Wie Corona dem QR-Code zu einem Comeback verhilft

Kontaktloses Bezahlen mit QR-Code ist in China schon seit vielen Jahren Standard. In Deutschland konnte die Technologie dagegen nie richtig Fuß fassen. Die Coronapandemie ändert das jetzt. Ob als Aufkleber am Laternenpfahl, in Werbebroschüren oder aufgedruckt auf einer Visitenkarte: Die meisten Deutschen wissen, wie ein QR-Code aussieht. Doch seit seiner Erfindung 1994 hat sich das Quadrat mit den Pixeln nie richtig durchsetzen können. Versuche durch Twitter und Snapchat, QR-Codes als Alternative zum Nutzernamen zu etablieren, blieben erfolglos. Als Bezahlmöglichkeit hat der QR-Code jedoch eine Reihe von Vorteilen: Zum einen kann man mit ihm ein großes Datenvolumen speichern, zum anderen ist er auch noch lesbar, wenn ein Teil von ihm beschädigt ist. In der Pandemie eröffnet der Code zudem die Möglichkeit der Bezahlung von Produkten, ohne dass sich Käufer und Verkäufer physisch nahekommen müssen – es reicht ein Abscannen aus der Ferne. In China sind QR-Codes im Zahlungsverkehr seit Langem etabliert. Egal, ob Street-Food, eine Taxifahrt oder ein Restaurantbesuch: Wer im Reich der Mitte Lebensmittel, Fahrkarten oder Dienstleistungen bezahlen möchte, nutzt dabei immer häufiger Alipay oder die Wechat-Wallet. Beide haben sich als bevorzugtes Zahlungsmittel bei Chinesen etabliert. In den Städten Shanghai, Guangzhou und Peking lag der Anteil derjenigen, die Alipay oder Wechat als Hauptzahlungsmittel einsetzen, bereits 2018 bei 92 Prozent. In ländlichen Gebieten lag der Anteil im gleichen Zeitraum immerhin bei 47 Prozent. Mobile Transaktionen über die Wechat-Wallet und Alipay machen etwa 90 Prozent aller über mobile Endgeräte durchgeführten Zahlungen in China aus. Laut Statistiken, die Anfang 2020 von der People’s Bank of China (PBOC) veröffentlicht wurden, stieg die Anzahl der von den Banken des Landes verarbeiteten elektronischen Zahlungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,3 Prozent auf 62,1 Milliarden. Im März 2020 wurde Mobile Payment in China von 776 Millionen Menschen genutzt. [tableofcontents] Wechat setzt auf mehrere Formen des QR-Code-Payments Wechat Pay verfügt über zwei verschiedene Bezahlprodukte, bei denen QR-Codes zum Einsatz kommen: Dabei handelt es sich um Quick Pay und QR-Code-Payment. Beim Quick Pay legen Wechat-Pay-Benutzer dem Händler ihren Wechat-Pay-Bezahlcode vor. Händler scannen den Code mit einem Datenerfassungsgerät (wie man es beispielsweise auch in deutschen Supermärkten findet), um die Zahlung entgegenzunehmen. In China kommt Quick Pay zum Beispiel in Kaufhäusern, Restaurants, Krankenhäusern, Schulen, Kinos und anderen physischen Orten mit eindeutigen Geschäftsadressen zum Einsatz. Beim QR-Code-Payment generieren Einzelhändler ihren eigenen QR-Code und befestigen diesen auf einer Oberfläche. Wechat-Nutzer scannen ihn und nehmen nach einer Sicherheitsüberprüfung eine Zahlung vor. Diese Methode eignet sich für Geschäfte ohne Codescanner. Besonders häufig findet sich diese Abrechnungsart bei Kleingewerbetreibenden, Straßenverkäufern und Schaustellern, die oft einen QR-Code mit einer Kette um den Hals tragen oder ihn, auf Papier ausgedruckt, neben ihren Auslagen platzieren. [crosslinks ids="250828"] Bei den anderen Bezahlmethoden, die Wechat anbietet, zum Beispiel dem Mini-Program-Payment oder der Abrechnung innerhalb von offiziellen Accounts, wird zwar auf die Wechat-Wallet, aber nicht auf QR-Codes zur Abrechnung zurückgegriffen. Kaum Kreditkarten, nur wenige Geldautomaten Der Grund dafür, warum Chinesen sich seit Jahren viel mehr für QR-Code-Payment begeistern können als Westeuropäer und Amerikaner, liegt vor allem an der Tatsache, dass andere Möglichkeiten zur bargeldlosen Zahlung bis vor Kurzem kaum verbreitet waren. Die Zahl der Menschen mit Kreditkarte lag in China vor zehn Jahren noch bei etwa 15 Prozent und auch im Jahr 2017 nur bei 25 Prozent. In den USA dagegen verfügen 70 Prozent der Bevölkerung über Kreditkarten, 34 Prozent der US-Bürger besitzen mindestens drei verschiedene Karten. Auch die Zahl der Automaten, an denen man sich Bargeld auszahlen lassen kann, war bis vor einigen Jahren in China äußerst gering. So lag China 2010 mit 24 Geldautomaten je 100.000 Einwohner weltweit noch an 100. Stelle, während Deutschland im selben Jahr über mehr als fünfmal so viele Automaten je 100.000 Einwohner verfügte. Mobile Payment über Alipay oder Wechat ist mittlerweile so etabliert, dass viele Großstädter in China kaum noch Bargeld mit sich führen, wenn sie das Haus verlassen. Doch Chinas Regierung setzt seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie darauf, dass auch die ländliche Bevölkerung stärker als zuvor QR-Codes zur Bezahlung verwendet. Die staatliche Payment & Clearing Association of China (PCAC) startete am 28. Februar 2020 eine Kampagne, um die Menschen zu ermutigen, per QR-Code zu bezahlen – um so die Infektionsrisiken zu senken. [caption id="attachment_250929" align="alignnone" width="1200"] In Deutschland kommen QR-Codes auch in der Kontakt-verfolgung in Pandemiezeiten zum Einsatz, -beispielsweise in der Corona-Warn-App. (Abbildung: Smartmockups / Corona Warn-App)[/caption] Coronapandemie als Katalysator in Deutschland In Deutschland dagegen spielte das kontaktlose Bezahlen mit QR-Codes bisher kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildete die Zielgruppe der chinesischen Touristen, die bereits seit 2017 in vielen Geschäften mit Wechat und Alipay bezahlen können. Dazu zählen unter anderem Rossmann – Deutschlands zweitgrößte Drogeriekette –, der Haushalts- und Besteckhersteller Zwilling sowie zahlreiche Flughäfen. Für deutsche Einzelhändler waren bis zur Coronakrise chinesische Touristen ein sehr einträgliches Geschäft, da sie bei ihren Urlaubsreisen im Schnitt rund 3.000 Euro ausgaben – angefangen von der Unterkunft über Hotel- und Restaurantbesuche bis hin zum Kauf von Luxusartikeln wie Schuhe, Kosmetik oder Schmuck. Ermöglicht hatte die technische Umsetzung das ehemalige Münchner Finanzdienstleistungsunternehmen Wirecard. [crosslinks ids="1370826"] Die Coronakrise hat die Verbreitung von QR-Codes als Methode zum Bezahlen auch in Deutschland stark beschleunigt. Die Verwendung wird oft mit der Hygiene begründet – gerade im Vergleich zum Kartenlesegerät, das nach jeder Benutzung desinfiziert werden muss, um eine Ansteckung zu vermeiden. Ein QR-Code dagegen lässt sich einfach einscannen, ohne dass er berührt wird. Zudem macht die Verwendung von QR-Codes bei der Kontaktverfolgung Menschen mit dem generellen Nutzen der Technologie vertraut – sowohl in Restaurants beim Einchecken wie auch nach Coronatests. Eine vor allem seit Beginn der Coronakrise zunehmend populäre Option zum Bezahlen ist die Paypal-Wallet. Zum kontaktlosen Bezahlen benötigen Händler und Kunden jeweils ein Paypal-Konto. Der Händler generiert dazu einen Code und hängt ihn dann zum Beispiel ausgedruckt an die Kasse. Der Kunde scannt den QR-Code und wird dadurch zum Bezahlen des fälligen Betrags aufgefordert. Lidl experimentiert bereits Auch Lidl möchte jetzt die Bezahlung per QR-Code in seinen Filialen ermöglichen. Im Gegensatz zu Spanien und Polen, wo über eine Kreditkarte abgerechnet wird, setzt der Lebensmitteldiscounter in Deutschland auf die Abbuchung vom Girokonto per SEPA-Lastschrift. Der Kunde muss dafür zunächst eine App auf seinem Handy installieren. Danach wird an der Kasse noch einmal die Bezahlfunktion aktiv bestätigt. Das komplette Verfahren läuft über einen QR-Code auf dem Handybildschirm, den der Kunde kurz scannt. Zahlungsdienstleister ist Lidl Digital Trading. Derzeit testet Lidl das QR-Code-Payment in einer Testfiliale. Wann der Lebensmitteldiscounter sich dafür gewappnet sieht, das Bezahlverfahren auf den Rest seiner rund 3.000 Filialen in Deutschland auszudehnen, ist bisher noch unklar. Auch außerhalb Deutschlands werden QR-Codes im Zuge der Coronakrise als Bezahlsystem immer populärer. 2020 machte Paypal eine Partnerschaft mit der amerikanischen Drogeriekette CVS Pharmacy publik, im Zuge derer in rund 8.200 Filialen die Bezahlung per QR-Code an der Kasse möglich sein soll. Auch in Australien und Kanada hat die Zahl der Geschäfte, die QR-Code-Payment akzeptieren, in den vergangenen zwölf Monaten rapide zugenommen. Neben Paypal experimentiert auch Apple Pay seit dem vergangenen Jahr intensiv mit QR-Codes anstelle der bisher verwendeten Near Field Communication (NFC) zum kontaktlosen Austausch von Daten. Bei Apple sieht man den Vorteil dieser Art von Transaktion vor allem darin, dass keine direkte Kommunikation sensibler Daten zwischen dem Gerät des Benutzers und der Plattform des Einzelhändlers erfolgt. [caption id="attachment_250930" align="alignnone" width="700"] QR-Codes müssen nicht langweilig nur schwarz und weiß sein. Das österreichische Startup QR1.at bietet einen Generator an, mit dem Nutzer bunte Codes, zum Beispiel in CI-Farben, erstellen können. (Abbildung: qr1.at)[/caption] Das Design wird individueller Wer an QR-Code-Design denkt, dem kommen oft nur Quadrate mit schwarz-weißen Pixeln in den Sinn. Einzelhändler, die Kunden für QR-Code-Payment begeistern möchten, empfanden sie daher lange Zeit als wenig marketingtauglich – und haben die Pixelquadrate daher lange Zeit vernachlässigt. Eine Reihe von Anbietern hat sich zum Ziel gesetzt, das QR-Code-Design zu revolutionieren und sie dadurch ansprechender wirken zu lassen. Um als Mobile User selbst QR-Codes anzupassen, sind nicht notwendigerweise Softwarekenntnisse oder eine externe Bearbeitungssoftware notwendig. Das österreichische Startup QR1.at bietet zum Beispiel Designer-QR-Codes mit Logo in den unterschiedlichsten Varianten an. Dabei lassen sich sowohl Vorder- als auch Hintergrundfarbe individuell gestalten, ein Logo kann im QR-Code platziert oder ein Rahmen um den QR-Code mit eigener Beschriftung hinzugefügt werden. Fazit Ob Alipay oder Wechat-Wallet: In China zeigen sich seit Jahren die gewaltigen Möglichkeiten, die sich durch QR-Code-Payment für Kunden und Einzelhändler bieten. Die Coronakrise hat die Verbreitung von QR-Codes als Bezahlmethode auch im Westen stark beschleunigt. Nicht nur Geschäfte, die sich an chinesische Kunden richten, begeistern sich für QR-Codes zur Abrechnung ihrer Produkte. Es sind zunehmend auch Restaurants, Einzeländler und Supermarktketten, die den Service für deutsche Kunden anbieten. Gut möglich, dass sich das Bezahlverhalten der Deutschen durch die Coronakrise tatsächlich dauerhaft verändern wird.