Ist ein E-Auto mit 2.000 PS gut fürs Klima?
In der vergangenen Woche machte die Nachricht die Runde, Microsoft-Gründer Bill Gates hätte für eine halbe Milliarde Euro eine Luxus-Yacht in Auftrag gegeben – mit Wasserstoff-Antrieb. Die Nachricht des Guardian stellte sich später als falsch heraus. Die Studie für die Wasserstoff Luxusyacht gibt es zwar, aber sie hat mit Bill Gates nichts zu tun.
Trotzdem wirft die Wasserstoff-Luxusyacht Fragen zu einem neuen Genre auf: Können solche nischigen Luxusprodukte wirklich grün sein?
Nischenprodukt oder Öko-Katastrophe?
Wenn man sich mal danach umschaut, sieht man sie plötzlich überall: Neben der Wasserstoff-Yacht für eine halbe Milliarde gibt es E-Autos mit 2.000 PS, für zwei Millionen US-Dollar. Das Unternehmen Volocopter arbeitet daran, elektrische Hubschrauber auf den Markt zu bringen. Sie nennen es Flugtaxi, wobei eigentlich ziemlich klar ist, dass der elektrische Helikopter entweder ein Luxus-Nischenprodukt wird – oder eine ökologische Katastrophe. (Auf der Wasserstoff-Yacht ist übrigens auch ein Landeplatz für einen elektrischen Hubschrauber vorgesehen.) Der Kreuzfahrtanbieter Hurtigruten hat mittlerweile ein Hybrid-Kreuzfahrtschiff im Angebot. Aus dem Infinity-Pool kann man dann den Eisbergen beim Schmelzen zuschauen. Ganz ohne schlechtes Gewissen.
Man muss aber auch gar nicht in die Ferne schweifen: Ford bringt demnächst ein neues 2,5-Tonnen-SUV mit 460 PS auf den Markt. Ganze 50 Kilometer kann der 5-Meter-Schlitten mit Batterie fahren.
Wir haben Forscher Tilman Santarius gefragt, ob die neuen „grünen“ Luxusprodukte nur das Gewissen beruhigen, oder vielleicht doch irgendwie gut für das Klima sein können.
t3n.de: Es gibt immer mehr Luxusprodukte wie Wasserstoff-Yachten, die von sich behaupten, das Klima zu schützen. Was hältst du davon?
Tilman Santarius: Es gibt schon auch Argumente für Vorzeigeprojekte. Wenn man zeigen will, dass etwas tatsächlich fährt oder segelt, und damit die Branche aufmischt. Greenpeace hat in den 90ern ein Drei-Liter-Auto gebaut und ist mit einer Tankfüllung von Hamburg nach Genua gefahren. Die wollte auch nicht für Autos werben, sondern der Branche klar machen, dass es geht.
t3n.de: Das heißt, Projekte wie die Wasserstoff-Yacht mit Helikopter-Landeplatz machen Sinn, wenn sie zum Umdenken bewegen?
In diesem konkreten Fall bin ich skeptisch. Es kann zwar Sinn machen, um Alternativen zu zeigen und Wasserstoff-Technologie zu testen. Wenn es aber darum geht, dass einige Reiche sich freikaufen von ihrem schlechten Gewissen, mit teuren E-Autos, Wasserstoff-Yachten oder Privatfliegern mit Bio-Kerosin – dann ist das natürlich Schwachsinn. Allein die Produktion von so einem Schiff ist so aufwendig, dass der Auftraggeber zu Lebzeiten vermutlich keinen ökologischen Break-Even-Point erreicht.
t3n.de: Es geht also weniger um das „grüne“ Luxusprodukt an sich, sondern eher darum, was man damit macht?
Es geht um die Authentizität der Aktion: Über Greta Thunberg wurde auch viel gelästert, als sie mit dem Segelboot über den Atlantik gefahren ist. Wenn sie geflogen wäre, hätte sie keine Begleiter gebraucht, und es wäre insgesamt wohl ein geringerer CO2-Fußabdruck gewesen. Trotzdem war die Aktion in hohem Maß authentisch und hat dafür gesorgt, dass sich mehr Menschen mit der Art ihrer Reisen beschäftigen. Es geht um die diskursive Macht.
t3n.de: Spielen meine privaten Konsumentscheidungen überhaupt eine Rolle für das Klima?
Wenn du ständig in den Urlaub nach Thailand fliegst, ist das schon heftig. Andererseits, ob ich im Alltag meine Biomöhre kaufe, ist eher in zweiter Linie wichtig: Da geht es dann darum, einen nachhaltigen Lebensstil vorzuleben. Leute, die kein Auto haben, zeigen anderen ja auch, dass man ohne gut leben kann.
t3n.de: Vielen Dank für das Gespräch!
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„ist eher in zweiter Linie wichtig: Da geht es dann darum, einen nachhaltigen Lebensstil vorzuleben. “
Viel wichtiger als das beispielhafte Verhalten ist der Effekt der durch die dabei entstehende Umlenkung der Finanzströme ausgelöst wird.