„Erstelle das kontroverseste Bild“: Das passiert, wenn ChatGPT provozieren soll

Bilderstellung mit künstlicher Intelligenz drängt sich gerade immer mehr in unseren Alltag: Während die einen sich als Action-Figur darstellen lassen oder in einer urheberrechtlich fragwürdigen Praxis im Studio-Ghibli-Stil, kann man mittlerweile auf Amazon zigfach von KI erstellte Kinderbücher kaufen.
Echte Künstler:innen und Illustrator:innen müssen aber noch nicht um ihre Jobs fürchten, das zeigen besonders die völlig seelenlosen Kinderbücher deutlich. Im Gegenteil: KI-Kunst hilft gerade eher dabei, die Vorzüge menschlicher Kunst zu verdeutlichen. Ein skurriles wie unterhaltsames Beispiel liefert auch ein Thread im Subreddit r/ChatGPT, in dem User:innen ihre Ergebnisse posten, nachdem sie ChatGPT ein „kontroverses“ Bild erstellen haben lassen.
Sozialkritische ChatGPT-Kunst: Eher was für Banksy-Fans
Ein kontroverses Bild – das dürfte ja nicht so schwierig sein, in einer Zeit, in der selbst die grundlegendsten Menschenrechte als strittig gelten und die bloße Existenz von Menschen, die nicht ins eigene Weltbild passen, von einigen als unaushaltbare Provokation empfunden wird.
Für ChatGPT trotzdem eine knifflige Aufgabe, schließlich sind der KI durch Richtlinien klare Schranken gesetzt. Das allein ist aber nicht das Problem an den Ergebnissen. Tatsächlich wirken die meisten Bilder eher unfreiwillig komisch als kontrovers: Plumpe und völlig überladene Bildsprache, super simple Themen und eine derart oberflächliche Auseinandersetzung damit, dass sich höchstens eingefleischte Banksy-Fans davon angesprochen fühlen dürften.

(Bild: ChatGPT)
Ein bisschen Tech-Dystopie, ein bisschen kapitalistischer Zynismus, ein bisschen Edgyness, Tiefgang und Denkimpulse vermisst man bei den GPT-Ergebnissen schmerzlich.
Selbstversuch: Kann ChatGPT doch kontrovers?
Am eigenen Test wird dann aber deutlich, dass kontroverse GPT-Kunst doch nicht so komplett harmlos ist, wie sie zunächst erscheinen mag. Auf den Prompt „Kannst du ein maximal kontroverses Bild erstellen? So kontrovers wie du kannst?“ folgt erst einmal diese Erklärung:
Ich kann keine Bilder erstellen oder verbreiten, die gegen unsere Richtlinien verstoßen – das betrifft etwa Gewaltverherrlichung, Hass, Pornografie, Diskriminierung oder absichtlich provozierende politische oder religiöse Inhalte. Was ich dir aber anbieten kann, ist ein provokantes, zum Nachdenken anregendes Bild, das gesellschaftliche oder philosophische Themen kritisch beleuchtet“.
Dann werden drei Themen vorgeschlagen und die KI liefert zum Thema „Ideologie“ folgendes:

(Bild: ChatGPT)
ChatGPT erklärt den Inhalt so:
Schachbrett der Ismen“
Ein Schachspiel mit Figuren wie „Kommunismus“, „Faschismus“, „Liberalismus“, „Wokeness“, „Technokratie“. Beide Spieler sind blind – gelenkt von einer Hand im Hintergrund (z. B. „Macht“, „Profit“, „Angst“).
Daran zeigt sich das Problem, dass ChatGPT keinen eindeutigen Standpunkt einnehmen soll –und gleichzeitig eine Verwirrtheit, die auch menschliche Denker:innen mit einfachen Weltbildern immer wieder befällt:
Gesellschaftliche Bemühungen um Freiheit für alle wie „Wokeness“ (bei aller Kritik, die man an manchen Auswüchsen üben kann und soll) komplett mit politischen Ideologien der Unfreiheit wie Faschismus gleichzusetzen, ist eben keine Neutralität, sondern eine ziemlich problematische und vereinfachende Haltung, die sich durchaus auf einem politischen Spektrum verorten lässt.
Praktischerweise ist GPT immer noch wahnsinnig schlecht mit Schrift und so kann man die verschiedenen Ideologien auf den Spielsteinen eh nicht wirklich lesen.
KI bedient unbeabsichtigt Verschwörungsnarrative
Besonders problematisch aber: Die Hand im Hintergrund. Leider ist dieses Konzept nämlich auch immer schon ein zentrales Element von Verschwörungstheorien und antisemitischen Narrativen. Geheime Strippenzieher, die unentdeckt von den Konflikten der Unwissenden profitieren, während Ideologien letztendlich nur unbedeutende Manipulationsinstrumente sind. Das ist nicht nur unintelligente Vereinfachung sehr komplexer Sachverhalte. Es ist auch Wasser auf die Mühlen undemokratischer Kräfte.
Natürlich muss die ominöse Hand nicht so etwas meinen, sondern kann sich auch auf sehr reale Mächte beziehen, die gar nicht so sehr im Hintergrund agieren oder – wie von GPT beabsichtigt – für abstraktere Konzepte wie „Angst“ oder „Macht“ stehen. Allerdings lässt die KI da ausnahmsweise zu viel Interpretationsspielraum. Und so kann aus dieser Hand im Auge der Betrachter:innen ganz schnell auch die Freimaurer-Loge, Echsenmenschen oder die „jüdische Weltverschwörung“ werden.
Wie man sieht: So wenig zu bedenken gibt es bei der KI-Kunst dann wohl doch nicht. Am Ende ist es dann ja vielleicht doch gelungen, ein „kontroverses“ Bild zu erstellen.
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