In der Nacht zu Sonntag, um 00:35 Uhr mitteleuropäischer Zeit, startete Astra vom Pacific Spaceport Complex auf der Kodiak-Insel in Alaska seinen dritten Orbital-Testflug. Zum Einsatz kam die zweistufige Trägerrakete 0006 aus der Modellreihe Rocket 3.3. Die nur 13 Meter hohe Rakete war mit einer Testnutzlast für das Raumfahrt-Testprogramm des US-Verteidigungsministeriums ausgestattet. Diese Nutzlast hatte Form und Gewicht eines konventionellen Satelliten, war aber nicht für ein Deployment im Orbit vorgesehen.
Astra trotz Fehlstart zufrieden
Der Start erwies sich zwar letztlich als erfolglos, war dabei aber besonders spektakulär. Denn die Rakete kippte unmittelbar nach dem Start der Triebwerke leicht ab, fing sich dann aber wieder und bewegte sich zunächst etwa 15 Sekunden lang seitwärts, bevor sie doch noch aufstieg.
Nach 2,5 Minuten wurde der Startversuch bei „Max Q“ beendet. Das ist der Punkt, an dem die mechanische Belastung einer Rakete am höchsten ist. Eine an der Rakete angebrachte Kamera zeigte, dass sich an diesem Punkt auf rund 50 Kilometern Höhe ein Teil des Boosters gelöst hatte.
Astra zeigt sich dennoch nicht unzufrieden. Trotz des Misserfolgs habe man eine Menge Daten sammeln können und sei ohne nennenswerte Sachschäden aus dem Versuch gekommen, wie Astra-Chef Chris Kemp nach dem Fehlversuch in einer Pressemitteilung bestätigte.
Erste Analysen zeigten, dass eines der fünf Triebwerke der ersten Stufe der Rakete etwa eine Sekunde nach dem Start aus unklaren Gründen ausgefallen ist, so der Mitbegründer des Spacetech-Startups in einem Tweet.
Daten sollen zeigen, wo das Problem gelegen hat
Die Rakete sei dann allein von den verbleibenden vier Triebwerken in die Luft gebracht worden. Dazu hatte sie aber zunächst einigen Treibstoff verbrauchen müssen, um leicht genug zu werden, das fünfte Triebwerk nicht mehr zu benötigen. Nach 2 Minuten und 28 Sekunden sei dann vom Launch-Pad der Befehl zum Abschalten aller Triebwerke gekommen, so Kemp. Jetzt müsse ermittelt werden, wo und wann genau welche Probleme aufgetreten seien, bevor ein neuer Starttermin anberaumt werden könne.
Der Start war bereits von vergangenem Freitag auf die Nacht zu Sonntag verlegt worden, weil das Leitsystem der Trägerrakete kurz nach der Zündung des Triebwerks einen Abbruch gemeldet hatte. Das Problem stellte sich jedoch bald als Konfigurationsfehler des Triebwerks heraus, sodass einem schnellen Ausweichtermin nichts im Wege zu stehen schien.
Das ist Astra
Das 2016 gegründete Unternehmen Astra will mit seinen in Serie gefertigten, kostengünstigen und ständig weiterentwickelten Raketen einen großen Anteil am wachsenden Markt für Kleinsatellitenstarts erobern. Das Startsystem des Unternehmens ist so konzipiert, dass es äußerst mobil und flexibel ist. So werden die Raketen beispielsweise in Standardcontainern zum Startplatz transportiert.
„In vielerlei Hinsicht ist die Technik, die in ein Auto einfließt, komplexer als die in einer Rakete. Aber sie sind in der Lage, Autos für wenige Zehntausend Dollar zu bauen“, sagte Astra-CTO Adam London in einem Interview auf der Firmen-Website. Heutzutage gebe es noch keine Raketen, die so erschwinglich wie ein Auto seien. Genau diese Lücke wolle Astra schließen.
Astra hat bereits zwei Testflüge ohne Nutzlast in die Erdumlaufbahn unternommen. Im September 2020 hatte die Rakete 3.1 des Unternehmens kurz nach dem Start ein Steuerungsproblem und stürzte auf die Erde zurück. Im Dezember desselben Jahres erreichte Rakete 3.2 erfolgreich den Weltraum, doch ging ihr der Treibstoff aus, kurz bevor sie die Orbitalgeschwindigkeit erreichte. Mit der neuen Trägerraketenvariante 3.3 will Astra das Problem des Treibstoffverbrauchs gelöst und die Leistung der Oberstufe verbessert haben. Dabei ist das neue Modell anderthalb Meter höher als seine Vorgänger.
Die Ziele des Unternehmens sind ambitioniert. Durch die extrem niedrigen Preise und die hohe Modularität ihrer Raketen will Astra letztlich in die Situation kommen, tägliche Satellitenstarts durchzuführen. Darin sieht London riesiges Potenzial. „Wenn man einen Satelliten in der Umlaufbahn hat und er ausfällt, muss man schnell einen anderen dorthin zurückbringen“, gibt er zu bedenken und ergänzt: „Wenn man eine Konstellation von Tausenden von Satelliten starten will, will man nicht sechs Monate zwischen den Starts warten. Unsere Idee ist es, einige wenige Satelliten fast täglich genau dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden, sodass man eine Konstellation in ein oder zwei Jahren statt in fünf Jahren aufbauen kann.“
Die Auftragsbücher Astras sind gut gefüllt. Das Unternehmen hat Verträge für mehr als 50 Starts unterzeichnet, die zusammen einen Umsatz von mehr als 150 Millionen Dollar bedeuten, sagte Kemp letzten Monat gegenüber dem Weltraum-Magazin Space.
Seit dem 1. Juli 2021 ist die Astra Space Inc. als erstes Weltraum-Unternehmen an der New Yorker Nasdaq notiert. Der Börsengang erfolgte durch die Übernahme der bereits börsennotierten Spac Holicity Inc.