KI erleichtert Arbeit? Wieso du jetzt erst recht auf dich aufpassen musst
Endlich macht KI die Drecksarbeit! Zum Beispiel in einem Gaming-Studio: Anstatt jeden einzelnen Baum in einer Spielwelt händisch zu pflanzen, erstellt künstliche Intelligenz nicht nur verschiedene Arten und Formen von Bäumen, sondern verteilt sie so, dass sie wie von der Natur vorgesehen aus dem virtuellen Boden wachsen.
Oder in einem frisch gegründeten Startup: Anstatt jeden Text für die sozialen Medien selbst zu schreiben, reiht eine KI Wörter und Sätze aneinander, um das Produkt des Unternehmens zu bewerben – und eine andere KI liefert direkt das passende Bild dazu.
Solche und andere Aufgaben werden zunehmend nicht mehr von Menschen erledigt. Weil das Geld fehlt, um extra dafür jemanden anzustellen. Weil die Aufgaben zu monoton, zu kleinteilig sind, als dass sich ein Mensch noch damit aufhalten sollte. Stattdessen, so der optimistische Blick auf Gegenwart und Zukunft der Arbeit mit KI, sollen die Menschen nur noch das machen, was sie wirklich wollen.
Die Aufgaben, für die es menschliche Emotionen und Kreativität braucht. Die Arbeit also, die man mit Herzblut erledigt, weil sie einem wirklich wichtig ist. Kurzum: die Arbeit, die man liebt.
Wir, die vor den Bildschirmen sitzen
Das ist freilich eine grandiose Aussicht. Wir befreien uns von der Mühsal der monotonen Arbeit und machen nur noch das, was uns am Herzen liegt – was wir im besten Fall auch als identitätsstiftend empfinden. All diese nützlichen Eigenschaften von KI beschränken sich momentan – und wohl auch noch für lange Zeit – auf Berufe, die vor allem am und per PC stattfinden. Von der Medienbranche bis zu Anwälten, die ihre Mahnschreiben per KI erstellen lassen. Ein Schlachter oder eine Straßenreinigerin werden nicht in den Genuss der künstlichen Arbeit kommen. Sie müssen weiter malochen.
Wir anderen aber, die wir vor unseren Bildschirmen sitzen, werden durch diese nützliche KI wohl auch immer öfter vor einem Dilemma stehen. Denn wenn die unangenehmen Teile der Arbeit wegfallen, die Aufgaben, die für uns nicht der Selbstverwirklichung dienen – dann werden wir noch weniger unser Selbst von der Arbeit trennen können. Und im schlimmsten Fall wird Arbeit, die sich nicht mehr wie Arbeit anfühlt, nur noch mehr auf unsere Psyche schlagen.
Glücklich sein, sich selbst ausprobieren und entdecken, womöglich sogar optimieren, dafür soll der Arbeitsplatz heute stehen. Besonders dann, wenn KI die Drecksarbeit macht. Die Arbeit also, die uns noch immer daran erinnern kann, dass wir hier eben doch unserem Beruf nachgehen. Die kleinen nervigen Momente, die uns denken lassen: Ich freue mich schon auf den Feierabend.
Die Grenzen sehen
Fallen die weg, wird das Dogma der Selbstverwirklichung noch lauter: Du musst deine Arbeit lieben, in ihr aufgehen, Sinn in ihr entdecken. Aber was, wenn all das eben nicht passiert? Oder nicht in dem Maße, wie wir es uns selbst wünschen und von uns erwarten? Da liegt das Dilemma. Je weniger sich Arbeit, auch durch den Einsatz von KI, wie Arbeit anfühlt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass wir Angst vorm Versagen haben. Denn wir wollen in dem, was wir lieben, doch nicht scheitern.
Also – das ist die Gefahr – reiben wir uns bei der doch so vermeintlich sinnstiftenden, kreativen, bedeutenden Arbeit nur noch mehr auf. Erkennen noch weniger die Grenzlinien zwischen unserem Leben und unserer Arbeit. Zwischen unserer Identität und den Aufgaben in unserem Job. Und wenn wir dann trotzdem nicht zufrieden und erfüllt sind – ja, was dann? Im schlimmsten Fall bricht dann das Selbstbild zusammen, das wir so akribisch aufgebaut haben. Wir haben versagt – und selbst die künstliche Intelligenz kann uns nicht mehr helfen.
All das bedeutet nicht, dass wir der KI nicht die mühseligen Aufgaben überlassen sollten. Vielmehr sollten wir aber im gleichen Schritt einen neuen Umgang mit Arbeit finden. Nicht noch mehr Identifikation, noch mehr Energie, noch mehr Liebe. Stattdessen könnte eine KI uns auch zeigen, dass Arbeit, bei aller Bedeutung, auch Mittel zum Zweck ist. Dass sie Anfang und Ende hat. Und wir eben keine Tools sind, die unerschöpflich kreativ und produktiv sein können. Liebe KI, bitte erinnere uns daran!