Neben Amazon, so haben wir über die Jahre lernen müssen, kann keiner dauerhaft bestehen, da der Handelsriese mit Effizienz und Marktmacht sämtliche Mitbewerber an die Wand drückt. Und das bleibt im Prinzip auch richtig, auch wenn einzelne Mitbewerber selbst in den Kernbranchen wie dem Buchmarkt zeigen, dass sie dennoch gut ihre USPs ausspielen können.
Ein Beispiel hierfür ist der überregionale Buchhändler Thalia. Die Thalia-Gruppe fällt zwar nicht unbedingt durch ein ausgefallenes Sortiment im Buchmarkt auf, sie schafft es aber, wie die aktuellen Zahlen zeigen, durchaus, mit einer Mischung aus stationären Geschäften und Onlinehandel Amazon Paroli zu bieten. Gerade die Pandemie habe, so berichtet das Unternehmen mit Verweis auf die Geschäftszahlen, einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr von rund 25 Prozent gebracht. 1,6 Milliarden Euro Gesamtumsatz (inklusive Partnerunternehmen wie Osiander) können sich durchaus sehen lassen. Gegenüber der Vor-Corona-Zeit stieg der Umsatz sogar um 50 Prozent.
Allein in Deutschland und Österreich erwirtschaftete die Gruppe 1,3 Milliarden Euro – und damit ein Plus von 21 Prozent im Vorjahresvergleich sowie von 41 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Niveau. Corona, Energiekrise, Inflation – all das wird das Geschäft für Thalia nicht leichter machen, es zeigt aber auch, dass eine Existenz neben Amazon möglich ist, indem man die im deutschen Buchhandel ohnehin seit Jahrzehnten vorhandene schnelle Lieferbarkeit über den Großhandel ausspielt.
Die Kund:innen sind nämlich, das hört man immer wieder sowohl von Kund:innenseite als auch aus dem lokalen Handel – durchaus bereit, den Geschäften vor Ort Aufmerksamkeit zu schenken. Umso mehr in einer Branche, die sich wie keine andere angesichts der Buchpreisbindung nicht über den Preis definiert.
Trotz Pandemieschließungen gut gewachsen – online wie offline
Etwas schwierig ist die Definition der Zuwachsraten durch die kaum vergleichbare Corona-Situation 2020 und 2021: So lag der stationäre Umsatz in den Filialen um 33 Prozent höher und (trotz Schließungen) nur rund 3 Prozent unter Vor-Corona-Niveau. Das Onlinegeschäft stieg dagegen um 13 Prozent, im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit verbuchte Thalia beim Umsatz in diesem Bereich sogar eine Steigerung von 137 Prozent.
Möglich wird all das aber vor allem durch die Rolle der Filialen als Abholstation, quasi Click and Collect. Hier sollten mehr stationäre Händler und Handelsketten ansetzen – denn die teuren Mieten in den Innenstädten werden sich nur amortisieren, wenn der Standort geschickt als Mischung aus herkömmlichem Geschäft, verlängertem E‑Commerce-Kanal und nicht zuletzt auch als Begegnungsort bei spezifischen Events wie Lesungen oder Präsentationen von Verlagen und Autor:innen genutzt wird.
Thalia kann den Omnichannel-Trumpf ausspielen
Bricht man das auf den Buchmarkt herunter, wird unterm Strich klar: Thalia kommt auf einen Marktanteil von 22 Prozent (20 Prozent bei den Onlinekanälen mit steigender Tendenz, 25 Prozent beim Präsenzgeschäft vor Ort) und steht damit trotz oder gerade aufgrund veränderter Nutzungsszenarien nicht schlecht da. Dabei profitiert der Konzern von dem Gefühl der Kund:innen, den deutschen Handel in der Innenstadt zu unterstützen, dem großen, bösen Konzern aus Seattle etwas entgegenzusetzen – und nicht zuletzt auch von der Hoffnung, dass wir in einigen Jahren noch einen Handel vor Ort haben werden.
Die Rechnung wird allerdings in der Tat nur aufgehen, wenn Handelsketten zum einen weiter ein vernünftiges Netz an (im Falle von Thalia derzeit rund 490) Filialen erhalten, sich zum anderen aber auch nicht zu fein dafür sind, im Rahmen der Verzahnung von Online, Mobile und App die Filiale zur großen Packstation zu degradieren, wenn der:die Kund:in das will.
Dafür muss es übrigens nicht immer der Flagship-Store in der Eins-a-Lage sein, denn oftmals klappen auch Shop-in-Shop-Lösungen an stark frequentierten Plätzen oder in Einkaufszentren gut. Dass es dabei nicht darum geht, ein riesiges Inventar in jeder Filiale zur Verfügung zu halten, ist klar – und das ist ja ohnehin nie das Konzept der meisten Thalia-Filialen gewesen.
All das gibt – bei etwas anderer Gemengelage – aber auch dem freien Buchhandel Hoffnung. Der nämlich kann in stark regionalisierter Form durchaus weiter bestehen – wenn er das „Greatest Hits“-Warensortiment, angereichert um spezifische Dinge, die bei der jeweiligen Kundschaft ankommen, fährt und zugleich mithilfe von digitalem Service wie Whatsapp-Bestellung oder lokale tägliche Lieferung in der Umgebung punktet.
Und warum haben die Mitarbeiter dann monatelang nur ein Kurzarbeiter-Gehalt bekommen?
Ist der Umsatz offline organisch gewachsen oder durch Zukäufe?