10 Minuten Blackout pro Jahr: Dieser Index dokumentiert Stromausfälle in Deutschland

Wäre ein Stromausfall wie in Spanien und Portugal auch in Deutschland möglich? Die Fachleute mögen sich da nicht festlegen. „Grundsätzlich können Störungen auch bis hin zu Blackouts in einem technischen System immer passieren, wenn mehrere Störungsereignisse gleichzeitig auftreten“, meint etwa Christian Rehtanz, Leiter des Instituts für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft der TU Dortmund, gegenüber dem Science Media Center. „Es müssen aber immer mehrere, extrem seltene und ungünstige Kombinationen auftreten. Die Wahrscheinlichkeit ist insgesamt somit sehr gering.“
So lange dauerten Stromausfälle in Deutschland für jeden Verbraucher
Schaut man in die Statistik, wird die Zuverlässigkeit des Stromnetzes eher besser als schlechter. Ein gängiger Indikator dafür ist der sogenannte SAIDI (System Average Interruption Duration Index). Er gibt die Dauer der Stromausfälle für jeden Verbraucher an. Gab es laut Bundesnetzagentur im Mittelspannungsnetz 2006 noch Ausfälle von durchschnittlich 18,7 Minuten pro Jahr, hat sich der Wert in den letzten Jahren auf etwa zehn Minuten eingependelt. Im Hochspannungsnetz gingen die Ausfälle von 2,9 Minuten auf rund 2,4 Minuten zurück. Allerdings vermittelt der SAIDI nicht das ganze Bild: Geplante Unterbrechungen, höhere Gewalt und Ausfälle unter drei Minuten fließen nicht mit ein.

SAIDI-Index für Stromausfälle; Quelle: Bundesnetzagentur
Deutschland unter den Top Ten
Laut Zahlen der Weltbank landet Deutschland damit regelmäßig unter den Top Ten Europas. Die Daten reichen allerdings nur bis 2009. In absoluten Zahlen hatten Spanien und Portugal demnach etwa doppelt so lange Stromausfälle wie Deutschland. Damit liegen sie aber immer noch im oberen Mittelfeld Europas. Von einem grundsätzlich marodem Stromnetz kann also keine Rede sein.
Allerdings ist die iberische Halbinsel geographisch gegenüber Deutschland benachteiligt. „Der Schwachpunkt des Landes war schon immer seine begrenzte internationale Vernetzung, die durch die geografische Barriere der Pyrenäen bedingt ist“, sagt Miguel de Simón Martín, Professor am Departement of Electrical Engineering der Universität León. „Derzeit beläuft sich die Austauschkapazität mit Europa auf kaum 3 Prozent der installierten Kapazität und ist damit weit von den 15 Prozent entfernt, die im Rahmen der Energie- und Klimapolitik der EU für 2030 angestrebt werden.“ Eine neue 5000-MW-Verbindung zwischen Spanien und Frankreich sei allerdings schon im Bau.
Deutschland hingegen liegt in der Mitte Europas und ist mit allen Nachbarländern gut vernetzt. Die Grenzkuppelstellen („Interkonnektoren“) hatten 2016 eine Kapazität von gut 24 Gigawatt – knapp neun Prozent der aktuell installierten Leistung von 269 Gigawatt (neuere Zahlen waren nicht in Erfahrung zu bringen). Das ist zwar noch weit entfernt von den 15 Prozent der EU-Vorgaben, aber immerhin dreimal so viel wie in Spanien.
Problem bei Blackouts: die Schwarzstartfähigkeit
Ein weiterer Faktor, der bei großflächigen Stromausfällen eine Rolle spielt, ist die sogenannte Schwarzstartfähigkeit. „Thermische Kraftwerke, wie etwa Atom-, Braunkohle oder Blockheizkraftwerke, sind ohne eine externe Stromquelle nicht startbar: Die zahlreichen Pumpen, Turbinen und Brennstoffförderanlagen müssen extern mit Strom versorgt werden, bevor die eigentliche Stromproduktion des Kraftwerks starten kann“, schreibt der Energiedienstleister Next Kraftwerke. Das heißt: Ist der Strom erstmal weg, dauert es, bis alle Kraftwerke wieder angefahren sind. (Ähnliches gilt auch für Photovoltaik-Anlagen: Sie brauchen Pufferbatterien und einen speziell dafür ausgelegten Wechselrichter, um „schwarzstartfähig“ zu sein. Sonst nutzen sie bei einem Stromausfall nichts.)
Die zunehmende Verbreitung von Batteriespeichern dämpft dieses Problem. Sie können lokale Stromnetze für eine gewisse Zeit alleine versorgen, auch nach einem Totalausfall. Bei der europäischen Vernetzung tut sich ebenfalls etwas. Derzeit sind laut Bundesnetzagentur 19 neue Interkonnektoren im Bau. Tendenziell dürfte das europäische Stromnetz also eher robuster als fragiler werden.