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Analyse

Großer Sprung oder tiefer Fall? 9 von 10 Tech-Startups scheitern auf dem Weg zum Massenmarkt

Technologie-Startups brauchen Mut und Marktkenntnis, um den Sprung von Early Adoptern zum Massenmarkt zu schaffen. Dabei ignorieren viele von ihnen bewiesene Strategien, die gleichzeitig jede Zielgruppe einzeln und das Gesamtbild des Produktes betrachten, findet unser Gastautor.

Von Patrick Brienen
5 Min.
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(Bild: Shutterstock)

Der Technology-Adoption-Life-Cycle ist die Antwort auf die Frage: „Wie reagiert der Markt auf eine neue Technologie?“. Innovative Produkte tun sich oft schwer, sich vom gehypten Trendprodukt im Massenmarkt zu etablieren. Ich nenne diesen Übergang die „Brücke des Todes“, die überquert werden muss. Doch bis in die 90er Jahre hinein gingen Ökonomen davon aus, dass sich technologische Innovationen anhand einer Normalverteilung im Markt ausbreiten.

Die Tücke der unsichtbaren Kluft im Technology-Adoption-Life-Cycle

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Ohne größere Sprünge erschloss nach dieser Theorie der technologische Fortschritt zunächst die ersten kleinen Zirkel von Technik-Fans übergehend zu einer größeren Gruppe von Early Adoptern, um anschließend auch in der Masse Pragmatiker, Konservative und Nachzügler für sich zu gewinnen. In seinem Buch „Crossing the Chasm: Marketing and Selling High-Tech Products to Mainstream Customers“ stellt Geoffrey A. Moore jedoch fest, dass Unternehmen bei der Vermarktung neuer Technologien oft an ein und derselben unsichtbaren Kluft scheitern. Dieser von ihm „Chasm“ genannte Abgrund beschreibt den Abstand zwischen dem kompromissbereiten „Early Market“ und dem Massenmarkt. Ihn zu überwinden vermögen die wenigsten Startups, weil dieser Sprung ein hundertprozentiges Commitment und Mut zur Veränderung verlangt.

5 Segmente, 5 unterschiedliche Ansprüche

Laut Moores „Crossing the Chasm“-Theorie besteht der Markt für Technologieinnovationen aus fünf Anspruchsgruppen: Innovatoren, frühe Anwender, frühe Mehrheit, späte Mehrheit und Nachzügler.

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The Chasm: Die unsichtbare Kluft im Technology-Adoption-Life-Cycle. (Grafik: proxi.me für orderbird)

Die Innovatoren sind eine verschwindend geringe, besonders technikaffine Gruppe von nur rund 2,5 Prozent des Marktes. Dennoch sind sie es, die Startups zunächst beflügeln, denn mit ihrem Enthusiasmus stecken sie die nächste Kategorie der Early Adopter an. Diese sind deutlich weniger mit Technologie vertraut, erkennen aber den potenziellen Fortschritt und sind kompromissbereit.

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Neue Technologien oder disruptive Ideen an diese Zielgruppe zu verkaufen ist nicht schwer: Unternehmen mit Innovationen rennen hier offene Türen ein. Hinter diesen zwei flexiblen und risikobereiten Gruppen tut sich nun die Kluft zum Massenmarkt auf: Kunden aus der frühen Mehrheit sind extrem pragmatisch und warten lieber ab, anstatt den maximalen Nutzen aus einem Produkt ziehen. Um sie zu gewinnen, muss der neue technologische Herausforderer nicht nur günstiger sein als bestehende Lösungen, sondern auch eine bessere User-Experience, besseren Service und eine gewisse Markenbekannheit mitbringen.

Diese Anforderungen zu erfüllen ist ein gewaltiger Sprung für jedes Startup, der von Entwicklung bis Vertrieb und Kommunikation ein Umdenken in allen Abteilungen erfordert. Wie soll man Marktführer werden, wenn die größte Kundengruppe nur vom Marktführer kauft? Typisch deutsch, risikoscheu: erstmal abwarten und den Status quo konservieren. Nehmen wir allein den Vertrieb: Während Innovatoren und frühe Anwender durch einen vom Startup erzeugten Bedarf gewonnen werden, wandelt sich das Startup im frühen Massenmarkt zum Bedarfserfüller. Um den Massenmarkt komplett zu erschließen, muss die Gruppe der späten Mehrheit, die circa 33 Prozent ausmacht, überzeugt werden. Diese wartet in der Regel auf Version X einer Technologie, um dann spät und risikoarm einzusteigen. Technischer Support und Service ist ihnen wichtig. Die Nachzügler, die an Technologie nicht interessiert sind, überzeugen Startups in der Regel sowieso nicht. Wer sich an ihnen abmüht, führt erfolglose Schattenkämpfe.

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Von der Basis in die Masse – nur mit einem Richtungswechsel gelingt der Sprung

Doch wie nun den Absprung schaffen? Zunächst einmal ist es unumgänglich, einen spezifischen Nischenmarkt zu identifizieren, um von ihm aus zu starten. Idealerweise stehen die Akteure in diesem Markt unter massiven Druck, ein konkretes Problem zu lösen – wie zum Beispiel Manager für die der Zugang zu Börsenkursen und E-Mails von unterwegs aus einen irrsinnigen Mehrwert hat.

Die ersten Smartphones waren hässlich, teuer, langsam und vor allem batterieschwach. Trotzdem setzten sie sich in der Nische „Manager“ relativ schnell durch, während der restliche Markt eher müde darüber lächelte. Den Sprung in den Massenmarkt schafften die Smartphones dann, als die Kinderkrankheiten einigermaßen beseitigt waren, nützliche Alltagsfunktionen wie der MP3-Player und eine ordentliche Kamera hinzukamen und die ganze Sache durch Produktpakete der Netzbetreiber einigermaßen erschwinglich wurde.

So etablieren sich Innovationen am Massenmarkt

Wie oben beschrieben ist es nicht schwer, die Innovatoren und Early Adopter von einem neuartigen Angebot zu überzeugen, das günstiger, einfacher und natürlich sexy ist. Doch um den Sprung zum konservativen Massenmarkt zu schaffen, bedarf es mehr als „nur“ ein besseres Angebot. Ich nenne diesen Schritt die „Brücke des Todes“, weil Unternehmen sich voll und ganz auf ein Subsegment des Marktes fokussieren müssen. Die gesamte Strategie muss auf diese Zielgruppe am Massenmarkt abgestimmt werden: Features, Service, Preis, Marke, PR, Investor Relations, Mitarbeiter, Vertriebskanäle und so weiter. Das bedeutet aber auch ein Stück weit Risiko. Alles wird auf eine Karte gesetzt und oft entstehen genau in diesem Prozess Lerneffekte im Kundenumgang. Unternehmen müssen lernen, nein zu sagen. Nein zu Kunden, die unter Umständen nicht 100 Prozent zufriedengestellt werden können oder sich einfach außerhalb des Zielsegements befinden.

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Das Ziel ist es, in einem Subsegment so gut zu werden, dass sogar die konservativen Pragmatiker begeistert werden können und anfangen, über das Produkt zu sprechen. Denn während Innovatoren und Early Adopters innovative Produkte fast automatisch finden, wird der Massenmarkt über Mundpropaganda gewonnen. Da spielen innovative Features irgendwann nur noch eine untergeordnete Rolle und zum Beispiel ein vertrauensbildendes TÜV-Siegel katapultiert die Konversionsrate nach oben. Willkommen im Mainstream.

Entwicklung vom Kernprodukt zum erweiterten Produkt. (Grafik: proxi.me für orderbird)

Viele Startups scheitern daran, ihre Vermarktung nicht rechtzeitig und radikal genug nach dem oben beschriebenen Prinzip anzupassen und stürzen so ins tiefe Tal des Misserfolgs. Dahinter stehen oftmals psychologische Gründe. Gerade die Anfangserfolge bei den Early Adoptern schmeicheln dem Gründerstolz. Sie scheinen der Beleg dafür, alles richtig zu machen. Schließlich gilt man als innovativ und die eigene Technologie als neu und sexy. Doch um das eigene Startup auf eine breitere Basis zu stellen, kommen Startups nicht umhin, sich mit den Bedürfnissen der Early Majority auseinanderzusetzen.

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Kommentare (2)

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danbar87

Sehr spannend! Ich habe bereits 2009 über genau das gleiche Modell in der IBM einen Essay dazu geschrieben.

Unklar ist, ob das Modell auch wirklich auch auf andere Produkte außerhalb von Software übertragbar ist. So oder so ist der Adaption Cycle eine tolle Illustration.

sandy-csisko

Danke für’s Teilen der Insights – das ist der #OrderbirdSpirt :)

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