Kreatin fürs Gehirn: Diese Studie zeigt, wie es bei Schlafmangel kognitive Leistung steigert
Wer schon mal eine Nachschicht für die Arbeit einlegen musste, weiß, wie der Schlafentzug irgendwann Konzentrationsfähigkeit und Denkvermögen erodiert. Um wachzubleiben und sich konzentrieren zu können, greifen viele zu Kaffee und Energiegetränken. Wie Jülicher Forscher kürzlich in einer kleinen Pilotstudie herausgefunden haben, könnte bei Schlafmangel auch Kreatin die kognitive Leistungsfähigkeit steigern.
Im Rahmen der Studie verabreichten Wissenschaftler vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich und der Uniklinik RWTH Aachen unter Leitung von Ali Gordjinejad 15 Probanden eine hohe Dosis Kreatin – 0,35 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht – und hielten sie anschließend über Nacht wach. Im Laufe der Nacht absolvierten die Teilnehmer dann wiederholt Reaktionstests und lösten kognitive Aufgaben.
Schon ab der dritten Stunde nach der Einnahme des Kreatins zeigte sich ein positiver Effekt auf den Gehirnstoffwechsel und die kognitive Leistungsfähigkeit der Probanden. Der Effekt erreichte nach vier Stunden seinen Höhenpunkt und dauerte bis zu neun Stunden an. Es verbesserten sich insbesondere die Verarbeitungsleistung und das Kurzzeitgedächtnis.
Die Studienteilnehmer mussten zum Beispiel, sobald sie ein Lämpchen aufleuchten sahen, so schnell wie möglich draufdrücken. „Das ist die sensitivste Möglichkeit, Müdigkeit zu testen“, sagt Gordjinejad. Dazu kamen Aufgaben für das Kurzzeitgedächtnis, bei denen sich die Probanden Abfolgen von zwölf Zahlen merken und später richtig wiedergeben mussten. Sie bekamen auch viele Wortpaare eingeblendet, die sie sich einprägen sollten, und mussten sich später, wenn nur eines der Wörter gezeigt wurde, an das Partnerwort erinnern. Abschließend erfolgte ein schriftlicher Multiple-Choice-Test.
Schlafmangel erhöht die Kreatin-Aufnahme
Das Experiment habe gezeigt, das ausgerechnet der Schlafmangel selbst dafür sorgt, dass die Gehirnzellen größere Mengen Kreatin in kurzer Zeit aufnehmen, so Gordjinejad. Die Zellen gerieten in eine Art Stresszustand, der sie mehr Kreatin aufnehmen lasse. Normalerweise dauere es weitaus länger, bis zugeführtes Kreatin von Zellen aufgenommen wird, und auch dann nur in kleineren Mengen.
„Kreatin ist ein Nahrungsergänzungsmittel, das bisher hauptsächlich in der Sportcommunity benutzt wird, weil es die körperliche Leistungsfähigkeit steigert“, sagt der Wissenschaftler. Es sei legal erhältlich. Doch selbst bei täglicher Einnahme sähen Sportler frühestens nach einer Woche Verbesserungen.
Der Körper nutzt Kreatin in Form von Kreatinphosphat als Energiereservoir, um vor allem die Skelettmuskeln, aber auch Gehirn- und Nervenzellen mit Energie zu versorgen. Dabei stellt er das Kreatin selbst aus Aminosäuren und einem Phosphatrest her – weshalb er auch so wenig von außen aufnimmt.
Brauchen etwa die Muskelzellen einen Boost, gibt das Kreatinphosphat seine Phosphatgruppe an ein Molekül namens Adenosindiphosphat (ADP) ab und baut es zum zellulären Energiemolekül Adenosintriphosphat (ATP) auf, regeneriert verbrauchtes ATP also. Bei intensivem Sport wird viel ATP verbraucht, das zugeführte Kreatin sollte die sich leerenden Speicher wieder auffüllen helfen.
Auslöser der Studie seien Studienergebnisse gewesen, die bei Sportlern nach intensivem Training eine höhere Kreatinaufnahme von außen gezeigt haben, berichtet Gordjinejad. Andere Studien lieferten Hinweise auf Verbesserungen der kognitiven Leistungsfähigkeit nach einer Kreatindiät, zum Beispiel bei Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren und den sonst durch Fleisch gelieferten Kreatinpegel durch die Nahrungsergänzungsversion auffüllen. Aber auch hier dauerte es einige Zeit, bis sich Verbesserungen zeigten.
Kein Wundermittel
Gordjinejad betont, dass die Studienergebnisse erstmal nicht bedeuten, Kaffee bekomme Konkurrenz durch Kreatin. Die kognitiven Verbesserungen sind zwar geringfügig da, die verabreichte Einmaldosis an Kreatin ist jedoch viel höher als es gesund wäre. „Das ist also überhaupt keine Empfehlung, man sollte es auch tunlichst vermeiden und nicht nachmachen“, warnt Gordjinejad. Dauerhaft eingenommen könnte diese Dosis zum Beispiel zu Nierenschäden führen.
Es sei eine Machbarkeitsstudie gewesen, um herauszufinden, ob Kreatin auch in kürzerer Zeit leistungssteigernd auf kognitive Prozesse wirken könne. Es wäre lohnenswert, in weiteren Studien zu untersuchen, ob Kreatin bei Schlafmangel auch in geringeren Dosen produktiver machen kann.