Autorenwerkzeuge für interaktive Screencasts: Kamera läuft!
Mittlerweile finden sich aber einige ausgereifte und kostengünstige Autorenwerkzeuge, um videobasierte Software-Trainings mit vertretbarem Aufwand zu produzieren. Dabei beschränken sich diese Programme schon lange nicht mehr auf das reine Abfilmen des Bildschirmgeschehens, sondern ermöglichen auch vielfältige Interaktionen bis hin zur Erstellung interaktiver Software-Simulationen.
Speziell im Business-Umfeld wächst der Funktionsumfang moderner Software ständig und zwingt die Anwender dazu, sich dauernd auf dem Laufenden zu halten, um der Software gewachsen zu bleiben. Das Erlernen einer neuen Anwendung oder neuer Funktionen ist dabei ein komplexer Prozess. Zunächst müssen die Lernenden die der Anwendung zugrunde liegenden Konzepte, Fachbegriffe und Metaphern kennen und verstehen. Darauf aufbauend müssen die Anwender lernen, wie einzelne Funktionen Schritt für Schritt zu bedienen sind. Ähnlich wie beim Autofahren das Gasgeben, Schalten und Kuppeln muss die Bedienung der Software dabei nach und nach „in Fleisch und Blut“ übergehen, sodass die Anwender sich wieder voll und ganz auf ihren eigentlichen Job konzentrieren können. Schließlich müssen die Lernenden Strategien entwickeln, um auch Problemsituationen (z. B. Softwarefehler) möglichst effektiv zu bewältigen. In der Praxis ist dabei immer seltener Zeit, sich beispielsweise im Rahmen einer Schulung in aller Ruhe mit der Software zu beschäftigen. Vielmehr muss der Umgang mit der Software häufig während der ganz normalen Arbeit erlernt werden.
Die skizzierten Herausforderungen lassen sich in vielerlei Hinsicht mit den Anforderungen beim Erlernen eines Handwerks vergleichen. Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz basiert auf neueren Lerntheorien und wurde ursprünglich für die Handwerksausbildung entwickelt, lässt sich aber ohne Probleme auch auf die Entwicklung von Software-Trainings übertragen. Der Ansatz gliedert den Lernprozess in drei Phasen:
- Modelling: Während der Modelling-Phase zeigt ein erfahrener Coach oder Trainer Schritt für Schriit die Bedienung einer Software-Anwendung. Dabei ist es besonders wichtig, dass er nicht nur erläutert, was er tut, sondern auch, dass er seine Denkprozesse in Worte fasst und damit für die Lernenden zugänglich macht.
- Coaching/Scaffolding: In dieser Phase ist nun der Anwender selbst mit einem ähnlichen Anwendungsproblem konfrontiert und soll es – zumindest in Teilen – selbst lösen. Der Coach greift nur noch ab und zu ein oder gibt Tipps.
- Exploring: In der Exploring-Phase lösen die Lernenden eigenständig ähnlich gelagerte Problemsituationen ohne fremde Hilfe und tauschen sich gegebenenfalls untereinander über ihre Lösungswege aus.
Es dürfte klar sein, dass sich nicht alle Phasen allein durch Lernprogramme abbilden lassen. Die Modelling-Phase, in der ein Trainer die Bedienung einer Anwendung zeigt, erscheint aber prädestiniert für Bildschirmmitschnitte mit Audiokommentaren. Und auch die Coaching/Scaffolding-Phase lässt sich mit Autorenwerkzeugen wie Camtasia Studio von Techsmith oder Captivate von Adobe recht gut abbilden. Die genannten Autorenwerkzeuge ermöglichen die Integration vielfältiger Interaktionen in die Filmsequenzen. Speziell mit Captivate können so auf vergleichsweise einfache Weise umfangreiche Software-Simulationen erstellt werden, in denen die Lernenden selbst aktiv in das Geschehen eingreifen können.
Screen-Recordings mit CamStudio
Kommt es nicht auf eine professionelle Gestaltung der fertigen Screenvideo-Produktion an, sondern geht es eher um eine einfache Aufzeichnungsmöglichkeit, genügen womöglich schon kostenlose Tools wie CamStudio 2 [1]. CamStudio bietet eine weitgehend zuverlässige Aufzeichnungsmöglichkeit des Bildschirmgeschehens und lässt parallel die Aufzeichnung von Audiokommentaren zu. Darüber hinaus ermöglicht CamStudio das Einfügen von Texteinblendungen während der Aufzeichnung, und über eine Webcam kann der Trainer in die Screenvideo-Produktion eingeblendet werden.
Die fertigen Videos lassen sich als AVI- oder SWF-Datei exportieren. Weitere Bearbeitungsmöglichkeiten oder differenziertere Exporteinstellungen für das fertige Video bietet CamStudio jedoch nicht. CamStudio eignet sich für die gelegentliche Aufzeichnung kurzer Bildschirmsequenzen, beispielsweise als Reaktion auf Supportanfragen von Kunden. Wer schon eine eigene Videoschnitt-Software nutzt, kann diese für die weitere Bearbeitung der mit CamStudio aufgezeichneten Videosequenzen nutzen, ohne sich in eine neue Anwendung einarbeiten zu müssen.
Der Altmeister: Camtasia Studio 5
Camtasia Studio [2] bietet einen deutlich größeren Funktionsumfang, zahlreiche Arbeitserleichterungen für die Nachbearbeitung und viele Exportformate für die Distribution der fertigen Videos. Mit der in der aktuellen Version 5 integrierten SmartFocus-Funktion können in Abhängigkeit von den gefilmten Bildschirmaktionen weitgehend automatisch Zooms und Schwenks erzeugt werden. Somit bleiben Icons, Menüpunkte oder Benutzereingaben auch bei Videos, die nicht in voller Bildschirmauflösung veröffentlicht werden sollen, gut erkennbar. Die Zooms und Schwenks können auf recht einfache Art nachträglich noch bearbeitet werden. Bei der Aufzeichnung überzeugt Camtasia mit einer sehr guten Performance, die das System während der Aufzeichnung nicht ausbremst und ruckelfreie Ergebnisse liefert.
Die Nachbearbeitung der einzelnen Videosequenzen ähnelt einfachen Videoschnittprogrammen à la Windows Movie Maker, Premiere Elements und Co. Ausgangsmaterial in Form von Videosequenzen, Grafiken, Titelfolien oder Audioelementen wird in einem Clip-Bereich vorgehalten und verwaltet. Die einzelnen Clips können dann auf der Timeline in der gewünschten Reihenfolge arrangiert werden.
Mit so genannten „Callouts“ werden grafische Elemente und Texteinblendungen in die Videos eingefügt, es stehen aber auch komplexere Elemente zur Verfügung: Schaltflächen ermöglichen das interaktive Eingreifen des Lernenden in den Ablauf des Lernprogramms. Beim Klick springt das Video an eine andere Stelle innerhalb des Videos, oder es wird eine externe URL aufgerufen. Damit werden prinzipiell interaktive verzweigte Trainings möglich. Durch transparente Schaltflächen erhalten die Anwender den Eindruck, als würden sie einen Menüpunkt oder ein Symbol direkt in der gezeigten Software-Anwendung anklicken. Je nachdem, ob die Eingabe korrekt war oder nicht, verzweigt das Video an eine andere Stelle und stellt den Lernenden gegebenenfalls zusätzliche Informationen bereit.
Noch mehr Interaktion: Adobe Captivate
Bei solchen Verzweigungen stößt das Konzept, das gesamte Software-Training auf einer Timeline anzuordnen, an seine Grenzen. An dieser Stelle spielt Adobe Captivate [3] seine Stärken aus: Die Software arbeitet mit einer Folienmetapher, die man aus Präsentationsprogrammen wie Microsoft Powerpoint kennt. Captivate ist weit mehr als eine reine Screenrecording-Lösung, denn es lassen sich auf einfache Art interaktive Präsentationen erstellen, die unter anderem auch Bildschirmmitschnitte enthalten können. Captivate eignet sich deshalb auch für Produktpräsentationen oder zur Erstellung von Web-Based-Trainings. Bei der Aufzeichnung von Bildschirminhalten verfolgt Captivate einen komplett anderen Ansatz als Camtasia oder CamStudio. Die Bildschirmaktivitäten des Trainers (z. B. Mausbewegungen, Tastatureingaben) werden nicht als Videostream aufgezeichnet, sondern analysiert und anschließend in Captivate nachgestellt. Der große Vorteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Mausbewegungen, Klicks oder Tastatureingaben können während der Nachbearbeitung noch verändert werden.
Wer Wert darauf legt, das Bildschirmgeschehen zeitgleich mit dem Audiokommentar aufzuzeichnen und dabei natürliche Mausbewegungen zu erhalten, kann anderweitig aufgezeichnetes Videomaterial importieren und Captivate lediglich zur Montage komplexer Lerneinheiten verwenden. Wichtig dabei ist es, von Anfang an in allen Programmen mit der gleichen Framerate zu arbeiten, da es sonst zu Problemen mit dem Timing kommen kann. Bei der Konstruktion von umfangreichen Lerneinheiten und der Integration interaktiver Elemente glänzt Captivate durch eine Reihe von Komfortfunktionen. So lässt sich mittels der Storyboard- und Verzweigungsansicht ein schneller Überblick über Inhalt und Struktur des aktuellen Projekts gewinnen.
Noch sinnvoller ist es, diese Funktionen vor der eigentlichen Produktion zur einfachen Drehbucherstellung zu nutzen. Mit ein paar einfachen Kniffen ist es auch möglich, eigene Formatvorlagen für Hinweistexte, Fehler- und Erfolgsmeldungen zu erzeugen. Die entsprechenden Vorlagen liegen im Ordner „gallery/captions“ im Programmverzeichnis. Neben interaktiven Schaltflächen sind auch Texteingabefelder in die Präsentation integrierbar, mit denen Benutzereingaben überprüft und entsprechende Verzweigungen realisiert werden können. Captivate bietet damit alle wesentlichen Elemente, um einfache Software-Simulationen zu erstellen.
Infos | Kosten | Plattform | |
RenderSoft Camstudio | http://camstudio.org/ | keine (GPL) | Windows NT, 2000, XP, Vista |
Adobe Captivate 3 | http://www.adobe.com/de/products/captivate/ | ca. € 650,- (Upgrade: ca. € 285,-) | Windows 2000, XP, Vista |
Techsmith Camtasia Studio 5 | http://www.techsmith.de | ca. € 260,- | Windows XP, Vista |
Vara ScreenFlow | http://www.varasoftware.com/products/screenflow/ | ca. € 80,- | Mac OS X |