Apple Pays NFC-Sticker-Konzept wird eine Alternative zu Amazon Go
Apple hat auf der Mobile-Payment-Konferenz Transact in Las Vegas ein spezielles NFC-Tag vorgestellt, das in Form eines simplen Aufklebers dazu genutzt werden kann, schnell und einfach einen Einzelkauf eines bestimmten Produktes mit Apple Pay durchzuführen. Beispielsweise könnten Nutzer an einer Parkuhr oder an einem Miet-Elektroroller einfach ihr iPhone anhalten und ohne zusätzliche App Park- oder Mietgebühren bezahlen. Richtig spannend wird es aber, wenn der NFC-Sticker im Einzelhandel zum Einsatz kommt. Der US-Fashionhändler Bonobos wird das jetzt erproben. Das Ergebnis könnte sich schnell zu einem schlagkräftigen Amazon-Go-Konkurrenten entwickeln.
Bonobos erprobt Apple Pay mit NFC-Stickern am Regal
Bonobos setzt in seinen Filialen auf ein Showroom-Modell. Kleidungsstücke sind dort nicht lagernd vorrätig, sondern nur zur Anprobe im Laden verfügbar. So nutzt der Händler die Fläche des Ladens effizient und konzentriert sich auf seine Hauptaufgabe: die Beratung. Der Kunde bekommt nach Anprobe alle Kleidungsstücke nach Hause geliefert. Die Modemarke wird im Zuge des Testlaufs die Apple-Pay-Aufkleber am Regal platzieren, der Nutzer hält sein iPhone an den Aufkleber, bestätigt wie üblich den Bezahlvorgang und den Betrag – und bekommt dann das gewünschte Kleidungsstück nach Hause geliefert.
Bei diesem Verfahren dürfte es sich nicht um den üblichen Bezahlvorgang handeln, wie er an einem Terminal umgesetzt wird. Stattdessen liest das iPhone im Lese-/Schreibmodus ein passives NFC-Tag aus, das die Produkt- und Preisinformationen für den Kauf enthält. Das bedeutet, dass jeder Aufkleber am Regal statisch mit den Informationen für das jeweilige Produkt „aufgeladen“ wird und somit jedes Produkt einen eigenen Sticker benötigt.
Mutmaßlich wird auch eine Art Checkout-URL im NFC-Aufkleber hinterlegt werden – sonst könnte Bonobos nicht an den Kunden liefern. Da für eine Lieferung auch Adressdaten des Kunden notwendig sind, wird es sich bei dem Verfahren um eine Variante der Apple-Pay-Zahlung für Websites handeln. Das heißt, mit einer Handbewegung wird gegebenenfalls nicht nur der Kauf, sondern auch die Registrierung und die Anlage eines Kundenkontos vollzogen.
Das ist nicht mehr weit weg von Amazon Go.
Apple Pay als Amazon-Go-Alternative?
Dass die Bezahlung und die Übermittlung der Kundendaten in einem Schritt erfolgt und damit jede Registrierung und jeden Login überflüssig macht, ist schon das überzeugende Alleinstellungsmerkmal der Web-Zahlung mit Apple Pay. Jetzt hat Apple diesen USP auch in die Offline-Welt bewegt.
Abhängig von der Umsetzung beim Einzelhändler können mit diesem Verfahren Self-Service-Konzepte umgesetzt werden, die an Amazon Go erinnern. Ein Vorteil gegenüber der Implementierung der Amazon-Go-Technologie für den Einzelhändler besteht auch darin, dass das Verfahren gut in Ladengeschäften installiert werden kann und neben einer normalen Kasse für Barzahler bequem koexistiert. Die Aufkleber können einfach zusätzlich am Regal angebracht werden und die Kasse bleibt bestehen.
Wenn Apple Pay in einem normalen Laden eingesetzt wird, der Waren zur direkten Mitnahme verkauft, gibt es noch eine Schwierigkeit: Händler werden sicherstellen wollen, dass der Kunde nur bezahlte Waren mit nach Hause nimmt. Bei Bonobos ist das nicht der Fall – das Warensicherungsproblem ist damit erledigt. Für solche Ansätze ist Apple Pay prädestiniert. Letztlich sind das aber prozesstechnische Probleme, die auch vom Händler gelöst werden könnten. Mögliche Ansätze wären beispielsweise eine Warenausgabe in einer fertig gepackten Tüte oder ein Artikelabgleich des Apple-Pay-Warenkorbs mit den Artikeln im physischen Warenkorb beim Passieren von RFID-Schleusen am Ausgang.
Sollte die Erweiterung des Apple-Pay-Systems auch Schreibrechte für NFC-Sticker besitzen, wäre eventuell auch ein kombiniertes Bezahl-Warensicherungssystem denkbar, bei dem das iPhone die Warensicherung durch Apple Pay außer Kraft setzen kann, sobald bezahlt wurde. In dem Fall müssten die Sticker allerdings als Sicherung direkt an der Ware und nicht am Regal angebracht werden.
Wird der Apple-Pay-Sticker auch mit Google Pay oder anderen funktionieren?
Einzelhändler werden nicht einzig auf Apple Pay setzen können. Damit sich ein solches System auf einem Massenmarkt etabliert, müssten auch Kunden mit Android-Smartphones ein solches Offline-Bezahlverfahren unterstützen. Technisch ist das für Google kein Problem, die Frage ist dann lediglich, ob die Daten auf den Stickern auch von Android-Geräten genutzt werden könnten.
Theoretisch liest das iPhone Daten NDEF-Format aus, die auch von anderen NFC-fähigen Smartphones ausgelesen werden können. Es müsste also umsetzbar sein – falls Apple in den aus dem Tag ausgelesenen Daten direkt auf das Apple-Pay-Checkout verlinken sollte, müssten Händler eine Art Brücke mit einer eigenen Checkout-URL und einer Erkennung des Betriebssystems einbauen. Und so entweder auf Apple Pay oder auf Google Pay umleiten. Schlimmstenfalls wären sonst mehrere NFC-Sticker am Regal angebracht, einer für Apple Pay und einer für Google Pay.
Klar ist: Amazon Go ist immer noch einen Schritt „magischer“, denn der Kunde muss bei Amazon keine NFC-Sticker scannen. Mit deutlich geringeren Hardwarekosten als bei Amazon Go und seinen Nachahmern könnte der Handel so ein schnelles und einfaches Self-Checkout-System bekommen, das große Chancen auf einen Durchbruch im Massenmarkt hat. Ein entscheidender Faktor könnten Dienstleister sein, die sich früh darum bemühen müssten, Pakete aus iOS- und Android-kompatibler Technologie und den dazugehörigen Einzelhandelsprozessen zu schnüren.