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Interview

Atomico-Partner Siraj Khaliq: „Kreativ sein können auch Maschinen“

Siraj Khaliq hat einst bei Google gearbeitet, später verkaufte er sein Startup für eine Milliarde Dollar. Beim VC Atomico liegt sein Fokus auf künstlicher Intelligenz. Wie es um die Technologie steht.

Von Lisa Hegemann
6 Min.
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Siraj Khaliq ist Partner bei Atomico. (Foto: Atomico)

Siraj Khaliq muss nicht mehr arbeiten. Seit er sein Startup The Climate Corporation 2013 für fast eine Milliarde Dollar veräußerte, hat der ehemalige Google-Engineer ausgesorgt. Trotzdem heuerte er nach dem Verkauf bei dem prominenten Startup-Investor Atomico an. Der Grund dafür ist einfach: Sinn. „Jeder braucht etwas in seinem Leben, das ihn motiviert, das ihn morgens aus dem Bett treibt und auch am nächsten Tag noch etwas machen lässt“, sagt Khaliq beim Gespräch in Wien. Für ihn sei nicht die Frage gewesen, ob er weiterhin arbeite, sondern was er mache. Venture Capital passte gut ins Konzept: Die Erfahrung, die er gesammelt habe, könne auch für andere Gründer interessant sein. „Vielleicht können sie aus meinen Fehlern lernen.“

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Der studierte Computerwissenschaftler hat schon mit 13 Jahren mit dem Programmieren angefangen. Der Anstoß kam durch das Spiel Atari 2600: „Ich wollte verstehen, wie jemand so etwas kreiert“, erklärt er. Das erste Programm, das er selbst konzipierte, war dementsprechend ebenfalls ein Computerspiel, „ein sehr einfaches“, wie Khaliq betont. Nach seinem Studium in Stanford arbeitete er bei Google, konzipierte unter anderem die Büchersuche, bevor er sich selbstständig machte. Das war keine plötzliche Idee: Er habe schon immer ein eigenes Unternehmen aufbauen wollen – wegen Bill Gates. „Ich habe ihn in den 90ern auf dem Time-Cover gesehen“, erzählt Khaliq, „und konnte mich gut mit ihm identifizieren: Er trug eine ähnliche Brille, wie ich sie als Kind hatte.“

Seit Januar 2016 hilft der Stanford-Absolvent bei Atomico anderen Startups bei der Entwicklung ihres Geschäftsmodells. Sein Fokus: künstliche Intelligenz, Machine Learning und maschinelles Sehen. Im Interview erklärt er, wo wir bei künstlicher Intelligenz eigentlich stehen und warum auch kreative Berufe von Maschinen ersetzt werden können.

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Atomico-Partner Khaliq: „Krebs erkennen können Maschinen schon heute besser als wir“

Siraj, in den 1960er Jahren gab es einen ersten Hype um künstliche Intelligenz. Schon damals dachte man, dass Maschinen in wenigen Jahren intelligenter würden als wir Menschen. Das ist nicht passiert. Jetzt gibt es wieder einen Hype, wieder heißt es, Maschinen werden bald intelligenter sein. Wo stehen wir denn wirklich auf einer Skala von eins bis zehn?

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Mit einer Skala ist das schwierig.

Warum? 

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Weil es auf das Problem ankommt, das du löst.

Wie meinst du das?

Gucken wir uns Radiologie oder Computertomographie an: Ärzte schauen normalerweise auf die Bilder und müssen daraus erkennen, ob jemand Krebs hat oder nicht. Das können Maschinen schon heute besser. Zwar sind sie noch nicht überall im Einsatz, sie sind noch nicht kommerzialisiert. Aber das wird bald kommen. Auf einer Skala von eins bis zehn läge die künstliche Intelligenz bei sieben oder acht.

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Das klingt, als wären wir nicht soweit davon entfernt, dass Maschinen unsere Jobs übernehmen. 

In diesem Bereich ja. Aber in anderen Branchen liegen wir noch zurück.

In welchen?

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Bei selbstfahrenden Autos zum Beispiel. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis sich Fahrzeuge autonom bewegen können. Da sind wir vielleicht gerade bei fünf. Und in kreativen Berufen, beim Malen, Schreiben, Musizieren, sind die Maschinen nicht einmal nah dran, den Menschen zu ersetzen. Die Skala hängt also von der Branche ab.

Glaubst du, dass Maschinen jemals kreative Aufgaben übernehmen können?

Ja.

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Das musst du erklären. 

Denk mal an Musik. Warum konnte Mozart Melodien schreiben, die wir auch heute, Hunderte Jahre später, noch hören? Ein Teil davon ist musikalisches Genie. Aber einen anderen Teil macht ein Verständnis von Komposition aus, also wie du Noten zusammenfügst, sodass sie eine angenehme Melodie ergeben. Dahinter stecken logische Regeln. Das können auch Maschinen.

Aber bisher heißt es doch immer, dass Maschinen kreative Berufe nicht ersetzen werden können, weil die Aufgaben dahinter zu kompliziert sind. 

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Ich sage ja auch nicht, dass Maschinen schon so weit sind. Es wird eine lange Zeit dauern, bis künstliche Intelligenz auch nur ansatzweise kreativ sein und so etwas wie Mozart leisten kann. Aber wenn wir darüber nachdenken, wie Musik generiert wird, wie Kunst generiert wird, ist künstliche Intelligenz weiter, als wir denken.

Atomico-Partner Khaliq: „Das ist so, als müsste ich mein Lieblingskind benennen“

Wollen wir wirklich ein Bild im Wohnzimmer hängen haben, das von einer Maschine gemalt wurde? Oder ein Buch lesen, das ein Algorithmus erstellt hat?

Das ist eine andere Frage. Vielleicht wird diese Art der Kunst nicht sonderlich beliebt sein. Vielleicht wollen wir keine Bücher von Maschinen lesen, weil wir uns darin nicht wiederfinden, weil wir es nicht authentisch finden. Aber es gibt keinen Grund, warum Computer nicht auch kreativ sein könnten.

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Eine berühmte Studie aus Oxford besagt, dass in den kommenden 25 Jahren jeder zweite Job mit Maschinen ersetzt wird. Einige Experten erwarten, dass das wirklich passieren wird. Andere glauben, dass die Maschinen uns dazu bringen werden, andere Jobs zu erledigen. Auf welcher Seite stehst du? 

Ich kenne die Studie und habe mit den Wissenschaftler gesprochen, die sie publiziert haben. Und sie finden, dass die Arbeit weitestgehend falsch wiedergegeben wurde. Die Erkenntnisse sind tatsächlich etwas differenzierter: Es gibt ein Potenzial, dass einige dieser Jobs wegfallen und durch Maschinen ersetzt werden, aber es steht nicht fest, dass so viele Jobs wegfallen.

Ich kenne die Kritik an der Studie. Aber die Frage, die die Untersuchung aufwirft, ist ja durchaus relevant: Werden uns Maschinen ersetzen oder werden sie uns helfen, unseren Job besser zu machen?

Meiner Meinung nach ist der Wegfall von Arbeitsplätzen nichts, was Menschen nicht in den Griff bekommen könnten. Gucken wir nur mal zurück an die frühen Tage des Telefons. Da gab es diese Räume voll von Telefonisten, die nichts anderes gemacht haben, als Drähte aus der Wand zu nehmen und in eine andere Leitung zu stecken. Das ist kein Beruf mehr, das geht mittlerweile einfacher. Aber die Leute haben trotzdem andere Arbeitsplätze gefunden.

Das macht es nicht einfacher. Wenn wir davon ausgehen, dass eine Menge Jobs wegfallen, müssen wir diese Leute in anderen Berufen unterbringen.

Versteh mich nicht falsch, ich will nicht abgestumpft klingen. Es ist nicht einfach, wenn eine große Anzahl an Jobs wegfällt. Die Gesellschaft muss das Problem am Kopf packen und sich überlegen, wie sie Leute umschulen kann – und was passiert, wenn es nicht möglich ist, jemanden umzuschulen. Gibt es dann eine Entschädigung? Ein Grundeinkommen?

Was wäre deine Präferenz?

Ich weiß es nicht. Nur eins ist klar: Nein zu Technologie zu sagen, ist nicht die Antwort. Wir müssen die Möglichkeiten ausnutzen und uns gleichzeitig der gesellschaftlichen Probleme bewusst sein, die dadurch entstehen. Nur so kommen wir voran.

Wenn man über künstliche Intelligenz redet, geht es schnell auch um Singularität, also den Punkt, an dem sich künstliche Intelligenz so rasant verbessert, dass die Zukunft nicht mehr vorhersehbar ist. Wann werden wir diesen Punkt erreichen?

„Singularität ist nette Science-Fiction.“

Das ist schwer vorherzusagen. Die Frage ist auch: Wenn wir diesen Punkt erreichen, wird es überhaupt so sein, wie wir es erwartet haben oder wie es jemand vorhergesagt hat? Können wir wirklich nicht mehr reagieren, nichts mehr umkehren? Ich glaube, dass das nette Science-Fiction ist. In der Realität müssen wir vielleicht darüber nachdenken, aber es ist noch lange hin, bevor sich die Singularität zu einem echten Problem entpuppt.

Dein Fokus bei Atomico liegt auf künstlicher Intelligenz. Wenn du ein Startup aus eurem Portfolio nennen solltest, das auf einem besonders guten Weg ist, welches wäre das?

Das ist ja so, als müsste ich mein Lieblingskind benennen. (lacht) Das ist nicht einfach. Ein KI-Unternehmen, das wir unter unserem Dach haben, ist Scandit aus der Schweiz. Das Startup nutzt maschinelles Sehen, um Strichcodes zu verstehen. Bisher gehen die Mitarbeiter von Logistikzentren ja umher und scannen die Boxen manuell. Scandit will es möglich machen, mit einem Scanner gleichzeitig Tausende von Strichcodes zu erfassen.

Was bringt das?

Der Lagerarbeiter muss nicht mehr nach einem bestimmten Paket suchen. Er hält den Scanner vor einer Wand mit Kartons hoch und sieht dadurch sehr genau, wo die Box mit Schuhen steht, die er gerade sucht. Das ist ein Riesenvorteil. Gleichzeitig zeigt das auch wieder, was ich schon vorhin sagte: Technologie kann uns in vielen Bereichen sehr helfen.

Siraj, danke für das Gespräch. 

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