Das Erste, was einem beim Öffnen der Startseite auffällt, ist sein vergleichsweise schlichtes Design. Wo die Demoseiten des Oxid eShop oder auch von Magento vor optischen Gimmicks nur so strotzen, kommt Shopware schnörkellos daher. Das muss allerdings kein Nachteil sein: Wer schon einmal ein Shop-Projekt umgesetzt hat, weiß, dass man individuelle Layouts schneller auf Basis einer reduzierten Vorlage als auf einem visuell komplexen Standard-Template aufbaut.
Das Frontend
Im Frontend fällt vor allem eine Neuerung sofort ins Auge: Die Live-Suche. Das ist eine Funktion, die sich bei anderen Systemen wie Oxid eShop oder Magento nur durch Installation entsprechender Erweiterungen integrieren lässt. Beginnt ein Shopbesucher, einen Suchbegriff einzugeben, zeigt das System – wie das mittlerweile auch von der Google-Suche bekannt ist – passende Treffer direkt an. Das Suchergebnis selbst ist filterbar und erlaubt dem Kunden schnell, die Treffermenge einzuschränken.

Die Produktdetailseite ist klar gegliedert, enthält ein Bilder-Zoom, sinnvoll angeordnete Produktinformationen sowie zugeordnete Cross-Selling-Produkte. Neben dem Verkauf „einfacher“ Produkte erlaubt das System es auch, mehrdimensionale Variantenartikel darzustellen, bei denen der Kunde sich bei einem T-Shirt beispielsweise für eine Größe und eine Farbe entscheiden kann. Auch das Verkaufen von Produkten gemäß der Grundpreisverordnung ist für Händler möglich und in der Artikelpflege berücksichtigt.

Eine Bestellung ist in wenigen Schritten abgeschlossen. Dabei ist die Einrichtung eines Gastkontos genauso enthalten wie die Möglichkeit, eine abweichende Lieferadresse anzugeben. Die Bestellübersichtsseite entspricht in der Betaversion bereits zum größten Teil den Vorgaben der viel diskutierten Button-Lösung, die seit dem 1. August 2012 für alle Shop-Betreiber obligatorisch ist – in der finalen Version werden diese laut Entwickler komplett umgesetzt sein.
Alles in allem bieten sich dem Besucher im Frontend alle Funktionen, die man von einem Shop-System im Jahr 2012 erwarten kann. Das Programm macht einen stabilen und schnellen Eindruck und hält sich in puncto Javascript-Gimmicks zurück – wenn man von der Warenkorb-Funktionalität absieht, die in einem zusätzlichen Layer eingeblendet wird.
Das Backend
Ganz anders präsentiert sich das Backend, das vor dynamischen JavaScript-Elementen nur so strotzt und im Vergleich zu anderen Shopsystemen völlig anders aufgebaut ist. Durch die Nutzung des JavaScript-Frameworks Ext JS [1] realisieren die Macher von Shopware eine Fenster-Systematik, die sehr an die bekannte Windows-Benutzeroberfläche erinnert. Dazu gehört eine Statusleiste und Fenster, die sich minimieren und zu voller Größe aufklappen lassen. In der Version 4 haben die Entwickler das Backend außerdem so erweitert, dass verschiedene Arbeitsflächen erstellt und mit Fenstern gefüllt werden können. Dadurch ist es beispielsweise möglich, einen Desktop für die Artikelpflege und einen weiteren für die Verwaltung der Bestellungen anzulegen. Durch frei positionierbare Widgets lassen sich zudem wichtige (Echtzeit)-Daten im Hintergrund visualisieren.

Das Backend kommt insbesondere den Nutzern zugute, die sich mit der Anwendung von Windows-Programmen auskennen. Umgewöhnen müssen sich die Nutzer, die es gewohnt sind, bei der Verwaltung ihrer Shops auf ein Backend zuzugreifen, das gemäß normaler Web-Logik funktioniert – Magento, Oxid eShop oder sogar das antiquierte osCommerce seien hier als Beispiele genannt: Es ist ein merklicher Unterschied, entweder HTML-Formulare auszufüllen oder mit einer beliebig großen Anzahl von Eingabefenstern zu jonglieren.
Abgesehen vom Bedienkonzept verbergen sich unter der Oberfläche wichtige Funktionalitäten, die dem Shopbetreiber die Arbeit so einfach wie möglich machen sollen. So lassen sich Artikel komfortabel pflegen, via Drag’n’Drop mit Mediendaten anreichern und über einen Konfigurator in Varianten unterteilen. Shop-Betreiber können diese Artikel anschließend zu Preissuchmaschinen exportieren, wobei sie auch neue Dienste durch ein anpassbares Export-Template-System mit Daten versorgen können.
Eine Besonderheit sind die so genannten Themen-Welten, die der eine oder andere von der Tchibo-Seite kennt. Auf der Startseite und in den Kategorieseiten kann mit Hilfe eines einfachen Tools eine HTML-Seite bestehend aus Bildern und Texten erstellt und mit Produkten verlinkt werden. Die Produkte sind auf dieser „Bühne“ nach einem Gestaltungsraster frei positionierbar und fügen sich zu Informationsseiten zusammen.
Lizenz und Kernfunktionen
Shopware 4 wird unter der Affero General Public Licence (AGPL) [2] veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine Ableitung der bekannteren GPL-Lizenz, die sicherstellt, dass eigene Plugins und Templates nicht zwingend wieder unter GPL-Lizenz gestellt werden müssen. Externe Plugins, mit denen sich das System erweitern lässt, kann man über den Community Store beziehen und aus dem Backend heraus über einen Auto-Installer einrichten.
In der Vergangenheit ist Shopware oft dafür kritisiert worden, dass Funktionalitäten durch kostenpflichtige Module nachgerüstet werden mussten, während sie bei Magento und Oxid eShop kostenlos zur Verfügung standen. Scheinbar haben sich die Westfalen dies zu Herz genommen und Funktionen wie mehrdimensionale Varianten und eine intelligente Suchfunktion in das Kernprodukt mit aufgenommen.
Was bringt die Zukunft?
Die Software hinterlässt den Eindruck einer durchdachten und modernen Lösung, die out of the box die Funktionalitäten bereitstellt, auf die ein Shopbetreiber im Markt von heute nicht mehr verzichten kann. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang vor allem Features wie die Live-Suche oder die Themenwelten, mit denen sich Shopware von seinen Mitbewerbern abheben kann.
Bleibt die Frage, wie Shopware hinsichtlich der Herausforderungen der nächsten Jahre aufgestellt ist. Zwei Themen, die in dieser Hinsicht immer wieder diskutiert werden und Beachtung finden, sind der Zugriff über Geräte wie Smartphones und Tablets und Konnektivität.
Beim ersten Bereich kann Shopware durch optimierten HTML-Code besonders für die Tablet-Benutzer punkten. Wichtige Elemente wie die Call-to-Action-Buttons, Navigation, Suche oder auch die Eingabefelder haben die Entwickler beispielsweise vergrößert. Zudem untersützt das Frontend bei den Produkt- und Hersteller-Slidern auch die bei Tablets typischen Swipe-Gesten – also das Fingerblättern.
Unter Konnektivität lassen sich alle Funktionen zusammenfassen, die den Datenaustausch mit Drittanbietern und zukünftigen Diensten betreffen. Wie erwähnt, gibt es in Shopware bereits eine Möglichkeit, strukturierte Produktdaten zu exportieren und zu verteilen. Außerdem ist eine REST-API enthalten, mit deren Hilfe sich das System sozusagen fernsteuern lässt und auf deren Basis weitere Applikationen von Dritten entwickelt werden können.
Diese Möglichkeit ist auch bei Magento standardmäßig vorhanden, beim Oxid eShop benötigt man dazu eine kommerzielle Version. Letztere Anwendung bietet demgegenüber standardmäßig eine Facebook-Integration, die man bei Magento als auch bei Shopware leider vermisst, dort aber über externe Plugins nachrüsten kann.
Shopware hat sich besonders in den letzten Monaten durch attraktives Marketing eine spannende Newcomer-Position erarbeitet und diese durch überzeugende Auftritte bei der diesjährigen Exceed-Konferenz in Berlin und zuletzt beim selbst organisierten Shopware-Community-Day gefestigt. Mit der neuen Software-Version lässt das Unternehmen den Worten nun überzeugende Taten folgen.