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Wie ein elektrischer Nähfaden Wunden schneller heilen lässt

Seit Jahrzehnten arbeiten Forscher:innen daran, wie man mit elektrischen Feldern die Wundheilung beschleunigen kann. Ein neuer Vorstoß macht sich die Bewegung der umliegenden Muskeln zunutze.

Von Veronika Szentpétery-Kessler
3 Min.
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Die Wundheilung ist ein Knackpunkt in der Behandlung. (Grafik: Metamorworks / Shutterstock 736694506)

Die bescheidene Wundnaht könnte eine besondere neue Fähigkeit erhalten. Chinesische Wissenschaftler von der Universität Donghua in Shanghai haben ein selbstauflösendes chirurgisches Garn entwickelt, das Schnittwunden nicht nur gegen das Eindringen von Keimen abdichtet, sondern die Heilung auch elektrisch stimuliert. Dafür erzeugt das Garn ein schwaches elektrisches Feld, das umliegende Zellen zur Wunde hinwandern lässt. Auf diese Weise wachsen die Wundränder schneller zusammen und das Risiko einer Infektion sinkt.

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In Versuchen: Schnittwunden wuchsen schneller zusammen

Wie die Forschenden um Chengyi Hou und Zhouquan Sun im Fachjournal „Nature Communications“ berichten, ließ ihr Faden Schnittwunden bei Versuchsratten um bis zu 50 Prozent besser verheilen als zwei Kontrollfäden. So waren mit dem neuen Garn genähte Wunden nach zehn Tagen bereits zu 96,5 Prozent verheilt. Zu diesem Zeitpunkt waren mit einer handelsüblichen, selbstauflösenden Wundnaht versorgte Schnitte erst zu 82,2 Prozent wieder zusammengewachsen. Die Wunden von Tieren schließlich, die mit einem nicht-selbstauflösenden chirurgischen Garn genäht worden waren, waren sogar nur zu 60,4 Prozent verheilt.

Die Elektrostimulation der Fäden löste dabei nicht nur die Bewegung von Zellen aus. Sie bewirkte auch eine erhöhte Zellteilung, die vermehrte Freisetzung von Wachstumsfaktoren und das Wachstum von Blutgefäßen. Zudem führte das neue Nahtmaterial bei infizierten Wunden zu einer besseren Heilung und einer deutlich geringeren Keimzahl, als es in Wunden der Fall war, die mit herkömmlichen chirurgischen Nähten genäht wurden. Die Bakterienzahl blieb auch ohne tägliche Wunddesinfektion niedrig, was die Wissenschaftler hoffen lässt, dass ihr Faden postoperative Infektionen verringern könnte. Im nächsten Schritt plant das Team, den neuen Faden auch an Menschen zu testen.

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Wie der elektrische Faden aufgebaut ist

Das Wundgarn ist ähnlich wie ein Koaxialkabel aus mehreren konzentrischen Materialschichten aufgebaut. Ganz innen befindet sich eine dünne Magnesiumfaser, die von zwei Polymerschichten umgeben ist. Zuerst werden Fasern aus Polylactid-co-Glycolid (PLGA) um den Magnesiumkern geflochten und anschließend eine Schicht Polycaprolacton (PCL) aufgebracht. Alle drei Schichten seien bioabbaubar und wurden gut vertragen, schreiben die Autor:innen.

Dank seines Aufbaus benötigt der neue Faden keine externe Energiequelle oder Apparatur, um das elektrische Feld zu erzeugen. Er nutzt vielmehr die Bewegung der umliegenden Muskeln. Wenn sich diese zusammenziehen und wieder entspannen, krümmt sie die Naht und die zwei äußeren Nahtschichten bewegen sich gegeneinander. Dabei wandern Elektronen aus der mittleren in die äußere Schicht, es entsteht Reibungselektrizität und ein elektrisches Feld.

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Zellen spüren elektrische Felder

„Das kann funktionieren, weil auch Hautzellen elektrische Felder wahrnehmen können“, sagt Thomas Stieglitz von der Universität Freiburg. Diese Fähigkeit nennt man Elektrotaxis. Je nach Zelltyp orientieren sich Zellen entlang oder im rechten Winkel zu elektrischen Feldern „In diesem Fall werden die Zellen vom elektrischen Feld geleitet, über die Wunde hinweg zu wandern und sie somit zu schließen“, ergänzt der Medizintechnik- und Elektrotechnikingenieur. Bisher sieht er keine erfolgreichen Beispiele für Entwicklungen in der Klinik, die im Körper Energie gewinnen, um heilende Prozesse anzutreiben.

Elektrische Felder spielen auch natürlicherweise eine wichtige Rolle im Körper, zum Beispiel als Signale für die Embryonalentwicklung und die Entwicklung von Geweben. Die Felder entstehen auch bei Hautverletzungen, wenn es zwischen der Wunde und dem intakten Hautgewebe drumherum zum Ionenaustausch kommt, und sie unterstützen die Heilung. Diesen Prozess soll die neue Wundnaht imitieren und stärken.

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An der elektrischen Wundstimulation zur schnelleren Heilung wird seit einigen Jahrzehnten geforscht. Im Fokus stehen dabei oft auch flächige, schlecht heilende chronische Wunden, an denen zum Beispiel Diabetiker und ältere Menschen leiden. Bei solchen Wunden ist die natürliche Entstehung von elektrischen Feldern gestört. Um das auszugleichen, arbeiten etwa Forscher von der Technischen Universität Chalmers in Göteborg und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ein externes Elektrodensystem, das verschiedenartig ausgerichtete elektrische Felder erzeugen und mit diesen mehrere Zellarten auf einmal gezielt lenken kann: Hornbildende Zellen der Oberhaut und Bindegewebszellen der mittleren Lederhaut. Bisher funktioniert das von Stieglitz‘ früherer Kollegin Maria Asplund geleitete Projekt erst in sogenannten Mikrofluidikchips mit Zellkulturen. Daraus sollen therapeutische Anwendungen erwachsen.

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