KI im Klassenzimmer: Lehrer dürfen, Schüler nicht – ein Lehrstück der Doppelmoral?

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sorgt für Zündstoff an Schulen weltweit. Während immer mehr Lehrkräfte auf Tools wie ChatGPT oder spezialisierte Grading-Software zurückgreifen, um ihren Arbeitsalltag zu erleichtern, gelten für Schüler:innen oft strenge Verbote – meist aus Sorge vor Plagiarismus und mangelndem Lernerfolg. Diese Diskrepanz führt zu wachsenden Spannungen und einer Debatte über Fairness und die Zukunft des Lernens im digitalen Zeitalter.
Aktuelle Zahlen aus den USA belegen den Trend: Laut einer Umfrage von EdWeek aus dem Februar 2025 geben neun von zehn befragten Pädagog:innen an, dass KI ihre Arbeit verändert hat. Sie nutzen die Technologie vor allem zur Unterrichtsvorbereitung, zur Erstellung von Übungsmaterialien und zunehmend auch zur automatisierten Bewertung von Aufgaben, wie Daten des World Economic Forum (WEF) aus dem Januar 2025 nahelegen.
Spezialisierte Tools wie Gradescope oder Cograder versprechen hierbei massive Zeiteinsparungen für die Lehrkräfte. Gleichzeitig sind Schüler:innen längst selbst zu versierten KI-Nutzer:innen geworden; in Deutschland sollen laut einer aktuellen Erhebung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) mit Sitz in Berlin bereits rund drei Viertel KI für schulische Zwecke eingesetzt haben.
Streitpunkt Doppelmoral: Schüler:innen fühlen sich ungerecht behandelt
Dennoch sehen sich viele Schüler:innen mit Verboten oder strengen Auflagen konfrontiert, da Schulen befürchten, dass Aufgaben nicht mehr eigenständig gelöst werden. Aus Sicht vieler Lernender wirkt dieses Vorgehen heuchlerisch. „Wenn Schüler:innen sich anstrengen, warum dürfen Lehrer:innen dann faul sein und die KI für sich benoten lassen?“, zitiert die New York Times einen Highschool-Schüler.
Besonders paradox erscheint es vielen, wenn Lehrkräfte KI-Detektoren einsetzen, deren Zuverlässigkeit sie selbst oft anzweifeln und die laut Berichten der Studierendenzeitung The Orion sogar diskriminierendes Potenzial haben könnten, etwa gegenüber Nicht-Muttersprachler:innen. Währenddessen entwickeln erste Institutionen wie das International Baccalaureate (IB) mit Sitz in Genf, Schweiz, bereits detaillierte Richtlinien (PDF), was als akzeptable KI-Unterstützung gilt und was als Täuschung.
KI-Kompetenz als Ziel: Deutsche Schulen suchen den Weg nach vorn
In Deutschland zeichnet sich ein differenzierterer Weg ab. Das Schulministerium in Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, etwa rät in einem viel beachteten Handlungsleitfaden (PDF) von pauschalen Verboten ab. Stattdessen solle man die Potenziale und Risiken ausloten und auf Transparenz setzen – inklusive klarer Regeln, wie Schüler:innen die Nutzung von KI kenntlich machen sollen.
Die Praxis hinkt allerdings teils hinterher, wie der MDR berichtet, auch wenn Leuchtturmprojekte wie eine Leipziger Schule mit eigenem KI-Experten existieren. Bildungsforscher wie Professor Klaus Zierer von der Universität Augsburg in Bayern betonen laut Deutschem Schulportal, dass es auf die pädagogische Einbettung ankomme – KI als Werkzeug, nicht als Ersatz für Denkarbeit. Gleichzeitig fordern Schüler:innen in Bundesländern wie Thüringen mehr Aufklärung über KI im Unterricht.
Überregional herrscht Einigkeit, dass der Schlüssel in der Qualifizierung der Lehrkräfte und der Förderung von KI-Kompetenz bei allen Beteiligten liegt. Organisationen wie TeachAI mit Sitz in den USA schlagen sogar vor, Nutzungsvereinbarungen gemeinsam mit Schüler:innen zu entwickeln.
Neben diesen organisatorischen und pädagogischen Anpassungen geht es jedoch um weit mehr als nur den pragmatischen Einsatz neuer Werkzeuge. Die zentrale Herausforderung liegt darin, Bildung und Kreativität für eine KI-geprägte Zukunft neu zu denken und dabei durch umfassende Kompetenzförderung faire Chancen für alle im digitalen Wandel zu schaffen.