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Analyse

Was die Coronakrise für Menschen mit psychischen Erkrankungen bedeutet

Für Menschen mit einer psychischen Erkrankung bedeutet die Coronakrise extreme Herausforderungen. Aber nicht nur E-Health kann eine große Stütze sein – wir alle können etwas tun.

Von Noëlle Bölling
5 Min.
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(Foto: Shutterstock)

Die Corona-Pandemie hat unseren Alltag innerhalb nur weniger Wochen völlig auf den Kopf gestellt. Anstatt im Büro arbeiten viele nun von Zuhause aus und statt dem Gang ins Fitnessstudio findet das Workout nun zu Hause vor dem Laptop statt. Die Ausgangsbeschränkungen und die Schließungen von Schulen, Schwimmbädern, Restaurants, Kinos, Theatern und Cafés haben das soziale Leben, wie wir es kannten, nahezu komplett lahmgelegt. Das Gefühl, als hätte jemand auf die Stopp-Taste gedrückt, empfinden viele als beklemmend. Sogar Depressionen können sich durch die Isolation entwickeln. Viel schlimmer ist es jedoch für jene Menschen, die auch ohne Coronavirus unter psychischen Erkrankungen leiden. Wir haben neben Entwicklern digitaler Mental-Health-Tools auch mit einer Betroffenen gesprochen und gefragt, wie es ihr mit der aktuellen Ausnahmesituation geht.

Von Ängsten und Zwängen bis Mut und Hoffnung

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Bernhard Backes weiß: „Für Menschen mit psychischen Erkrankungen sind positive soziale Aktivitäten besonders wichtig, um die Stimmung zu stabilisieren und Motivation aufzubauen.“ Er ist leitender Psychotherapeut bei Minddoc, einem E-Health-Unternehmen, das Online-Therapien für Menschen mit Depressionen, Essstörungen und Burnout anbietet. Fällt der geregelte Büroalltag weg, fehlen den Betroffenen nicht nur die sozialen Kontakte. Auch die Aufhebung der Trennung zwischen Arbeitsplatz und Entspannungsort kann die psychische Verfassung deutlich verschlechtern. Daniel Bosch, der als Co-Founder und Geschäftsführer bei Mentavio, einer psychologischen Online-Beratung, tätig ist, ergänzt: „Die Krise ist für uns alle mit großen Unsicherheiten verbunden. Diese Ungewissheit kann Ängste verstärken, die im Hintergrund vieler psychischer Störungen stehen. Besonders kritisch sind jetzt Angstszenarien, die der aktuellen Pandemie ähneln. Solche Befürchtungen können bei einer ganzen Reihe von Störungen vorkommen, beispielsweise bei Panikstörungen, hypochondrischen Störungen oder Zwangsstörungen. Im Fall eines Shutdowns könnte die zunehmende Isolation depressive Tendenzen bei den Patienten verstärken oder gar eine depressive Episode auslösen.“

Anna ist 24 und ist einer jener Menschen, für den die derzeitige Situation eine ganz besondere Belastung bedeutet. Sie lebt seit etwa zehn Jahren mit einer bipolaren Störung, mit der Angst- und Zwangshandlungen einhergehen. Die gegenwärtige Krisenstimmung löst in ihr die verschiedensten Gefühle aus. „Von Angst über Hoffnung bis Verzweiflung ist im Laufe eines Tages alles dabei“, erzählt sie uns im Interview. „Die Beschränkungen empfinde ich persönlich bisher nicht als übermäßig schlimm. Ich halte mich generell viel zu Hause auf, arbeite auch von hier aus und bin ansonsten mit meinem Hund in der Natur, wo ich nur selten einem Menschen begegne. Angst vor einer generellen Ausgangssperre habe ich dennoch, da das auch eine Einschränkung in den Hunderunden bedeuten würde und ich weiß nicht, ob ich dem psychisch gewachsen wäre. Ich brauche den Wald und die Felder hier für meine mentale Gesundheit.“ Trotzdem weiß sie, dass die Ausgangsbeschränkungen, die Bund und Länder derzeit verhängen, das einzig Richtige sind, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Anne geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie meint: „Ich halte eine Ausgangssperre, wie sie in Italien verhängt worden ist, für den besten Weg.“

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Wie digitale Tools jetzt helfen können

„Die Situation ist für uns alle neu, eine spezielle Corona-Lösung für Betroffene gibt es deshalb nicht“, sagt Daniel Bosch von Mentavio. „Um eine negative Auswirkung der Krise auf die psychische Gesundheit zu verhindern, ist jetzt ganz wichtig, dass der Kontakt zwischen Therapeuten und Klienten nicht abreißt. Hier können Online-Sitzungen wirksam helfen – selbst wenn es zum Shutdown kommt.“ Digitale Tools sind aber nicht nur eine echte Bereicherung, weil sie dabei helfen, den Kontakt zu anderen so gering wie möglich zu halten. Sie helfen unserem angeschlagenen Gesundheitssystem genau dort, wo es gerade am dringendsten benötigt wird und entlasten medizinische Fachkräfte, so gut es geht. Felix Frauendorf, Managing Director bei Minddoc, sagt: „Aufgrund der technologischen Skalierbarkeit können viele Menschen auf einmal auf die Tools zugreifen, ohne sich die knappe Ressource des Arztes oder Therapeuten teilen zu müssen. Das gilt insbesondere für Situationen, in denen die Nachfrage innerhalb kürzester Zeit deutlich ansteigt – so wie jetzt.“

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Auch Anna nutzt digitale Tools, um den täglichen Schreckensmeldungen bestmöglich zu trotzen: „Eine App, die ich sehr gerne mag, ist Tide. Die entspannenden Sounds und die geleiteten Atemübungen haben mir auch vor der Krise geholfen und ich wende sie immer gerne an, wenn alles über mir zusammenbricht.“ Außerdem hat sie sich dazu entschieden, vorerst keine neuen Aufträge anzunehmen. Zwar hat sich an ihrer Arbeitssituation nichts geändert, da sie ohnehin als freie Texterin von Zuhause aus arbeitet, trotzdem war es für sie die richtige Entscheidung. „Ich habe für mich festgestellt, dass ich momentan nicht in der Lage bin, mich zu konzentrieren oder meine beste Arbeit abzuliefern“, erzählt sie uns. „Normalerweise bin ich an solchen Tagen gerne in die Stadt gefahren oder habe mich mit Freunden getroffen, aber jetzt bin ich mit meinen Gedanken alleine.“

Gemeinsam gegen Einsamkeit und Langeweile

Bei allen Entbehrungen und Ängsten, die die gegenwärtige Krisensituation mit sich bringt, gibt es auch Grund zur Hoffnung. Um Betroffene bestmöglich unterstützen zu können, stellt Minddoc gerade eine Reihe an Fragen, Einblicken und Übungen zusammen, die speziell auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Coronakrise zugeschnitten sind. „Die zusätzlichen Inhalte beziehen sich vor allem auf die gesundheitsbezogenen Sorgen und helfen ihnen bei Problemen mit Einsamkeit, Isolation und Langeweile. Unseren App-Nutzern werden wir dies kostenlos zur Verfügung stellen“, so Felix Frauendorf. Anna empfiehlt außerdem, derzeit nicht zu streng mit sich zu sein. Der zusätzliche Druck hilft niemandem. „Ich lasse mir die Zeit und den Raum, den ich brauche. Ich lasse einen ausgedehnte Mittagsschlaf genauso zu wie lange Yoga-Sessions – oder Tränen. Ich muss mich, wie wir alle, mit der Situation abfinden und vor allem aktiv daran arbeiten, sie zu überwinden.“

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Aber noch etwas gibt ihr Hoffnung – und das ist Instagram. „In der Vergangenheit habe ich die App oft als Last wahrgenommen“, berichtet die 24-Jährige. „In diesen Tage empfinde ich Instagram jedoch als ein Ort, an dem Zusammenhalt herrscht und Mut ausgesprochen wird.“ Und daran kann jeder einen kleinen Beitrag leisten, völlig egal, ob man Menschen wie Anna persönlich kennt oder nicht. Zuhause bleiben und sich und andere schützen, ist das Eine. Mindestens ebenso solidarisch ist es, in Social Media keine Fotos und Videos mehr von leeren Regalen zu posten oder Fake News zu verbreiten. Beides kann nicht nur bei Menschen mit psychischen Vorerkrankungen, sondern auch bei mental gesunden Menschen große Ängste auslösen. Die Panikmache ist unnötig, genauso wie Hamsterkäufe von Nudeln, Klopapier und Co. Außerdem sind Posts von Menschen, die sich in dieser schweren Zeit gegenseitig helfen oder auf dem Balkon stehen und gemeinsam musizieren doch sowieso viel schöner.

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Kommentare (1)

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Melanie

Ich hatte damals Panikattacken und stand 6 Monate auf einer Warteliste. Es hat sich bis heute niemand bei mir gemeldet. Ich musste mir dann also selber helfen und habe mich jeden Tag 1 Stunde zum Meditieren hingesetzt. Ebenso bin ich mit Yoga gestartet. Heute schreibe ich darüber auf meinem Blog Magazin http://www.ganzwunderbar.com
Ich lade dich gerne ein, dort ein wenig mehr über Meditation zu erfahren. Gerade wenn es dir nicht so gut geht.
Ganzwunderbare Grüße
Melanie

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