Die Welt ist nicht genug: Wieso Amazon ein zweites Hauptquartier eröffnen will
Der US-Konzern Amazon eröffnet ein zweites Hauptquartier in naher Zukunft. Mehr als fünf Milliarden US-Dollar will Amazon investieren, genauso viel, wie Apple in seinen neuen Campus steckt. Dabei geht es nicht um eine abhängige Zweigstelle, sondern tatsächlich um ein weiteres Hauptquartier, das völlig gleichberechtigt neben dem ersten in Seattle entstehen soll. Neben Amazons Beweggründen ist vor allem ein kleines Detail interessant: Amazon ruft Städte in ganz Nordamerika zur Bewerbung auf. Ja, richtig gelesen: nicht in den USA, in Nordamerika.
Die Details zum geplanten zweiten Amazon-Hauptquartier
Das US-Unternehmen schätzt, dass der zukünftige Amazon-Campus in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren auf bis zu rund 50.000 Mitarbeiter anwachsen wird. Die erste Bauphase soll schon 2019 stattfinden. Beginnend mit rund 460.000 Quadratmetern, soll die Gebäude-Nutzfläche auf bis zu 750.000 Quadratmeter in rund 30 Gebäuden anwachsen.
Aktuell belegt Amazon 33 Gebäude mit rund 750.000 Quadratmetern in Seattle. Das Unternehmen hat dort in kurzer Zeit einen Wolkenkratzer nach dem anderen aus dem Boden gestampft und in rasender Geschwindigkeit Flächen angemietet. Jetzt scheint langsam die Grenze des Möglichen erreicht zu sein.
Amazon gibt in seiner Ausschreibung an, dass sowohl ein städtischer Campus mit ähnlichen Ausmaßen wie in Seattle infrage kommt, aber auch andere Regionen, die sich städtebaulich für eine solche Entwicklung eignen. Das neue Hauptquartier muss in einem Ballungsgebiet liegen, eine stabile und unternehmensfreundliche Umgebung bieten und sollte anziehend auf die Tech-Welt wirken.
Bildergalerie: Amazons Headquarter in Seattle
Amazon-Hauptquartier hat in einer Großstadt Auswirkungen
Neben den unvermeidlichen Gentrifizierungseffekten, die Zuzüge aus der Tech-Welt grundsätzlich mit sich bringen, hat die Anwesenheit eines solchen Global Players direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft. Amazon führt diese Auswirkungen auf Seattles Wirtschaft in bester Marketing-Manier auf:
- Rund 100.000 US-Dollar soll das Durchschnittsgehalt des Amazon-Mitarbeiters im neuen Hauptquartier betragen. (Laut Angaben von Amazon bezahlt der Arbeitgeber aktuell mehr als 40.000 Mitarbeitern rund 28,5 Milliarden.)
- Mehr als 233.000 Übernachtungsgäste bringt Amazon jährlich.
- 43 Millionen US-Dollar zahlt Amazon als Zuschuss zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs an seine Mitarbeiter.
Außerdem will Amazon festgestellt haben, dass in der Folge von Amazons Investments in die örtliche Wirtschaft mehr als 50.000 weitere Jobs kreiert wurden und 38 Milliarden US-Dollar in der Folge investiert wurden.
Favorit könnte überraschenderweise Toronto sein: Der „War of Talents“ ist entscheidend
Nicht nur der reine Platzbedarf, auch strategische Überlegungen dürften bei der Entscheidung für einen zweiten Standort eine führende Rolle spielen. Gerade im „War of talents“ ist ein zweiter, geschickt platzierter Standort hilfreich. Amazon setzt einen ausgeprägten Universitätsstandort voraus für die in Frage kommenden Kandidaten.
Präsident Trumps rigide Einwanderungspolitik, die von einer eher liberal orientierten Tech-Community überwiegend als fremdenfeindlich und rassistisch betrachtet wird, könnte laut Geekwire-Mitgründer und Seattle-Kenner John Cook dazu führen, dass eine Stadt außerhalb der USA den Sieg davon trägt. Sein Favorit ist die kanadische Metropole Toronto. Daneben räumt Cook noch Boston, Austin, Pittsburg, Chicago und Atlanta Chancen auf das neue Amazon-Headquarter ein. In Austin sitzt auch die Zentrale der frisch erworbenen Supermarktkette Whole Foods.
Amazon bringt den neuen Standort auch für Mitarbeiterverlagerungen ins Spiel. Die Leiter der Unternehmensbereiche sollen zukünftig frei entscheiden dürfen, ob sie ihren Bereich zwischen den beiden Hauptquartieren aufteilen, ganz verlagern oder am Standort Seattle lassen. Auch Mitarbeitern soll Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden. Eine weitere Möglichkeit, Amazon-Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, die Seattle nicht mögen. Und die Möglichkeit, Unternehmensbereiche dorthin zu bewegen, wo gerade der größte Talent-Pool für das spezifische Tätigkeitsfeld vorhanden ist.
Die wichtigste Erkenntnis: Amazons CEO Jeff Bezos braucht aktuell rund 40.000 Mitarbeiter und 7,5 Millionen Quadratmeter Fläche, um sein Imperium zu betreiben. Wenn er damit rechnet, dass sich der Bedarf innerhalb von zehn Jahren mindestens verdoppelt, dann rechnet er auch damit, dass sich Amazon selbst bis dahin verdoppelt. Mindestens.