Sneakershop verkauft Bilder von Sneakers für 7.000 Euro
Der Skateshop Bonkers kämpft mit Bots, mit denen Reseller sich in Millisekunden große Mengen limitierter Sneaker direkt zum Verkaufsstart sichern, um sie später mit großem Gewinn weiterzuverkaufen. „Das ist, als wäre ganz Frankfurt am Laptop und drückt die ganze Zeit refresh“, sagt der gestresste Sneakerhändler Martin Schreiber – und erzählt im Interview mit dem Skater-Magazin Solo, wie das ganze Drama mit den Bots zur Belastung wurde. Nicht nur, dass statt echter Kunden nur die Konkurrenz gefüttert wurde, nein, der Server ging auch noch in die Knie. Bis Schreiber beim Launch eines neuen Nike Sneakers auf einen kreativen Einfall kam, der die Bot-Betreiber in den Wahnsinn getrieben haben dürfte.
Skateshop in der Bredouille wegen Bots
700.000 Aufrufe musste Schreiber nach eigenen Angaben in der Minute bei einem Produktstart eines beliebten Sneakers verkraften, dabei sind bei einem solchen Produktstart eher kleine, zweistellige Produktmengen verfügbar. Schreiber spricht beispielhaft von 50 Paar Sneakern bei einem Start. Schuld daran sind Bots, die von kommerziellen Wiederverkäufern auf den kleinen Onlineshop gejagt werden und dann allerlei Probleme verursachen: Überverkauf von Produkten, weil das Shopsystem Bestände nicht so schnell aktualisieren kann, wie die Bots einkaufen, Serverausfälle und natürlich jede Menge Ärger mit echten Kunden, die bei solchen Aktionen leer ausgehen.
Auch als Schreiber die Produkte gar nicht mehr in den Onlineshop von Bonkers stellte, sondern über ein Smartphone direkt an Kunden vermarktete, brachten die stupide wiederkehrenden Bots an Launch-Tagen seinen Server zum Rauchen. Motivation für Schreiber, das Problem anders anzugehen.
Skateshop verkauft Fotos von Sneakern statt Sneakern
Inspiriert von unseriösen Facebook-Anzeigen für E-Books kam Bonkers-Betreiber Schreiber auf einen kreativen Ansatz: „Also haben wir gesagt, dass wir jetzt auch mal den Mittelfinger zeigen und digitale Bilder von den Schuhen verkaufen“, erklärt er im Skate-Magazin Solo.
Von jedem Schuh legte Schreiber 3.000 Stück Bestand in jeder Größe an – mit dem Angebot von sieben Produktbildern zu je zehn Euro. Die Angebote erstellte er mit eindeutigen Titeln wie „Foto von Schuh XYZ“, und auch in der Produktbeschreibung erklärte er, dass es sich nur um Fotos und nicht um Schuhe handelte. Nachdem Nike und die echten Kunden über alle verfügbaren Kanäle über den Streich informiert worden waren, startete der Händler die Aktion.
Wie viel Schreiber verkauft hat, verrät der Händler im Interview mit Solo nicht, aber ein einzelner Reseller habe 100 mal zu 70 Euro zugeschlagen und so 7.000 Euro für Bilder ausgegeben.
Im Nachspiel hagelte es wüste Beschimpfungen – einige holten „die Hurensohnkeule“ heraus, wie Schreiber die Reaktionen beschreibt – und Paypal-Beschwerden. Laut Schreiber hätte Paypal die Beschwerden aber in Sinne von Bonkers gelöst. Von Nike und aus der Szene soll Schreiber nur Beifall erhalten haben: „Ich war dann in Amsterdam auf einem Nike Meeting und die haben das voll abgefeiert.“ Aus der Sneaker Community hieß es: „Geil, da sind Supreme und Nike, die regelmäßig von Bots plattgemacht werden und nichts dagegen tun können, und dann ist da so ein kleiner Pups-Shop aus Frankfurt, der die ganzen Bots auseinandernimmt.“
Letztlich hat sich die Aktion für Bonkers gelohnt, denn aus dem Verkauf der Bilder ist jede Menge Ertrag hängen geblieben. Einzelnen Kunden, die sich gemeldet und zugegeben hatten, dass sie einen Bot benutzt haben, hat Schreiber Gutscheine ausgestellt – von anderen hat der Sneakershop den Verkaufserlös eingestrichen.
War die Aktion rechtmäßig?
Schreiber erklärt im Interview, digitale Inhalte hätten kein Widerrufsrecht und Bonkers hätte sich zusätzlich mit einer Checkbox im Checkout abgesichert – doch da erntet er Widerspruch von Wirtschaftsjurist Martin Rätze von der Kanzlei Wienke & Becker: „Grundsätzlich besteht auch beim Kauf digitaler Inhalte, die nicht auf einem dauerhaften Datenträger geliefert werden, ein Widerrufsrecht.“ Auch die Checkbox als Absicherung lässt Rätze nicht gelten: „Das Abhaken der Bestätigung im Checkout, dass kein Widerrufsrecht besteht, sieht die Rechtsprechung nicht als ausreichend an.“
In den meisten Fällen dürfte Martin Schreiber von Bonkers trotzdem auf der sicheren Seite sein, denn für gewerbliche Kunden gelten andere Rechtsvorschriften, wie Rätze erklärt: „Wenn hier Bots eingesetzt wurden mit dem Ziel, die Schuhe weiterzuverkaufen, hat derjenige in meinen Augen ohnehin nicht als Verbraucher gehandelt und hat deswegen gar kein Widerrufsrecht.“
In einer früheren Version dieses Artikels wurde Solo als Sneakermagazin bezeichnet, tatsächlich ist es ein Skatemagazin. Ebenso wie der Händler Bonkers kein reiner Sneakershop ist, sondern ein Skateshop, der viele Sneakers verkauft.
Dieser Beitrag ist ein erschreckendes Beispiel für schlechte Recherche. Schon im Google featured Snippet wird Bonkers als „Skateboardfachgeschäft“ angegeben. Diese als Sneakershop anzugeben ist noch zu verkraften, da diese wohl ihren Hauptumsatz durch den Handel mit Sneakern machen. Aber selbst ein Laie sollte in der Lage sein, die Solo als „Skateboardmagazin“ zu identifizieren. Ein Blick auf die Domain sollte reichen. Ist t3n ein Automagazin weil dort mal ein Artikel über Elektrofahrzeuge von Audi veröffentlicht wurde? Ich bezweifle es.
Sehr schade das so ein Artikel über ein interessantes Thema von schlechter Recherche überschattet wird.
Vielen Dank für den Hinweis, ich habe das korrigiert und richtiggestellt.
Viele Grüße aus dem HQ
Jochen
Das Problem hätte man auch einfacher mit einem Captcha lösen können.
Ein anderer Skateshop (Zupport) hat etwas ähnliches versucht. Hier scheint aber einiges schief gegangen zu sein. Paypal erstattet die Kaufbeträge zurück, Käufer erstatten Anzeige, Verbrauchschutzzentrale wurde informiert, Shitstorm usw.
https://thesolesupplier.co.uk/news/how-this-german-skate-store-is-scamming-bot-users-and-getting-away-with-it/
Eine Einschätzung von Herrn Rätze hierzu wäre interessant.
mit freundlichen Grüßen
Hallo Sebastian!
Den konkreten Fall kenne ich nicht, aber die Einschätzung von Rätze zum Widerrufsrecht gilt ja auch unabhängig vom Fall: Wenn Verbraucher eingekauft haben, besteht ein Widerrufsrecht, wurde zum Wiederverkauf eingekauft, wohl eher nicht.
Wenn du davon betroffen bist, hilft es vielleicht anwaltlichen Rat einzuholen.
Viele Grüße
Jochen