Entspannung 4.0: Massage-Sessel mit Virtual Reality
Die Schleusen des Raumschiffs öffnen sich und man schwebt in einer kleinen Raumfähre sitzend ins All. Begleitet von leiser Musik tanzen Meteoriten vorbei. Währenddessen wird der Körper massiert. Rollen gleiten sanft über den Rücken. An Armen und Beinen üben Luftpolster einen leichten Druck aus. Sogar die Fußsohlen werden massiert. Rollen, Klopfen, Vibrieren – etliche Massagearten sind möglich. Zwar nicht ganz so gezielt wie eine Massage per Hand, aber angenehmer als gedacht und noch Stunden später spürbar.
McChill nennt sich das neue Entspannungs-Studio, in dem Kunden sich mit VR-Brille in einen Massagesessel legen. Genauer gesagt mit einer Oculus Rift. Doch es geht nicht um spektakuläre VR-Welten und Gaming-Spaß (schon alleine, da sich der Massierte nicht bewegt und wenig vom 360-Grad-Erlebnis hat), sondern um Wellness.
VR soll Entspannung unterstützen
Die Massage ist die eigentliche Dienstleistung. Die VR soll nur dazu beitragen, dass die Kunden vom Alltag abschalten. Entspannung nicht nur im Körper, sondern auch im Kopf.
Hinter der Geschäftsidee steckt Jérôme Glozbach de Cabarrus. Der 43-Jährige ist von Hause aus Sportwissenschaftler, aber kein Neuling im Digitalgeschäft. Er hat den sicheren Messengerdienst Hoccer mitgegründet. Nach einer 50 Million Euro Investition gehört Hoccer inzwischen mehrheitlich Werbetafel-Guru Dirk Ströer. Glozbach de Cabarrus ist aber noch Geschäftsführer.
Massage to go
Sein neustes Abenteuer, McChill, scheint für manchen Kunden erst mal etwas ungewöhnlich: Normalerweise zieht man sich für eine Massage aus, hier zieht man sogar noch etwas über, die VR-Brille. Doch gerade darin liegt für Glozbach de Cabarrus das Geschäftskonzept:
Kein lästiges Aus- und Anziehen, kein Öl, das Duschen nötig macht. „Eigentlich ist die Idee, schnell in der Mittagspause eine Massage mitzunehmen, um die Work-Life-Balance zu verbessern”, sagt er. Massage to go. Termine sind nicht nötig. Bis zu neun Kunden können parallel VR-versunken massiert werden.
Große Ambitionen
Bisher gibt es gerade zwei McChill-Filialen (beide in Köln). Die erste hat im September eröffnet. „Doch wir wollen bald deutschlandweit vertreten sein, flächendeckend“, so Jérôme Glozbach de Cabarrus. Auf Facebook und im Handelsregister nennt sich das Unternehmen sogar schon „McChill Global“.
Und es ist tatsächlich günstig: zwischen 9,90 Euro für 20 Minuten oder 14,90 für 30 Minuten und 29,90 Euro pro Monat für eine Flatrate. Weit günstiger als eine traditionelle Massage per Hand.
Mc-günstig
Vielleicht zu günstig? Zwar will McChill später keine genauen Angaben zur Nachfrage machen, berichtet aber zunächst, dass aktuell acht bis zehn Kunden pro Tag vorbeikämen. Macht einen Tagesumsatz von etwa 150 Euro. Klingt nicht sehr lukrativ. Schon die Massagesessel kosten laut Hersteller gut 6000 Euro pro Stück. Hinzu kommen die VR-Technik und laufende Kosten wie Miete und Personal.
Aber Glozbach de Cabarrus ist nicht enttäuscht. Im Gegenteil: „Die Besucherzahl liegt deutlich über unseren Erwartungen.” Für die ersten drei Monate hätte er kaum mit Publikumsverkehr gerechnet. Zudem hätten sie schon etliche Gutscheine verkauft. „Die Profitabilität des ersten Studios ist nahezu erreicht,” sagt der Geschäftsführer. Finanziert worden sei das Studio allein von den Gründern und Gesellschaftern. Das sind neben Glozbach de Cabarrus unter anderem Klemens Skibicki (Professor für Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School) und Rafaela Wilde (Medienrechtlerin).
Wellness statt Medizin
Ob günstig auch gut ist? Was halten Physiotherapeuten und Masseure von der neuen Konkurrenz automatisierter Massage? Zudem einen von Massagesesseln allgemein und zum anderen speziell von der besonderen VR-Variante? Sowohl der Deutsche Verband für Physiotherapie (ZVK) als auch der Verband Physikalische Therapie (VPT) äußert sich nicht, da man zu einzelnen Produkten keine Aussage mache, beziehungsweise sich noch gar nicht mit dem Markt beschäftigt habe.
Konzept aus Japan
Menschliche und vor allem medizinische Massage möchte McChill aber auch gar nicht ersetzen. Stattdessen gehe es um eine kurze Wellness-Auszeit vom Alltag, sagt Glozbach de Cabarrus. Sein Ziel ist es, die tägliche Massage to go für jeden verfügbar und erschwinglich zu machen, wie in Japan. Dort ist er auf das Konzept der Quickie-Massagen in riesigen Massage-Hallen aufmerksam geworden.
Vom japanischen Hersteller Inada kommen auch die Sessel, der relativ individuell auf Verspannungen reagiert, rund ein Dutzend Massagearten beherrschen soll (inklusive Fußreflexzonenmassage) und einfachen Massagesesseln aus Einkaufscentern weit überlegen sei. Nur die Idee, VR hinzuzufügen, sei seine gewesen, sagt der Sportwissenschaftler. „Bei den High-Tech Massage Studios in Asien fehlte noch das Gefühl von Urlaub.” Die VR-Videos habe die Kölner Agentur make/c eigens für McChill entwickelt.
Konkurrenz am VR-Massage-Markt
Doch alleine ist McChill mit der VR-Massage-Idee nicht. Am Flughafen Dubai können Fluggäste seit diesem Sommer Massage mit VR koppeln. Auch in den USA sollen sich VR-Massageangebote ausbreiten. Man muss nicht mal so weit schauen: Das deutsche Healthcare-Unternehmen Medisana aus Neuss in der Nähe von Köln hat schon 2016 eine Kombination auf Massage-Stuhlauflage und VR vorgestellt.
Beides zu verbinden scheint naheliegend und spannend, meint Wolfgang Wieandt vom deutschen Inada-Vertriebspartner 4Deluxe. Dennoch will der japanische Sessel-Hersteller nicht selbst auf den VR-Zug aufspringen. Sessel an McChill verkaufen genüge. VR sei nicht die eigene Kernkompetenz. Sprich: Es geht auch ohne Virtuelle Realität. Das sehen offenbar einige McChill-Kunden genauso. Zwar wollen alle unbedingt die VR-Reise ausprobieren, berichtet eine McChill-Mitarbeiterin. Doch etwa jeder Dritte lasse sich nach einem kurzen Test lieber so in den Massagesessel fallen, ohne Oculus Rift.
Sowas brauch ich auch, sieht super entspannend aus :)