensch.