Seit geraumer Zeit beschäftigt sich Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, mit der Frage, wie wir die Kontrolle über unsere Daten zurückgewinnen können. Im Rahmen dieser Überlegungen stellte Berners-Lee 2016 das Open-Source-Projekt Solid vor. Ein Jahr später gründete er mit Inrupt dann ein Unternehmen, das die quelloffene Technologie weiterentwickeln und in ein marktfähiges Produkt übertragen sollte. Jetzt hat Inrupt die ersten Früchte dieser Arbeit vorgestellt: eine auf Solid basierende Enterprise-Lösung.
Solid ist ein dezentrales System zum Speichern und für den Austausch persönlicher Daten. Nutzerinnen und Nutzer speichern ihre Daten in sogenannten „Personal online data stores“ (persönliche Online-Datenspeicher) oder kurz Pods. Sie können dabei selbst entscheiden, wo die Pods gespeichert werden. Außerdem können persönliche Daten auf mehrere Pods verteilt werden. Adressdaten könnten so beispielsweise getrennt von Bezahlinformationen gelagert werden. Über eine Schnittstelle können Nutzerinnen und Nutzer dann bei Bedarf die in einem Pod abgelegten Daten mit anderen Websites teilen.
Inrupts neuer Enteprise Solid Server (ESS) soll es Behörden, Firmen und anderen großen Organisationen jetzt erlauben, die Solid-Architektur zu nutzen. Entwickelt wurde die Software laut Berners-Lee in Zusammenarbeit mit einigen Early Adopter, darunter die BBC, der nationale Gesundheitsdienst Großbritanniens und die Verwaltung der belgischen Region Flandern.
Tim Berners-Lee: Web-Erfinder will Datensilos bekämpfen
Berners-Lee kritisiert in einem Beitrag auf dem Inrupt-Blog, das Nutzerdaten heute in voneinander getrennten Silos liegen. Die darin enthaltenen Daten ließen sich nicht sinnvoll verknüpfen, weil die Betreiber dieser Datensilos kein Interesse daran hätten, sie miteinander zu teilen. „Gleichzeitig werden diese Daten von dem betreffenden Silo ausgenutzt, was zu einer zunehmenden, sehr vernünftigen öffentlichen Skepsis darüber führt, wie persönliche Daten missbraucht werden“, so der Web-Erfinder. Das wiederum führe zu immer komplexeren Datenschutzregelungen.
„Die Technologien, die wir heute freigeben, sind Bestandteil einer dringend benötigten Kurskorrektur für das Web“, bewirbt Berners-Lee das neue Produkt seines Startups. Von dieser Kurskorrektur, so der WWW-Erfinder, sollen am Ende Firmen und Privatpersonen gleichermaßen profitieren. Denn einerseits könnten ganz neuen Geschäftsmodelle durch das Zusammenführen unterschiedlicher Daten entstehen, andererseits sollen Nutzerinnen und Nutzer aber die Kontrolle behalten, wem sie diese Daten zur Verfügung stellen.