Alle 80 Minuten: Warum uns strategisch geplante Pausen leistungsfähiger machen

Psychische Erkrankungen und Burn-outs haben sich zu einer der Hauptursachen für Arbeitsunfähigkeit entwickelt. Gut geplante Pausen können uns helfen, langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Liebe Leserin, lieber Leser, ich habe mich am Wochenende verletzt: Ich erlitt einen Muskelfaserriss während eines Halbmarathons. Schmerzhaft, frustrierend und – vor allem – überflüssig. Denn Signale waren da. Ich hatte im Voraus zu viel trainiert, mir zu wenige Pausen gegönnt und ging bereits ermüdet und mit Schmerzen ins Rennen, wo mir dann die Rechnung serviert wurde. Pausen sind wichtig, auch in der Arbeitswelt. Wir sind eben keine Maschinen. Laut der Techniker Krankenkasse schwankt unsere Leistungsfähigkeit in einem etwa 90-minütigen Rhythmus. Wenn wir konzentriert an etwas arbeiten, schaltet unser Körper nach spätestens 70 bis 80 Minuten für etwa 20 Minuten auf Erholung um. In dieser Zeit sind wir weniger aufmerksam und konzentriert und die Arbeit fällt uns schwerer – Zeit für eine Pause! Doch Deadlines und andere Faktoren führen dazu, dass wir die Signale unseres Körpers oft ignorieren und „durchpushen“. Das Ergebnis dieser toxischen Hustle-Culture können in schweren Fällen chronische Erschöpfungszustände und Burn-out-Diagnosen sein. Burn-outs in Deutschland „drastisch erhöht“ Laut Zahlen von AOK und Statista wurden im Jahr 2021 durchschnittlich sechs Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1.000 Mitglieder aufgrund einer Burn-out-Diagnose erfasst – ein Rekordwert. Damit hat sich die Diagnosehäufigkeit im letzten Jahrzehnt drastisch erhöht. Hochgerechnet ergeben sich daraus laut AOK für 2021 rund 194.000 Burn-out-Betroffene mit kulminierten 4,8 Millionen Krankheitstagen, was nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch ökonomisch eine Herausforderung ist. [caption id="attachment_1539856" align="aligncenter" width="620"] Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von Burn-out-Erkrankungen in Deutschland in den Jahren 2004 bis 2021, je 1.000 AOK-Mitglieder. (Grafik: Statista)[/caption] Auch die Krankheitstage aufgrund von psychischer Belastung sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen: 2005 waren es noch 13,9 Krankheitstage, im Jahr 2020 durchschnittlich 141,8 Arbeitsunfähigkeitstage je 1.000 Mitglieder. Damit haben sich psychische Erkrankungen zu einer der Hauptursachen für Arbeitsunfähigkeit entwickelt. Als Burn-out wird ein Zustand der totalen körperlichen und geistigen Erschöpfung bezeichnet. Laut ICD-11 Version, die ab dem 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist, wird Burn-out als Syndrom aufgrund von „Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann“ definiert. Vor dem 1. Januar 2022 wurde ein Burn-out-Syndrom allgemeiner als „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ kodiert. Laut ICD-11 ist Burnout durch drei Dimensionen gekennzeichnet: ein Gefühl von Erschöpfung, eine zunehmende geistige Distanz oder negative Haltung zum eigenen Job, ein verringertes Leistungsvermögen im Beruf. Burn-out: Besonders häufig Gründer:innen betroffen Gründer und Gründerinnen scheinen besonders häufig von Burn-outs betroffen zu sein. So zum Beispiel Gerjet Efken, der Gründer von Accelerate Health. Efken hatte 2018 das Startup Skill Yoga gegründet, aus dem er 2021 als Geschäftsführer austrat. Stress und Zweifel hatten ihn nach drei Jahren Startup-Leben in ein Burn-out manövriert. Nach der Entscheidung, bei Skill Yoga auszusteigen, reiste Efken drei Monate durch Zentralamerika, „um erst mal wieder klarzukommen“. Mit seinem neuen Unternehmen Accelerate Health hilft er heute anderen Gründer:innen dabei, resilient und gesund zu bleiben. [crosslinks ids="1532909,1444422,1539197"] „72 Prozent aller Gründer:innen haben mentale Gesundheitsprobleme“, sagt Efken im Interview mit t3n. Und: „Ein Drittel aller Startups scheitert sogar nur aufgrund der emotionalen Situation der Gründer:innen.“ [caption id="attachment_1533873" align="aligncenter" width="620"] 2018 gründete Gerjet Efken das Startup Skill Yoga. Drei Jahre später musste er aussteigen. Diagnose: Burn-out. Wir haben mit ihm gesprochen. (Bild: Gerjet Efken)[/caption] Neben Stress würden viele Gründer:innen und Gründer laut Efken auch das Gefühl verspüren, „nie genug zu sein oder zu machen“. Mentale Gesundheit als Wettbewerbsvorteil Die genannten Zahlen zeigen, dass es auch wirtschaftlich Sinn macht, in die mentale Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden von Arbeitnehmenden und Unternehmenslenker:innen zu investieren. „Wer ein erfolgreiches Startup aufbauen möchte, braucht gesunde, zufriedene Gründer:innen“, sagt Efken. „Der durchschnittliche Return on Investment von mentalen Gesundheitsinterventionen am Arbeitsplatz liegt bei fünf zu eins. Unternehmen, die frühzeitig in die mentale Gesundheit ihrer Gründer:innen und Organisation investieren, wachsen doppelt so schnell.“ Selbst wenn Investor:innen nicht persönlich an der mentalen Gesundheit ihrer Gründer:innen interessiert seien, sollten sie sich sehr genau damit auseinandersetzen, wenn sie an hohen Returns ihres Portfolios interessiert seien. Das gleiche gelte für Unternehmenslenker:innen. Was tun gegen Burn-out? Gegen das Burn-out-Symndrom gibt es keine Standard-Therapie. Die Maßnahmen müssen individuell für den Patienten oder die Patientin passen. Dabei muss auch der individuelle Schweregrad des Erschöpfungszustands mit einkalkuliert werden. In leichten Fällen kann mit Stressbewältigung, Zeitmanagement, Entspannungstechniken und der Klärung eigener Ziele schon eine deutliche Verbesserung des Wohlbefindens erreicht werden. Ein Ratgeber der Apotheken Umschau betont die Bedeutung von Pausen: „Menschen, die sich ausgebrannt fühlen, sollten für regelmäßige Erholungspausen sorgen – ausreichend Freizeit am besten fest in den Terminplan einbauen. Auch zwischendurch kann man sich immer wieder einmal für ein paar Minuten mit schönen Dingen ablenken – mit Musik, Fotos von Familie oder Freund:innen, oder einfach dem Blick ins Grüne. Entspannungstechniken helfen, Stress abzubauen, beispielsweise autogenes Training, Yoga, progressive Muskelrelaxation.“ In schwereren Fällen der Erschöpfung kann eine Psychotherapie Sinn machen. Da Therapieplätze rar sind, kann man als Soforthilfe auch auf Apps zurückgreifen. Das Berliner Unternehmen Hellobetter hat beispielsweise die Digitale Gesundheitsanwendung „HelloBetter Stress und Burnout“ entwickelt, die man sich von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen auf Rezept verschreiben lassen kann. Auswege gibt es also viele. Der wichtigste Schritt für Betroffene ist wohl, zu erkennen und sich selbst einzugestehen, dass man eine Pause braucht. Und eventuell sogar noch weitreichendere Hilfe. Denn sonst erlegt einem der Körper irgendwann eine Zwangspause auf – mit einem Burn-out, oder wie bei mir, mit einem Muskelfaserriss.