
IT-Skills bleiben wichtig - egal, was manche Experten behaupten. (Foto: Tippapatt/Shutterstock)
Der Spiegel ließ in einem Artikel vier Experten aus Bildung und Konzernen zum Thema „Was Bewerber heute können müssen“ zu Wort kommen. Einer der Experten sagte: Hard Skills wie Programmieren sind gar nicht so entscheidend, denn ein grundsätzliches digitales Verständnis bringen die meisten Bewerber:innen sowieso mit. Durch die Tools und Kurse, die es heute gibt, kann man in zwei Monaten lernen, wie man ein selbstfahrendes Auto programmiert – in Zukunft werden sich die meisten Programme ohnehin von selbst schreiben. Viel wichtiger seien sogenannte „21-Century-Skills“ – und nennt Soft Skills wie Teamfähigkeit und Kreativität als ausschlaggebend.
Nicht nur, dass der Experte hier zwei Ebenen vermischt – Soft Skills wie Kommunikationsstärke und Kreativität sind zweifellos wichtig, allein damit lässt sich ohne sogenannte Hard Skills auf Dauer allerdings kein Blumentopf gewinnen; er stellt auch Behauptungen auf, die so einfach nicht stimmen.
Ja, programmieren lernen kann grundsätzlich jede:r. Ja, in einem mehrwöchigen Crashkurs kann man durchaus lernen, wie man eine einfache App programmiert. Und ja, das Internet bietet eine Menge Ressourcen, die den Einstieg erleichtern können. Ja, es gibt sogar Onlinekurse, in denen man binnen einiger Monate Basics über die Programmierung selbstfahrender Autos lernen kann. Die Liste an Vorkenntnissen, die „man“ für eine erfolgreiche Teilnahme mitbringen sollte, kann sich allerdings auch sehen lassen. Dass sich die meisten Programme in naher Zukunft selbst schreiben werden, ist ebenfalls stark anzuzweifeln. Entwicklungen wie das Aufkommen von Low Code oder KI-gestützter Coding-Tools werden sicherlich dazu beitragen, dass die Software-Entwicklung künftig erstens zunehmend automatisiert und zweitens auch für Laien zugänglicher wird.
Wer allerdings ernsthaft glaubt, dass diese Entwicklungen dazu führen werden, dass in naher Zukunft weniger Arbeitskräfte mit Expertise in diesem Bereich benötigt werden, hat sich geschnitten. Im Gegenteil: Gerade dann, wenn weite Teile des Software-Entwicklungsprozess automatisiert oder vereinfacht werden, braucht es Menschen, die sich auskennen. Die beurteilen können, was der von einer KI vorgeschlagene Code taugt. Die sicherstellen können, dass auch eine mithilfe einer Low-Code -Plattform zusammengeklickte Anwendung sicher ist.
Wenn Expert:innen kommunizieren, IT-Expertise und Programmierkenntnisse seien Skills, die zwar jemand im Team brauche, es jedoch für den Großteil der Teammitglieder ausreiche, kommunikationsstark und kreativ zu sein, ist das ein falsches Signal. Wenn behauptet wird, zwei Monate Crashkurs reichten aus, um nachher ein selbstfahrendes Auto zu programmieren, ist es kein Wunder, dass kaum jemand die Komplexität von Software und die der Entwicklung und Wartung derselben versteht. Dann muss sich auch keiner wundern, dass Informatik in den Lernplänen an Schulen immer noch weitgehend vernachlässigt wird; wenn Bund und Länder voreilig mehrere Millionen in eine halbfertige Software wie die Luca-App stecken oder wenn es immer wieder Skandale wie den um die Wahlkampf-App der CDU gibt. Kurzum: Dann ist es auch kein Wunder, dass es in Deutschland so viel gefährliche Software gibt, wie eine Kommentatorin auf Twitter wettert.
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Volle Zustimmung.
Full ack. Leider wird der Begriff „Experte“ sehr inflationär verwendet.
Wer „trainiert“ die KI, mit welchen Daten?
Wer entwickelt die Modelle?
Der Herr Professor aus besagtem Artikel ist weit von der Realität entfernt.