Scooter-Party, zu intelligente Häuser und warum Innovation nur außerhalb geschehen kann
Howdy aus Austin! 👋
Jedes Jahr gibt es auf der SXSW diese eine Sache, für die die Konferenz der Durchbruch wird. Das war mal Twitter, vor ein paar Jahren dann Meerkat (wer erinnert sich noch?) – und in diesem Jahr haben wir ein beeindruckendes Live-Beispiel, wie ein ganzer Berufszweig disruptiert wird. Und zwar der des Rikscha-Fahrers.
Rikscha-Fahrer hatten ein ganz erträgliches Sidebusiness während der SXSW, nachdem die Straßen für Uber ohnehin oft zu verstopft sind, die Wege für die eigenen Füße aber manchmal auch einfach zu weit. Und jetzt sind die professionellen Radchauffeure von heute auf Morgen überflüssig geworden. Austin fährt jetzt Elektro-Scooter. Es ist das perfekte Fortbewegungsmittel für die Konferenz: Man muss nicht selbst laufen, ist aber trotzdem so wendig wie zu Fuß. Steht nicht im Stau und ist schnell im nächsten Hotel.
Bei uns sind zuerst unsere Alumni Melissa (Plantura) und Philipp (Upspeak) auf die Scooter gekommen. Sie schwärmten beim Frühstück davon, wie easy das sei – und prompt sind wir dann heute morgen zu dritt vom Airbnb 20 Minuten in die Stadt gescootert. Was für ein Heidenspaß! Die Roller machen so viel Laune und sind mit Code scannen und Losfahren so easy zu benutzen, dass ich heute schon alle vier Marken durchprobiert habe: Bird, Jump (von Uber), Lime und Lyft.
Heute ist auch unser letztes Startup in Austin eingetrudelt, damit ist unsere Reisegruppe komplett und ich darf noch kurz den zweiten Schwung der Media Innovation Mansion vorstellen:
Julia „Ich mach nur noch schnell die Designs fertig“ Köberlein und Bernhard *kennt sich mit allem aus* Scholz, Gründer vom Mindmap-Startup Kontextlab (Batch #1 im Media Lab). Aus Batch #4 sind mit dabei: Melissa „Ich bin noch in der Zeitzone von Peking“ Raupach, Content-Chefin vom digitalen Gartenmagazin Plantura und Philipp „Ich muss unbedingt Tim Ferriss für Upspeak kriegen!“ Wallinger, Gründer der Podcast-Community-App Upspeak.
Aus unserem aktuellen Batch #5 mit dabei: Mustafa „Ich bin grad im Uber zwischen zwei Flughäfen, aber bestimmt gleich da!“ Isik, Gründer des Social-Redaktions-CMS Kerngedanke, außerdem Aljoscha *Lieber-mit-dem-MacBook-auf-dem-Sofa-arbeiten-statt-Frühstück* von Bismarck, Head of Business Development beim Machine-Learning-Startup für Bildcontent Luminovo.
🔮 #MediaTrends
Ich weiß auch nicht, wann ich lerne, dass man auf der SXSW nicht in die Journalismus-Sessions gehen soll. Fast schon erwartungsgemäß hat „What’s next in News“ mit CNN, der New York Times und Buzzfeed genau gar nichts Neues zutage gefördert. Sorry für diese Empfehlung, ich gelobe Besserung. Allerdings gab es eine Ausgabe der (?) gedruckten Buzzfeed (?). Sie taugte exzellent für ein Verkehrte-Welt-Foto, aber leider nicht zum Tageshighlight.
Weitaus spannender war da die Session zum Corporate Innovation Playbook. Drei Innovationsverantwortliche großer Firmen haben darüber philosophiert, wie sie sich fit machen für die Zukunft – und erstaunlich oft kam die Zusammenarbeit mit Startups zur Sprache. Da hat mein Herz dann schon ein wenig schneller geklopft, nachdem ich ja wirklich, wirklich denke, dass Startups und Corporates so viel besser zusammen sein können als jeder für sich allein. Und im Media Lab Bayern immer so viel daran setze, die beiden zusammen zu bringen.
Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Zusammenarbeit mit Startups:
- Offen sein mit den eigenen Challenges: Nur wenn man von seinen Herausforderungen erzählt, wissen die Startups auch, mit was sie zu einem kommen können, sagt Thaman von P&G Ventures.
Wir haben im Media Lab dafür zum Beispiel gerade ein Projekt gestartet, bei dem wir die Challenges der Medienhäuser sammeln wollen, damit wir Startups, Themen und Talente besser matchen können. (Wer uns darin noch unterstützen möchte und uns von euren Challenges erzählen, bitte gern und unbedingt!) - Voneinander lernen: Sowohl das Unternehmen kann etwas vom Startup lernen als auch anders herum. P&G hat zum Beispiel zwei Jahre lang ein Startup nur mit Rat und Space unterstützt, ohne dafür Anteile oder Lizenzen zu bekommen.
- Innovation aus dem Unternehmen ausgliedern: Oft bremst vor allem die Kultur die Innovationsfähigkeit. Comcast hat die besten Erfahrungen damit gemacht, zehn eigene Mitarbeiter zehn Meilen vom Büro entfernt einzuquartieren, 200 neue Mitarbeiter anzustellen, ihnen Zeit zu geben, eine innovative Kultur aufzubauen – und sie dann in das alte Unternehmen einzugliedern. Nur so können sie nämlich die anderen Kollegen überzeugen, Dinge auch mal anders zu machen.
Interessanterweise hören wir aus unserem Intrapreneurship-Programm, das wir für Medienhäuser anbieten, ähnliches. Schon mal nur ein paar Tage außerhalb des gewohnten Umfelds im Media Lab Bayern im neuen Team an einem neuen Projekt zu arbeiten bringt wahnsinnig viel, gewohnte Abläufe zu überdenken.
👩💻 #TechThatChangesTheWorld
Nach den „7 very obvious Trends“ gestern war ich ja ein wenig skeptisch, ob Amy Webb in diesem Jahr wieder so gut wird wie im vergangenen. Schließlich war auch das die jährliche Neuauflage ihres Emerging Tech Trend Reports. Aber: Amy kann man sich durchaus zweimal anschauen.
In diesem Jahr hat sie 30 Prozent mehr Trends als im vergangenen Jahr festgestellt, das macht insgesamt 315. Warum so viele? Weil es in vielen Technologien einen großen Sprung vorwärts gab – und immer mehr Technologien für eine Branche wichtig werden. Warum sollte zum Beispiel Walmart Genome-Editing im Blick haben? Weil auch die DNA von Pflanzen verändert werden kann. Dadurch verändert sich die komplette Food-Supply-Chain von, beispielsweise mit Indoor-Pflanzenfabriken. Amazon hat diesen Trend im Blick – und kann über die Lieferkette bis zum Endkunden Walmart komplett überflüssig machen.
Aus allen 315 hat Amy zwei Trendcluster herausgesucht:
- 😲 Privacy is Dead
Die Datensammelwut der Firmen weitet sich laut Webb in Zukunft auch auf Biodaten aus. So kann der Einkaufswagen die Temperatur und den Herzschlag messen, Alexa hört aus der Stimme heraus, ob wir husten oder wütend sind. Die Frage, die damit aufkommt: Wem gehören dann eigentlich diese biometrischen Daten?
Das optimistische Szenario zu diesem Trend: Alles Datensammeln ist transparent, wir brauchen keine Kreditkarten oder Passwörter mehr, weil wir einfach so anhand unserer Biodaten erkannt werden. Wie bequem! Leider ist das nur zu zehn Prozent wahrscheinlich. Zu 50 Prozent trifft laut Webb das neutrale Szenario ein: Es gibt eine Konsolidierung der Firmen und einige wenige haben unsere Daten, ohne dass man von einem Provider zum anderen wechseln könnte. Zu 40 Prozent wahrscheinlich ist dagegen das Katastrophen-Szenario: Firmen arbeiten aktiv gegen den Schutz der Daten an, wir haben keine Ahnung, wo unsere biometrischen Daten überhaupt sind, reiche Menschen können sich Schutz kaufen, alle anderen müssen damit leben, dass sie ausgelesen werden. - 🏡 Your home is way smarter than you think it is
Die Verkäufe von Alexas sind beeindruckend hoch. Bald gibt es aber nicht nur smarte Speaker, die mit uns sprechen, sondern auch Steckdosen, Fernseher, Öfen und Mikrowellen. Warum sollte eine Mikrowelle mit Alexa bedient werden? Spannende Erklärung von Webb: Aktuell hat ein Popcorn-Hersteller keinerlei Daten, nach der Lieferung an den Supermarkt. Wenn ich aber Alexa sage, sie soll das Popcorn erhitzen, dann weiß Amazon, wann ich Popcorn will, wie viel, und über den Voice-Print auch, wer sich das Popcorn warmgemacht hat.
Webb gibt die niederschmetternde Prognose, dass zu 70 Prozent das Katastrophenszenario eintreten wird: Wir leben in einem Apple-, Google- oder Amazon-Home, das für uns mitdenkt. In dem die Mikrowelle an das Fitbit angeschlossen ist und beschließt, dass Popcorn nicht gut für uns ist. Und die Waschmaschine sagt, dass sie die Jeans gerade nicht waschen will, weil Dürre herrscht und man doch Wasser sparen sollte.
Klingt nach sehr viel Zukunft? Stimmt schon. Allerdings hat Amy Webb im vergangenen Jahr die Voice-Prints als Trend angekündigt und dieses Jahr kommt in China ein Auto auf den Markt, das statt mit Schlüssel nur mit Face-Print geöffnet werden kann.
Und was hat das alles mit der Medienbranche zu tun? Das Walmart-Beispiel ist gar nicht so unklug. Je mehr Technologie die Gesellschaft verändert, desto mehr sind auch Medien davon betroffen. Gerade der Smarthome-Trend und die sprechenden Geräte bieten so viele Möglichkeiten auch für Interaktion mit Entertainment und Journalismus, dass wir uns endlich mal um tauglichere Anwendungen für Alexa und Co. kümmern sollten.
Und eines kann man auch von den großen Konzernen lernen: Gewinnen wird zukünftig, wer die Daten hat. Und gerade Amazon schreckt nicht davor zurück, Daten zu sammeln wo es nur geht. Noch immer haben Medienhäuser den Status, zwar irgendwelche Daten über das Verhalten ihrer Nutzer zu haben, aber überhaupt nicht zu wissen, was sie damit anfangen sollen. Wer überleben will, setzt sich also am besten jetzt damit auseinander, mit welchen Daten man welche Medienprodukte wie verbessern könnte.
Achso, übrigens: Warum AI kein Trend ist? „Weil AI in allem, wovon ich eine Stunde lang erzählt habe, ohnehin drinsteckt“, sagt Amy Webb zu diesem Mega-Meta-Trend.
💡 #CrazyIdea
Und dann war da heute noch die Frau, die fast Jeff Bezos umgebracht hat. Ann Hiatt hat als Beraterin für Bezos und Eric Schmidt von Google gearbeitet und auf der SXSW aus dem Nähkästchen geplaudert, wie sie einmal einen Helikopterflug für Bezos organisierte und dann den Anruf bekam, dass der Helikopter abgestürzt sei. Nach zwei Monaten im Job. Sie berief ein Krisenmeeting des Boards ein, telefonierte alle Krankenhäuser ab – und als sie Bezos im sechsten Krankenhaus fand, sagte er ihr nur: „Du funktionierst wohl unter Stress sehr gut.“
„Grit“ – Durchhaltevermögen – ist es, was sie als Kernerfolgsfaktor beschreibt. Sich durchbeißen, dranbleiben. Das Mindset haben, alles lernen zu können, wenn man nur hart arbeitet. Ihre Key-Learnings aus 15 Jahren mit den beiden CEO in Kurzform:
- Wenn es keine Ziellinie gibt, kann man nicht gewinnen. Man soll dem Team immer sehr genau kommunizieren, was das Ziel ist, sie den Marathon laufen lassen – und dann mit freier Zeit belohnen. Das macht viel glücklicher und loyaler als Geld, wie auch der Artikel Time for Happiness beschreibt.
- Be comfortable with the uncomfortable. Jeder ist glücklicher in seiner Komfortzone, aber wirklich etwas erreichen tut man da auch nicht. Eric Schmidts Mantra lautet: „When possible say yes.“ Diesen Satz kenne ich selbst schon länger und er ist der Grund, warum ich oft auf irgendwelchen Speaker-Bühnen stehe, superaufgeregt bin und mich immer frage, warum ich gleich nochmal Ja gesagt habe. In den allermeisten Fällen ist es bislang aber gut gegangen – und es hat mich vorangebracht.
- Institutionalizing Grit: Setze eine Vision und zeige deinen Kollegen und Mitarbeitern, wie sie mit ihrer Arbeit zu dieser Vision beitragen können. Ziele sind nicht das gleiche wie erreichbare Aufgaben, Ziele sind größer. Nur so schafft man es, in Sachen Innovation wirklich einen großen Schritt voran zu kommen.
Sehr empfehlen kann ich in dem Kontext auch das Prinzip der Vivid Vision, die ich in diesem Jahr das erste Mal ausprobiert habe. Mehr zu dem Konzept, bei dem man sich sein Unternehmen drei Jahre in der Zukunft vorstellt (mit allen Zielen, die erstmal unerreichbar wirken), gibt es hier.
🚀#StartupLearning
Aljoscha von unserem aktuellen AI-Startup Luminovo hat sich heute in die AI-Talks gestürzt und gelernt: Ethics und AI zusammenzubringen ist noch schwerer, als er gedacht hat. Und das, obwohl Aljoscha sich seit Jahren mit AI beschäftigt. Denn selbst wenn man die Personalisierung der Daten herausnimmt, ist es für gute Data-Scientists trotzdem möglich, Zeitzonen und andere Metadaten wieder zu ent-anonymisieren. Spannend in dem Zusammenhang auch: Einige AI-Experimente werden aktuell gar nicht als Open Source veröffentlicht, weil es zu gefährlich sei.
💥 #MustSeeInAustin
Leute, fahrt Scooter. Wirklich. Es macht so Laune!
Und falls ihr beim Schlangestehen hungrig werdet hier ein Protipp: Uber Eats liefert auch in die Convention-Center-Sessionschlangen, gesehen gestern von Rainer Hehmann.
Unsere Favourite Sessions für Sonntag
11:00-12:00 Uhr: AI and the Future of Journalism. In diesem Panel geht es noch einmal speziell um die Auswirkungen von AI auf den Journalismus, und wir können es gar nicht genug empfehlen. AI ist DAS Thema auf der SXSW 2019 – und dann wird es hier auch noch von vier tollen Frauen von der New York University, The Intercept, der Washington Post und Quartz diskutiert.
11:00-13:00 Uhr: Conversational Design Sprint. Wenn Alexa, Google Home und Co. Maus und Tastatur als Interaktionsmethode mit einem Computer immer mehr ersetzen oder ergänzen, müssen sich User-Interfaces naheliegenderweise verändern. Wie solche neuen Interfaces aussehen könnten, wollen Wally Brill und Cathy Pearl von Google in diesem Workshop gemeinsam mit den Teilnehmern herausfinden.
12:30-13:30: Women are Building the Brands We’ve Always Wanted. Werbung ist mit denselben Problemen und Umwälzungen konfrontiert wie andere Medienbereiche. Eine Lösung für Marken könnte es sein, einfach endlich mehr Frauen zu beschäftigen. Denn die haben einen gewaltigen positiven Einfluss aufs Brand-Marketing, wie in dieser Session vier Marketingexpertinnen beweisen wollen.
12:30-13:30 Uhr: Every Tech Brand Has an R&D Mission. What Works? Jede Tech-Firma, die etwas auf sich hält, arbeitet heute mit eigenen Inkubatoren, Labs oder Intrapreneueren. Wie muss man vorgehen, damit es nicht bei schönen Buzzwords bleibt, sondern tatsächlich auch nachhaltige Innovation entsteht? Speaker von Slack, Adobe, Eventbrite und Invision berichten.
14:00-15:00 Uhr: Roger McNamee with Nicholas Thompson. Mark Zuckerbergs Mentor debattiert mit dem Chefredakteur der Wired über den Stand und die Zukunft von Facebook – das ist nicht nur spannend für Medienmacher, die mit dem sozialen Netzwerk arbeiten. Eigentlich sollte auch jeder Politiker, sogar jeder Demokrat hier zuhören, denn es soll auch um die Rolle gehen, die Facebook für die Gesellschaft allgemein spielt.
15:30-16:30 Uhr: SXSW Pitch: Entertainment and Content Technology. Beim SXSW Pitch bekommen Early-Stage-Startups die prominente South-By-Plattform, um ihre Lösungen vorzustellen. In diesem Fall: fünf Startups, die sich mit Unterhaltung und Content beschäftigen. Für uns Medien-Startupper natürlich ein Pflichttermin ;)
15:30-16:30 Uhr: AI and the Future of Storytelling. Nein, Roboter werden Journalisten und andere Storyteller nicht vollständig ersetzen. Trotzdem werden Algorithmen, die Texte oder auch Musik und Kunst erstellen, immer besser. In dieser Session soll es darum gehen, was das für die Zukunft des Geschichtenerzählens, egal in welchem Medium, bedeutet.