Weltweite Studie zeigt wie anspruchsvoll die Deutschen beim Online-Shopping sind
Trotz der enormen Zuwächse für den Onlinehandel belasten die Logistik- und Retourenkosten weiterhin die Margen der Händler. Laut der Studie „Home-Delivery-Shopping-Survey 2019“ der Unternehmensberatung Alixpartners, für die 1.005 deutsche und 5.016 Verbraucher weltweit (USA, UK, China und Japan) befragt worden sind, machen 53 Prozent der deutschen Konsumenten ihre Online-Kaufentscheidung zu einem erheblichen Teil von der Möglichkeit der kostenlosen Lieferung und Rückgabe abhängig.
Damit zählen die Deutschen neben den US-Amerikanern (72 Prozent) und den Briten (57 Prozent) bei den Lieferkonditionen im weltweiten Vergleich zu den anspruchsvollsten Online-Kunden. Zudem erwarten die Konsumenten hierzulande offenbar, dass diese kostenlosen Lieferungen innerhalb von höchstens drei Tagen am vereinbarten Ort eintreffen.
Liefertoleranz in den USA höher
„Kunden erwarten heute Lieferoptionen, die ihren Lebensumständen entsprechen“
In den USA, Großbritannien und Japan liegt die Liefertoleranz dagegen bei mehr als vier Tagen. 82 Prozent der deutschen Konsumenten, und damit mehr als in allen anderen vier untersuchten Märkten der Studie, wählen ihre bevorzugten E-Commerce-Anbieter gezielt anhand der verfügbaren Lieferoptionen aus. Die Möglichkeit zur Lieferung am gleichen Tag ist für fast 40 Prozent der deutschen Kunden ein wichtiges Auswahlkriterium für ein bestimmtes Online-Shopping-Angebot.
Von besonderer Bedeutung sind nach Angaben der Studie zudem verlässliche und kurze Lieferzeitfenster. 47 Prozent der deutschen Konsumenten erwarten, dass dieses bei der Lieferung von großen und sperrigen Gütern bei maximal zwei Stunden liegt. Der Anteil der deutschen Konsumenten, die beabsichtigen, Online-Bestellungen auch in der Filiale abzuholen, um Waren schneller zu bekommen und Versandkosten zu vermeiden, wächst gegenüber 2018 von 72 Prozent auf 77 Prozent. Allerdings haben offenbar nur 60 Prozent der Kunden, die diese Option im vergangenen Jahr in Anspruch genommen haben, damit gute Erfahrungen gemacht.
„Kunden erwarten heute Lieferoptionen, die ihren Lebensumständen entsprechen. Für Onlinehändler steigen damit nicht nur die Anforderungen an die Logistik. Dabei liegen die durchschnittlichen Kosten pro Lieferung schon heute bei circa 4,80 Euro“, sagt Peter Heckmann, Managing Director bei Alixpartners in Düsseldorf: „Unternehmen, die ihre Logistikangebote nicht weiter ausdifferenzieren, droht ein Verdrängungswettbewerb. Hier brechen Kunden ihre Onlinekäufe ab und wechseln zu Angeboten mit flexiblerer, schnellerer und im Zweifel auch kostenloser Lieferung.“
Bekleidung beliebt, Lebensmittel weniger
Die aktuelle Umfrage hat laut Alixpartners belegt: Onlinekunden in Deutschland kaufen neben Bekleidung und Schuhen (64 Prozent), Büchern (47 Prozent) und Elektronik (43 Prozent) zunehmend große und sperrige Produkte wie Möbel und Fahrräder. Bei Lebensmitteln bleiben sie jedoch weiterhin skeptisch.
In China, Großbritannien, den USA und Japan zählen Lebensmittel dagegen bereits zu den fünf wichtigsten Produktkategorien im E-Commerce. Während in China schon 57 Prozent der Konsumenten Lebensmittel im Internet einkaufen, macht das in Deutschland erst jeder Vierte. Damit stehen im Heimatland der Discounter und genossenschaftlich organisierten Supermärkten Lebensmittel als Produktkategorie noch immer ganz am Ende der Wunschliste. Als Hauptgrund geben 54 Prozent der Kunden ihre Bedenken bezüglich Qualität und Frische der Waren beim Online-Einkauf an.
Alixpartners empfiehlt Handelskonzernen und deren Logistikpartnern, innovative Ansätze zu entwickeln, um hohe Lieferkosten zu vermeiden sowie eine optimale Qualität zu gewährleisten. Für den Versand von Lebensmitteln noch am gleichen Tag seien 57 Prozent der Konsumenten bereit, vier Euro oder mehr je Zustellung zu bezahlen, bei großen und sperrigen Produkten sei diese Zahlungsbereitschaft sogar bei 84 Prozent der Kunden vorhanden.
City-Hubs gewinnen an Bedeutung
Für den Onlinehandel gewinnen zunehmend dezentrale Warenlager, City-Hubs und die Filiale an Bedeutung, um den wachsenden Kundenanforderungen gerecht zu werden. Die Zweigstellen ermöglichen hier stationären Händlern einen Wettbewerbsvorteil, um Wachstum im Onlinehandel zu generieren. Deutschland hat mit insgesamt über 12.000 Supermärkten und ca. 16.000 Discountern ein enges Filialnetz mit der Möglichkeit der Nutzung als dezentrale Waren- und Zustelllager für den Onlinehandel.
Die Filialen, so die Studienautoren, würden oft in Bestlagen liegen, also nah am Kunden, und können so kürzeste Lieferzeiten ermöglichen sowie Zustellkosten senken. „Die meisten Online-Bestellungen erfolgen an Werktagen erst nach 19 Uhr. Um kurze und verlässliche Lieferzeiten zu gewährleisten, sollten die Ladenlokale gezielt als dezentrale Versand- und Abholzentren nach Ladenschluss genutzt werden. Das senkt auch die Kosten für Expresszustellungen erheblich“, sagt Heckmann.
Unternehmen stehen jedoch trotz dieser strukturellen Optionen vor massiv wachsenden Anforderungen an die Produktsegmentierung und die Steuerung der Logistik. Beliebte Produkte können nah am Kunden vorgehalten und innerhalb weniger Stunden geliefert werden. Zentralwarenlager decken das weitere Produktangebot ab und bieten flexible Lieferoptionen, zu denen zunehmend auch die Abholung aus der Filiale zählt.
„Letzte Meile“ als Herausforderung
„Die letzte Meile zum Kunden entscheidet über das Qualitätsempfinden und die Kundenbindung beim Online-Einkauf“, sagt Heckmann. Hier steige der Optimierungs- und Veränderungsdruck für die E-Commerce-Anbieter und ihre Logistikpartner enorm, und zwar nicht nur durch die geplanten regulatorischen Eingriffe der Regierung bei den Paketdiensten. Zudem würden kurz vor dem Eintreffen beim Kunden die meisten Fehler entstehen, und gleichzeitig auch die höchsten Lieferkosten. Das sei Grund genug, gezielt über neue Wege zum Kunden nachzudenken, sagt der Experte.
Für die Studie sind in Deutschland die Einkaufsgewohnheiten, Erfahrungen und Wünsche beim Online-Shopping abgefragt worden. Diese sind laut Angaben der Autoren mit Entwicklungen in den USA, Großbritannien, China und Japan abgeglichen worden, um so weitere Einsichten in Konsumentengewohnheiten zu gewinnen und aufkommende Trends im Bereich des Home-Delivery-Shoppings „frühzeitig zu erkennen“, wie es heißt.